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Der ewige Kampf: Läufer gegen Springer

Der ewige Kampf: Läufer gegen Springer

Silman
| 102 | Mittelspiel

Chess.com Mitglied dudejan stellte mir diese Frage:

Ich weiß nie, wohin ich meine Läufer entwickeln soll. Die Idee, meine Springer als Vorposten im gegnerischen Lager zu platzieren scheint mir logisch zu sein, aber für die Läufer habe ich einfach kein Verständnis. Ich glaube, das ist hauptsächlich, weil es ja in der Entwicklung noch nicht klar ist, welche Diagonalen sich öffnen werden. Wenn ich z.B. mit Weiß spiele, erscheint es mir logisch den schwarzfeldrigen Läufer auf e3, f4, oder g5 zu entwickeln, aber ich habe kein Verständnis dafür, welches dieser Felder am besten ist.

SILMAN:
Anstatt jetzt nur über Läufer zu schreiben, binde ich die Springer mit ein, denn beide konkurrieren sehr oft miteinander (Läufer und Springer sind irgendwie wie Hunde und Katzen).

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Im allgemeinen sind die Stärken der beiden Figuren einfach zu erklären:

  • Ein Läufer hat eine lange Reichweite und ein Springer nicht.
  • Obwohl der Springer nicht mit einem einzigen Zug über das gesamte Brett ziehen kann, kann er auf jedem beliebigen Feld landen (oder es Angreifen), egal ob das Feld Weiß oder Schwarz ist. Ein Läufer ist immer an seine Farbe gebunden.

Hier ist ein Beispiel, indem ein Springer ein Opfer erspäht hat:

Gehen wir ein wenig mehr ins Detail.

  • Springer sind am besten, wenn sie ein Loch haben (ein Feld im gegnerischen Lager, auf dem Sie nicht von Bauern angegriffen werden können).
  • Springer sind Verteidiger, bis sie die vierte Reihe erreicht haben (was ziemlich gut ist), die fünfte (das sind sie einem Läufer schon zumindest gleichwertig) oder die sechste (die ultimative Krönung). Idealerweise sollte ein Springer in einem Loch auf den Reihen 4, 5 oder 6 sitzen. Manchmal ist aber ein Loch garnicht so wichtig.

Ein Springer, in einem Loch auf der vierten Reihe

Ein Springer auf der fünften Reihe. Alle Macht dem Springer!

Ein Springer auf der sechsten Reihe. Der Beherrscher des Schachbretts.

  • Wenn der Springer kein Loch zur Verfügung hat, kann er auch ein anderes Feld finden, von dem er nur auf Kosten einer Schwäche vertrieben werden kann.

Ein Springer auf f5

  • Läufer sind einfacher zu handhaben. Man setzt ihn einfach auf einen offene Diagonale, zieht ihm ein Superhelden Kostüm über und der Spaß kann beginnen! Ok, vielleicht ist es nicht ganz so einfach. Der Läufer könnte auch defensive Aufgaben zu verrichten haben und er kann auch auf einer kurzen Diagonale Schaden anrichten, aber wir haben ja noch nie behauptet, dass Schach ein einfaches Spiel ist!
  • Jede Stellung hat ihre eigenen Geheimnisse, und diese Geheimnisse zu entschlüsseln ist die Aufgabe eines jeden Spielers.

Der Läufer brüllt!

Gehen wir auch hier ins Detail.

  • Befinden sich alle Bauern auf einer Seite des Bretts, ist ein Läufer dem Springer meist unterlegen. Warum? Weil die lange Reichweite des Läufers nicht benötigt und die Fähigkeit des Springers, jedes Feld angreifen zu können, zu einer wichtigen Waffe wird. Er kann den König angreifen, jeden Bauern bedrängen und beherrscht das ganze Brett --- da sich ja auf dem halben Brett nichts mehr abspielt.

Hier ist ein Beispiel, das den eben genannten Punkt verdeutlicht:



Wenn alle Bauern auf einer Seite sind, aber 2 Läufer gegen 2 Springer spielen sieht die Sache jedoch anders aus, denn zusammen sind zwei Läufer eine Macht, denn sie können jedes Feld auf dem Schachbrett angreifen.

Springer sind flexibel.

Da ein Springer jedes Feld auf dem Brett besetzen kann ist er flexibler als ein Läufer. In diesem Beispiel stellt Bobby Fischer alle Bauern auf schwarze Felder und verwandelt somit den weißen Läufer zu einem Geist. Der weiße König kann ebenfalls nichts ausrichten, denn Schwarz kontrolliert die Felder d4 und c4. Da Weiß hilflos ist kann sich Schwarz auf dem gesamten Brett austoben. Obwohl Weiß in dieser Partie ein Remis halten hätte können, brach Damjanovic irgendwann zusammen. 


In dieser Partie wird der Springer auf eine ganz andere Weise eingesetzt:



Kommen wir nun endlich zu den Läufern!

Dudejan wollte ja wissen, wohin er seine Läufer entwickeln soll. Generell gibt es da zwei Dinge zu beachten: Die besten Läuferfelder hängen von der Bauernstruktur ab und die Läufer sollten ein Ziel anvisieren.

Werfen wir einen Blick auf diesen Zug:

Die Frage, wohin man seinen c8-Läufer entwickeln soll, ist hier etwas komplizierter:


Schwarz hat 2 Möglichkeiten um seinen Läufer ins Spiel zu bringen (sofort oder später): ...Lc8-d7-e8-h5 (um den Läufer hinter der Bauernkette hervorzubringen), oder ...b6 und ...Lb7, mit der Idee, mit ...c6-c5 das Zentrum zu öffnen, denn dann hat der Läufer auf der h1-a8 Diagonale glänzende Aussichten.

Sehen wir uns noch an, wie Mr. Fischer seinen Läufer tanzen lies:



In der letzten Partie geht es um kleine Details. Weiß will das Läuferpaar und Raumvorteil. Sobald er dies erreicht hat, bildet er einen Freibauern. Das genügte, um die Partie zu gewinnen.

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