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Glück im Unglück

Glück im Unglück

Gserper
| 17 | Taktiken

Für die meisten Schachspieler sind Fehler ein sehr großes Problem.

Ein einziger Fehler kann eine ganze Partie oder sogar ein ganzes Turnier ruinieren! Außerdem verhindern Fehler, dass ein Schachspieler bessere Ergebnisse und damit ein besseres Rating erzielt. Deshalb habe ich auch vor einiger Zeit eine 6-teilige Serie über dieses Thema geschrieben.

Dort gab ich meine Empfehlung und äußerte die Meinung, dass, wenn es einem Spieler gelingt, seinen Fehlerprozentsatz zu verringern, er fast augenblicklich um 200-300 Ratingpunkte steigen wird. Also, offensichtlich sind Fehler eine sehr schlechte Sache, oder? Erstaunlicherweise ist das nicht immer der Fall und manchmal kann ein Fehler sogar eine Partie retten!

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Überrascht? Dann zeige ich euch einfach ein Beispiel aus einem sehr aktuellen Turnier:

Schwarz ist eigentlich komplett verloren. Die Engines geben sogar 22...Se2 als besten Zug für Schwarz an und natürlich kann Schwarz nach diesem Zug direkt aufgeben. Mamedyarov rettete sich aber aus dem Schlamassel, indem er ein Matt in 2 erlaubte!

Ich bin mir sicher, dass Mamedyarov hier nicht geblufft, sondern in der Zeitnot das Matt einfach nicht gesehen hat, denn ansonsten hätte er sicher einen anderen Zug gespielt. So hat er aber dank des Fehlers die Partie gerettet!

Hier ist ein ähnliches Beispiel:

Kramnik sah, dass der Zug 32.Dg6 extrem gefährlich sein würde, egal wie der die Dame auf f8 schlägt. 31...Txf8, 32. Dg6 führt zu einem Matt in 4. Nach 31...Kxf8, 32. Dg6 steht Schwarz einfach nur bescheiden, aber nach 31...Lxf8 32. Dg6 Lg7 ist die Stellung unklar.

So spielte er natürlich 31...Lxf8. Es gibt aber ein Problem bei diesem Zug. Weiß wird den schwarzen König entweder Matt setzen oder die schwarze Dame erobern.

Wenn Kramnik gesehen hätte, dass 31...Lxf8 verliert, hätte er sicher 31...Kxf8 gespielt und nach 32.Dg6 die Partie wahrscheinlich verloren. Aber nach seinem schrecklichen Fehler 31...Lxf8 hat er tatsächlich noch gewonnen!

Übrigens war Mamedyarov erst vor kurzem auch auf der Empfängerseite des Phänomens "Glück im Unglück".

Schwarz hat einen Minusbauern und ist wohl zu einer langen und komplizierten Verteidigung verdammt. Aber wartet mal! Kann er nicht einfach den b5-Bauern schlagen? Versucht mal herauszufinden, was danach passieren würde.

In der Partie übersahen aber beide Spieler diese relativ einfache Widerlegung und Schwarz gewann die Partie und eliminierte seinen Gegner aus dem Weltcup! Sehen wir uns an, wie Schwarz diese Partie dank seines Fehlers gewonnen hat!

Ich möchte euch noch eine Partie zeigen, die beweist, dass Menschen immer noch einen gewissen Vorteil gegenüber Computern haben. Seit Jahren hören wir, dass die menschliche Intuition und das Wissen über bestimmte Stellungsmuster in manchen Situationen den Computern, wegen des sogenannten "Horizont-Effekts", überlegen sind. Die jüngsten Errungenschaften in der Schachprogrammierung und insbesondere das mysteriöse AlphaZero Programm setzen diese Theorie allerdings praktisch außer Kraft.

Es gibt aber immer noch einen Bereich, indem uns Computer nie überlegen sein werden! Sie werden nie Fehler wie wir Menschen machen und wie wir gerade gesehen haben, können Fehler ja auch etwas Gutes sein! Hier ist eine ältere Computerpartie, die diesen Punkt beweist. Versucht einfach, den besten Zug für Weiß in dieser Stellung zu finden:

Habt ihr ihn gefunden? War es leicht? Und fragt ihr euch jetzt, wie ein Computer ein erzwungenes Matt nicht finden konnte? Gute Frage! Aber natürlich übersah der erste Computerweltmeister nicht dieses Matt und opferte stattdessen seinen Turm:

Natürlich hätte hier kein Mensch 34...Te8 gespielt, denn es ist ja absolut klar, dass man nach diesem Zug keine Chance mehr hat, die Partie zu retten. Jeder Mensch hätte entweder aufgegeben oder 34...Kg7 gespielt und gehofft, dass der Gegner die tödliche Kombination mit 35. Df8!! nicht findet. Wie es sich zeigte, sah aber keiner der Zuschauer diese Kombination und alle wunderten sich über das Turmopfer. Die Programmierer erklärten dies schließlich mit einer Computer-Fehlfunktion.

Nach der Partie, als der Ausdruck von Kaissas Berechnungen veröffentlicht und das drohende Matt als Grund für das Turmopfer angegeben wurde, waren alle geschockt. Damit ist diese Anekdote aber noch nicht zu Ende, denn lustigerweise hatte das Duchess Programm aufgrund des oben erwähnten "Horizont-Effekts" das Matt gar nicht gesehen und deshalb hätte der Fehler 34...Kg7 auch hier die Partie gerettet!

So, und obwohl wir jetzt einige Partien gesehen haben, in denen ein Fehler eine Partie gerettet hat, wünsche ich euch allen, dass ihr 2018 weniger Fehler machen werdet!

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