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Frank Marshall, Teil 3: Capablanca betritt die Bühne

Frank Marshall, Teil 3: Capablanca betritt die Bühne

Silman
| 24 | Andere

Was machst man, wenn man es versäumt hat die Schachweltmeisterschaft zu gewinnen und gleichzeitig erkannt hat, dass man den größten Titel niemals gewinnen wird?

Man spielt natürlich Schach!

Ja, die besten Spieler träumen alle von der Weltmeisterschaft, aber niemand hat Schach mit dem Ziel angefangen, Weltmeister zu werden. Jeder Großmeister hat mit dem Schach begonnen, weil es ihm einfach Spaß gemacht hat.

Frank Marshall hatte gute und schlechte Zeiten, aber er freute sich immer auf das nächste Turnier, suchte nach neuen Eröffnungsideen und Verbesserungen in allen Phasen des Spiels. Und wenn er eine Partie mit einem wunderschönen Angriff gewinnen konnte, war genau DAS sein Leben.

frank marshall chess

Marshall via Wikipedia. 

1907

Ostende

Ein interessantes und starkes Turnier. 6 Spieler spielten hier jeweils 4 Partien gegeneinander. Tarrasch gewann das Turnier (Marshall remisierte 3 Partien gegen Tarrasch und verlor einmal), vor Schlechter. Marshall und Janowski teilten sich den 3. Platz. Burn wurde Fünfter und Chigorin Sechster.

PUZZLE 1

Zu Marshall’s Zeit dachte jeder Schachspieler bei dem Wort "Schwindel" an Marshall. Er wurde dafür bekannt, dass er aus schlechten oder sogar hoffnungslosen Stellungen immer einen magischen Ausweg fand. Marshall warf jede einzelne Figur die ihm zur Verfügung stand auf seinen Gegner und lies die Gehirne seiner Gegner mit seinem Angriffswirbel schmelzen, bis diese doch eine Taktik übersahen und Marshall einen weiteren Sieg verbuchen konnte.

Hier ist ein typisches Beispiel dafür:

Marshall konnte aber auch positionell spielen. Er spielte nur lieber Alles-oder-Nichts-Schach. Wenn er positionell spielte, suchte er immer nach einer Möglichkeit seinen Gegner anzugreifen. Die nächste Partie veranschaulicht diese Philosophie:

PUZZLE 2

Karlsbad

Hier traten 21 (!) sehr starke Spieler an. Marshall spielte nicht besonders gut, aber beendete das Turnier vor vielen Schachlegenden. Akiba Rubinstein gewann das Turnier vor Geza Maroczy und Paul Saladin Leonhardt. Aaron Nimzowitsch und Carl Schlechter teilten sich den 4. Platz. Marshall belegte vor Spielmann, Tartakower, Chigorin, Janowski und einigen anderen den 11 Platz.

1908

Wien

20 Spieler - 19 Partien, Maroczy, Schlechter und Duras gewannen das Turnier mit jeweils 14 Punkten vor Rubinstein. Marshall, Leonhardt und Mieses wurden geteilter Neunter. Letzter wurde übrigens Richard Reti mit 1.5 Punkten!

Inzwischen ist klar geworden, dass Marshall eine Zillion Partien gespielt hat! Der Typ konnte einfach nicht aufhören zu spielen.

PUZZLE 3

PUZZLE 4

DSB Kongress 1908

Marshall gewann wiedereinmal ein Turnier ohne Niederlage. Er erspielte sich 11.5-3.5 Punkte und beendete das Turnier damit mit 1.5 Punkten Vorsprung vor Salwe. Spielmann wurde Dritter.

PUZZLE 5

Das lief wie geschmiert, oder? Es ist schon beeindruckend wie man mit einer guten Technik Partien gewinnen und es so einfach aussehen lassen kann. Marshall liebte zwar Taktiken, aber als er älter und erfahrener wurde, fand er auch gefallen am positionellen Schach.

PUZZLE 6

Lodz mt

Akiba Rubinstein, Marshall und Georg Salwe. Jeder spielte 8 Partien gegen jeden anderen. Als sich der Rauch verzogen hatte, hatte Rubinstein 9.5 Punkte, Marshall 8 und Salwe 6.5.

PUZZLE 7

Warschau

Frank Marshall gegen Akiba Rubinstein

Die beiden spielten 8 Partien gegeneinander. Rubinstein gewann 3 und Marshall 2 davon. Da Rubinstein zu diesem Zeitpunkt der zweitbeste Spieler der Welt war, war Marshall´s Ergebnis durchaus zufriedenstellend.

Die sechste Partie lief sehr gut für Marshall aber der entscheidende Durchbruch wollte ihm nicht gelingen. Rubinstein konnte die Stellung dann ausgleichen, aber Marshall versuchte alles, um seinen Vorteil zurückzuerobern. Dann opferte Marschall eine Figur und wir hatten diese Stellung auf dem Brett:

Wie können 2 Schachlegenden nur so eine Partie spielen? Ganz einfach: Beide waren in extremer Zeitnot und wenn dann noch eine solche Stellung auf dem Brett ist, kann einfach immer alles passieren!

Berlin

Frank Marshall gegen Jacques Mieses

10 Partien: Marshall gewann 5, Mieses 4 und eine Partie endete Remis. (Marshall gewann die letzte Partie!).

PUZZLE 8
PUZZLE 9

Suresnew

Marshall gegen Janowski Noch einmal!

Ein weiteres Duell (10 Partien) zwischen David Janowski und Marshall. Janowski gewann nach 5 Siegen, 3 Remis und 2 Niederlagen, klar.

Hat er aber wirklich gewonnen?

Man sagt, dass Janowski´s Ego nach der Niederlage des 2. Duells so angefressen war, dass er Marshall sofort zu einem dritten Duell herausforderte. Seine Worte waren: "Ich gebe dir sogar einen 4:0 Vorsprung. Meine ersten 4 Siege zählen also nicht."

Janowski hat den dritten Vergleich im Jahr 1909 dann zwar mit 3 Siegen Vorsprung gewonnen, aber wenn seine ersten 4 Siege nicht zählten, hätte Marshall das Geld für den Sieg bekommen müssen. Ich weiß nicht, ob Janowski seine Herausforderung noch abgeändert hat oder nicht, aber die Geschichte alleine klingt schon verrückt genug, um sie hier zu erwähnen.

1909

US-Meisterschaft, New York

Frank Marshall gegen Jose Raul Capablanca

Dieses Match hätte eigentlich für die US Meisterschaft zählen sollen und da Capablanca nie bei einem starken europäischen Turnier mitgespielt hatte, war er den meisten Experten unbekannt und jeder war sich sicher, dass Marshall locker gewinnen würde. Dann wurde Marshall aber abgeschlachtet. Nach dem Match beschwerte sich Marshall, dass Cabablanca als Kubaner gar nicht an der US Meisterschaft teilnehmen dürfte.

Walter Penn Shipley, ein starker Schachspieler und Anwalt, gab Marshall in dem Punkt Recht, dass Capablanca nicht US Meister sein könnte, machte aber auch klar, dass Marshall den Titel ebenfalls nicht gewonnen hatte und somit verblieb der Titel beim amtierenden US Meister Jackson Showalter. Dies führte dann zu einem Match zwischen Showalter und Marshall, welches Marschall komfortabel mit 7:2 gewann und damit doch noch US Meister wurde. Marshall behielt den Titel dann eine halbe Ewigkeit und gab ihn im Jahr 1936 kampflos ab.

Das Duell Marshall gegen Capablanca ging über 23 Partien, aber Marshall hatte schon bald festgestellt, dass er es mit einem wahren Schachmonster zu tun hatte. Capablanca konnte 8 der 23 Partien für sich entscheiden und Marschall gewann nur eine einzige Partie.

Die "Probleme" die das Duell begleiteten (Marshall's Niederlagen und die Beschwerde wegen der Staatsangehörigkeit Capablancas) hätten die beiden Männer zu Feinden werden lassen können, aber Marschall war keine nachtragende Person. Vor dem Turnier in San Sebastian 1911, welches sich damit rühmte, die besten Schachspieler der Welt verpflichtet zu haben, bestand Marshall auf die Teilnahme Capablancas, der zu diesem Zeitpunkt in Europa immer noch weitgehend unbekannt war.

Capablanca wurde dann erster und ein neuer Schachgott war geboren. Marshall wurde vor Tarrasch, Schlechter, Nimzowitsch, Spielmann, Maroczy, Janowski und vielen anderen Vierter.

Hier ist der einzige Sieg von Marshall aus dem Duell gegen Cabalanca:

Eine wirklich gute Partie von Marshall (ein guter Mix aus positionellem und taktischem Schach)! Hätte er in diesem Duell öfters so gespielt, hätte er sicher mehr Partien gewonnen!

1910

DSB Kongress

1. Schlechter, 2. Duras, 3. Nimzowitsch, 4. Spielmann und Teichmann und Marshall teilten sich den 5. Platz.

17 Spieler nahmen an diesem Turnier teil und Spieler wie Tartakower und Tarrasch landeten lediglich im Mittelfeld. Bemerkenswert war aber noch der 7. Platz eines jungen Nachwuchsspielers: Alekhine.

Marshall spielte gegen Alekhine Remis und konnte ihn auch danach nie besiegen. 7 Siege für Alekhine und 8 Remis standen am Ende der Karriere der beiden in den Geschichtsbüchern. Warum hatte Marshall so große Probleme mit Alekhine? Ganz einfach: Marshall’s Stärke waren Angriffe und Taktiken. Unglücklicherweise war Alekhine in diesen Punkten aber dem Rest der Welt überlegen.

Hier ist ein interessantes (Ich sollte eigentlich das Wort “interessantes” mit “ÜBERWÄLTIGENDES”) Remis der beiden von 1924. Das Ende der Partie war ein wahres Feuerwerk!

PUZZLE 10



1911

New York

Marshall wurde ungeschlagen Erster und Capablanca Zweiter. Capablanca verlor gegen den hauptberuflichen Richter Roy Turnbull Black. Capablanca ging mit einer “Ich kann diesen Fisch mit jeder Eröffnung besiegen" Mentalität in die Partie und eröffnete mit 1.e4 c5 2.b4. So ganz hat die Eröffnung dann doch nicht funktioniert. Werfen wir einen kurzen Blick auf die Partie:

PUZZLE 11



PUZZLE 12

Hamburg

Frank Marshall gegen Paul Saladin Leonhardt

7 Partien. Marshall gewann zwei und verlor eine.

Karlsbad

26 Spieler. Teichmann gewann. Rubinstein und Schlechter teilten sich den 2. Platz. Rotlewi wurde Vierter, Marshall und Nimzowitsch geteilter Fünfter. Der mittlerweile 19 Jahre alte Alekhine beendete das Turnier auf dem 8. Platz.

Die nächste Partie ist einfach nur lustig. Nichts Tiefgründiges! Ich habe das als Kind gelesen und es hat mir so gut gefallen, dass ich es nie vergessen habe. Alle Anmerkunen sind von Marshall:

"Ich war ziemlich nervös, als ich in der letzten Runde gegen den russischen Meister Dus-Chotimirsky spielen musste; Ich wusste, dass er ein beachtliches Coaching erhalten hatte und bestens auf mich vorbereitet war. Mein erregter Gegner zeigte aber auch Anzeichen von großer Nervosität. Das Ergebnis war dann dieses lustige kleine Spielchen."

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