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Das größte Geheimnis der Verbesserung im Schach

Das größte Geheimnis der Verbesserung im Schach

Gserper
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Nachdem Ihr den Titel dieses Artikels gelesen habt, werden sicher einige von Euch denken: "Oh nein, kein weiteres 'Geheimnis' der sowjetischen Schachschule". Tatsächlich haben wir in letzter Zeit zu viele dieser "Enthüllungen" gesehen. Ich kann die Klappentexte der Bücher, in denen ein Autor behauptet, er "enthüllt zum ersten Mal die einst geheime russische Methode des Schachtrainings", schon nicht mehr sehen. Deshalb werde ich hier nicht die Geheimnisse der sowjetischen Schachschule enthüllen. Außerdem habe ich das bereits vor sechs Jahren getan.

Anstatt Euch jetzt vorzugaukeln, dass ich eine ultimative Weisheit kenne, die Ihr aber nur verstehen könnt, wenn Ihr ein Großmeister seit, gebe ich Euch einen einfachen logischen Ansatz. Ich versichere Euch, dass er selbst dann Sinn machen wird, wenn Ihr erst gestern mit dem Schach begonnen habt. Lüften wir also ohne weitere Umschweife das größte Geheimnis der Verbesserung im Schach: Macht mehr von dem, was funktioniert und weniger von dem, was nicht funktioniert! So, das Geheimnis ist gelüftet! Ist es nicht einfach?

Viele Menschen machen nämlich genau das Gegenteil. Hier ist ein einfaches Beispiel. Einer meiner Schüler sagte, dass er gegen einen Gegner spielen würde, der seine Partien immer mit 1.e4 e5 2. Sf3 Lc5? beginnt. Natürlich war mein Schüler froh, seine Partie mit einem Mehrbauern beginnen zu können. Ich war aber ziemlich skeptisch und sah in der Datenbank nach. Aber es stimmte! Der betreffende Spieler spielte tatsächlich immer den schlechten Zug 2...Lc5. Wie mein Schüler erwartet hatte, hatte er bereits im dritten Zug einen Mehrbauern und später die Partie gewonnen.

Was mich an dieser Geschichte wirklich stört ist: Warum wollte der arme Kerl all seine Partien mit einem Minusbauern beginnen? Bekommt er gute Stellung aus der Eröffnung heraus? Absolut nicht! Bringt ihm diese zweifelhafte Eröffnung gute Ergebnisse? Nun, er gewinnt sicherlich einige Partien, aber man kann davon ausgehen, dass er seine Partien trotz dieses Eröffnungszuges gewinnt und nicht deswegen. Die folgende Partie ist ein gutes Beispiel: Schwarz war nach der Eröffnung bereits komplett verloren, aber dann stellte sein Gegner seine Dame ein:

Wenn ich mir das Rating dieses Spielers ansehe, sehe ich, dass sein Rating heute etwas niedriger ist als im November 2017. Mit anderen Worten: Er hat in vier Jahren keinen Fortschritt gemacht und das bedeutet, dass irgendetwas definitiv nicht funktioniert. Um Fortschritte zu machen, sollte dieser Spieler diese Dinge, die nicht funktionieren (wie zum Beispiel diese Eröffnungsvariante) identifizieren und sie loswerden.

Es versteht sich von selbst, dass die Eröffnung der einfachste Teil der Gleichung ist. Seht Euch aber einfach mal die Statistiken Eurer Partien an, die Ihr mit einer bestimmten Eröffnung gespielt habt und Ihr werdet sehen, ob sie für Euch funktioniert oder nicht. Aber was könnten die andere Dinge sein, die für Euch nicht funktionieren und wie könnt Ihr sie beheben?

Machen wir eine Zeitreise ins Leningrad nach dem Zweiten Weltkrieg. Dort gewann ein kleiner Junge alle lokalen Schulturniere und wurde vom berühmten sowjetischen Trainer Vladimir Zak in seine Trainingsgruppe im Leningrader Pionierpalast aufgenommen. Der Name des talentierten Jungen war Boris Spassky.

Boris Spassky
Boris Spassky, 1956. Foto: Herbert Behrens/Dutch National Archives, CC.

In seinem Buch über den 10. Weltmeister schreibt GM Nikolai Krogius, der Spassky sehr gut kannte, dass der junge Boris wie die meisten Kinder komplizierte, taktische Stellungen voller Kombinationen mochte und in all seinen Partien versuchte, solche Stellungen zu erreichen. Leider bestand Zak darauf, dass strategische Prinzipien wichtiger seien und forderte Spassky auf, typische Mittelspielstellungen und Endspiele zu studieren. Das Ergebnis war, dass Spasskys Stil positioneller wurde und seine taktischen Fähigkeiten deutlich nachließen.

Als Beispiel dafür zeigt Krogius die folgende Partie, die Spassky bereits im 12. Zug aufgab, weil er dachte, er würde viel Material verlieren. Könnt Ihr herausfinden, wie Schwarz das Material retten und die Partie fortsetzen hätte können?


Klar. Die Stellung von Schwarz wäre auch nach diesem kleinen taktischen Trick immer noch ziemlich schlecht, aber Spassky sah das überhaupt nicht und gab die Partie auf, weil er dachte, er würde mindestens eine Figur verlieren.

Meister Y. Damsky, der Spassky auch seit seiner Kindheit kannte, schreibt, dass Vladimir Zak, der ein Meisterkandidat (CM) war, "akademisches" Schach spielte und seinen Schülern einflößte, dass sie "richtiges" Schach spielen müssten. Daher konnte auch Spasskys enormes Naturtalent die "Mauer" des positionellen Schachs, wie es Siegbert Tarrasch oder Aron Nimzowitsch spielten, unmöglich durchbrechen. Das Ergebnis war, dass Spassky zu dieser Zeit einige wirklich langweilige Partien gespielt hat. Zum Beispiel diese: 

Glücklicherweise begann Spassky dann mit dem sehr aggressiven Angriffsspieler Alexander Tolush zu arbeiten. GM Viktor Korchnoi erinnert sich, dass er innerhalb weniger Jahre einen drastischen Unterschied in Spasskys Spielstil feststellen konnte. Es lag nicht einmal daran, dass Boris viel stärker spielte als zuvor. Er spielte nur anders. Wie Tolush kämpfte er eifrig um die Initiative und tat das vielleicht sogar besser, als sein neuer Trainer. Korchnoi sagte mit Bedauern, dass es absolut klar war, dass Spassky ihm in seiner Schachentwicklung bereits weit voraus war. Und Korchnoi kommt zu dem Schluss, dass dies alles auf Spasskys neue Fähigkeit zurückzuführen ist, um die Initiative zu kämpfen.

Diese Partie illustriert Korchnois Beobachtung recht gut:


Heute ist es leicht zu erkennen, dass die Trennung von Zak ein sehr wichtiger Schritt in der schachlichen Entwicklung von Spassky war, aber über dieses Thema habe ich bereits in diesem Artikel geschrieben. Hier ist ein Zitat von GM Alex Yermolinsky, der ebenfalls ein Schüler von Zak war: "Wir hatten damals einen Witz: Jeder, der Zak´s "Trainingsmethoden" überlebt, hat eine glänzende Schachkarriere vor sich! Das wichtigste war, sich von Zak zu trennen, bevor Du so frustriert warst, dass Du mit dem Schach aufgehört hast. Valery Salov und Gata Kamsky haben sich sehr früh von ihm getrennt und wurden bereits als Teenager zu Stars."

War es für den 12-jährigen Spassky leicht, seinen berühmten Trainer zu verlassen und mit dem sehr umstrittenen Tolush zusammenzuarbeiten? Natürlich nicht! Aber er sah, dass er wirklich etwas ändern musste, was eindeutig nicht funktionierte, und entschied sich daher für den riskanten Schritt, der sich im Nachhinein als brillante Entscheidung herausstellte

Die Lektion, die Ihr aus diesem Artikel lernen könnt, ist ganz einfach: Wenn Ihr Partie für Partie gewinnt und in jedem Turnier mehr Elo-Punkte als Alireza Firouzja sammelt, dann macht ruhig weiter wie bisher. Was Ihr macht, funktioniert ja offensichtlich ganz gut. Wenn Eure Entwicklung aber ins Stocken geraten ist, müsst Ihr herausfinden, welche Dinge für Euch nicht funktionieren. Ganz egal, ob es die Eröffnung, der allgemeiner Spielstil oder die Zigarettenmarke ist. Irgendwas müsst Ihr ändern! 

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