Fabiano Caruana, wie ihn keiner kennt
Das Turnier des Jahres ist vorbei und wir haben einen verdienten Sieger. Die Qualität von Fabiano Caruana's Partien war höher, als von jedem anderen Spieler beim Kandidatenturnier und er blieb das ganze Turnier über cool.
Jetzt warten wir alle auf den Kampf um die Weltmeisterschaft gegen Magnus Carlsen. Der Norweger wird dabei zum ersten Mal gegen einen Gegner, der jünger als er selbst ist, um den WM-Titel spielen und soweit ich weiß, hat in der Schachgeschichte noch nie ein Herausforderer, der älter als der Weltmeister war, den Titel gewonnen.
Ich habe dabei natürlich nicht die Revanchekämpfe, wie zum Beispiel Botvinnik gegen Tal 1961, mitgezählt. Als Carlsen gegen Anand und Karjakin um den WM Titel spielte, hatte er also die Statistik auf seiner Seite.
Aber jetzt nicht mehr!
Aber auch wenn Caruana die Weltmeisterschaft nicht gewinnt, wird sein Name zusammen mit anderen Herausforderern wie Tarrasch oder Korchnoi fallen. Und da Fabiano jetzt ein Teil der Schachgeschichte ist, werden all seine Partien von Generationen von Schachspielern analysiert werden und die Schachfans werden sich über jedes noch so kleine Detail seiner Biografie interessieren.
Foto: Maria Emelianova/Chess.com.
Stellt euch für einen Moment vor, dass ein Schachhistoriker eine absolut unbekannte Partie einer Schachlegende findet. Eine bis heute unbekannte Partie von Fischer würde zwar nicht so viel Geld einbringen wie ein unbekanntes Gemälde von Van Gogh, aber für einen wahren Schachfan wäre diese Partie unbezahlbar!
Um Fabiano's Sieg beim Kandidatenturnier zu feiern, präsentiere ich euch also eine unbekannte Partie von Caruana. Ich glaube nicht, dass sich diese Partie in irgendwelchen Datenbanken finden lässt, denn sie wurde lange bevor er berühmt wurde, gespielt.
Dies ist eine Partie von Caruana, als er erst 11 Jahre alt war. Ihr werdet euch jetzt sicher fragen, wie ich an diese Partie gekommen bin. Tja, ich habe einfach viele Schüler und es besteht ja immer die Chance, dass einer von denen mal um die Weltmeisterschaft spielen wird.
Nachdem ich diese Partie gesehen hatte sagte ich zu meinem Schüler: "Jason, Du musst dich nicht ärgern. Du hast gegen einen künftigen Super-Großmeister verloren!" Wie konnte ich das wissen? Seht euch einfach die Partie an. Sie startete mit einer ruhigen Variante der französischen Verteidigung und dann spielte meine Schüler einen natürlich aussehenden Zug, der in Wirklichkeit aber ein großer Fehler war.
Wie würdet ihr Schwarz für seinen letzten Zug bestrafen?
Caruana hat seinen Vorteil sehr präzise verwertet. Könnt ihr erraten, wie er die Partie gewonnen hat?
Ich war von dem 11 jährigen Bengel wirklich beeindruckt. Die Partie erinnerte mich an einige Kult-Partien wie diese:
Seht ihr, worin sich diese beiden Partien ähneln? In beiden Partien kontrolliert Weiß das Zentrum, provozierte mit dem Damenzug auf h3 die Schwäche f7-f5 und beendete die Partie mit einem Angriff auf den König! Als der Kubaner diese Partie gespielt hatte, war er bereits ein starker Turnierspieler, aber Caruana war erst 11 Jahre alt, als er seine Meisterleistung aufs Brett brachte!
Es gibt aber noch eine weitere Parallele zwischen den beiden. Als Capablanca seine erste Partie spielte die Veröffentlicht wurde, war er erst 4 Jahre alt und sein erfahrener Gegner gab ihm eine Dame vor:
Laut dem Klassiker von Vassily Panov über Capablanca, hat der junge Kubaner in dieser Partie "seinen Vorteil tadellos umgesetzt", was später zu einem journalistischen Klischee über Capablancas Spiel wurde.
In einem älteren Artikel habe ich einen genialen Sieg von Caruana über Aronian analysiert und sagte: "Er macht eigentlich keine Fehler und bestraft seine Gegner für die kleinste Ungenauigkeit. Irgendwie spielt er wie ein menschlicher Computer!"
Ich denke, ich könnte genau dasselbe über die Partie des 11-jährigen Fabiano schreiben! Es ist ja kein Geheimnis, dass man das Talent eines Schachspielers schon in sehr frühen Jahren erkennen kann. Sehr interessant ist aber, dass man auch den Spielstil eines künftigen Stars schon in seiner Kindheit erkennen kann.
Seht euch die Erstrundenpartie des Kandidatenturniers an. Ist es nicht genau dieselbe Kontrolle des Zentrums, die Schwächen am Königsflügel provoziert und einen tödlichen Angriff ermöglicht, wie in der Partie des 11-jährigen Caruanas?
Caruanas klassischer Stil, kombiniert mit Taktiken, die auf einer soliden Positionsgrundlage basieren, ist eine harte Nuss für jeden Spieler. Ich kann es kaum erwarten zu sehen, wie König Magnus dem entgegenwirken wird!