Der unberechenbare Ding Liren
Vor wenigen Tagen gab es ein Jubiläum, das die Schachwelt völlig verpasst hatte.
Nein, ich meine jetzt nicht den Geburtstag irgendeines Schachspielers, da diese ja im Allgemeinen von vielen Schachzeitschriften immer erwähnt werden (glaubt es oder nicht aber ich wurde vor einigen Tagen sogar auf einigen Schachseiten auf den 200. Geburtstag von Karl Marx aufmerksam gemacht). Stattdessen können wir ein fünfjähriges Jubiläum feiern, das die moderne Schachwelt verändert hat.
Am 21. April 2013 spielte GM Levon Aronian in der ersten Runde des Alekhine Memorials gegen einen jungen, talentierten Spieler namens Ding Liren, der gerade die 2700 Schallmauer durchbrochen hatte. Aronian war zu diesem Zeitpunkt die Nummer 3 der Welt und hatte eine ELO von 2809. Die Partie zwischen dem etablierten Spieler und dem ehrgeizigen Newcomer hat dann auch niemanden enttäuscht!
Seitdem hat sich Ding Liren als Elite-Spieler etabliert und mittlerweile ist er die Nummer fünf der Welt! Aber der chinesische Großmeister ist nicht nur ein sehr starker Spieler; Er hat auch einen sehr unterhaltsamen Spielstil. Hier möche ich das unsterbliche Zitat von Forrest Gumps Mutter verwenden: Ding Lirens Partien sind wie eine Schachtel Pralinen. Du weißt nie, was Du bekommst!
Heute möchte ich eine Partie analysieren, bei dem eine stille Positionsöffnung schnell zu einem wilden Schlagabtausch wurde! Mal sehen, ob ihr die Züge des unberechenbaren Großmeisters erraten könnt!
Die erste Stellung, über die ihr nachdenken sollt, kam direkt nach der Eröffnung aufs Brett:
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Die regelmäßigen Leser dieser Kolumne sollten von diesem Zug nicht besonders überrascht sein, denn wir haben ihn schon vor einigen Jahren analysiert. Die Entfesselung des f7 Bauern stellt die Drohung 15... Sxe4! 16. Txe4 f5! auf. Deshalb zieht Weiß sofort seine Dame aus der gefährlichen Diagonalen, was uns gleich zum nächsten Puzzle führt.
Erratet ihr den nächsten Zug von Schwarz ebenfalls?
Dies ist eine weitere beliebte Idee hinter dem Zug Kh8, mit der wir uns ja ebenfalls schon beschäftigt haben. Nach der gründlichen Vorbereitung ist Schwarz nun bereit für den Angriff. Findet ihr die entscheidende Kombination?
An Ende der Partie verpasste GM Inarkiev seine letzte Chance.
Vielleicht wundert ihr euch jetzt, was an dieser Stellung so besonders sein soll. Weiß hat doch nur den einen legalen Zug 36. Kg2 und der wurde ja auch gespielt. Das stimmt natürlich, aber Weiß hätte auch einfach 36. Tg8 ziehen und laut "Schachmatt" rufen können!
GM Inarkiev hat diesen Trick nicht genutzt, aber da er ein starker Spieler ist, hat er aus seinem Fehler gelernt und diesen Trick in einer Partie gegen Magnus Carlsen angewandt. Auch mit dieser Partie haben wir uns schon beschäftigt.
Ich kann euch nur empfehlen, dass ihr euch Ding Lirens Partien anseht. Sie sind niemals langweilig und man kann viel von den Partien des vielleicht künftigen Weltmeisters lernen!