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Kennst du diesen mächtigen Trick, der dein Spiel verändern wird?

Kennst du diesen mächtigen Trick, der dein Spiel verändern wird?

Gserper
| 77 | Taktiken

Als ich gerade mit dem Schachspielen anfing, nahm die Mannschaft unseres Schachclubs an einem der nationalen Wettkämpfe teil. An dieser Stelle muss ich erwähnen, dass die sowjetischen Meisterschaften hart umkämpft waren und man sich dafür qualifizieren musste, im Gegensatz zu den US-amerikanischen Meisterschaften, bei denen jeder mitmachen konnte, der weiß, wie man Figuren zieht. Da ich zu diesem Zeitpunkt praktisch noch ein Anfänger war, konnte ich mich nicht einmal annähernd qualifizieren.

Nachdem das Team von der Veranstaltung zurückgekehrt war, erzählte unser Trainer, Sergey Timofeevich Pinchuk, uns - den Kindern, die sich nicht qualifiziert hatten - Geschichten über das Turnier. Eine der Geschichten handelte von einem Jungen, der nur ein Jahr älter war als ich, aber unser Trainer sagte, dass dieser Junge nicht nur ein Großmeister, sondern ein Supergroßmeister werden würde. Wir fragten, ob der Junge das Turnier gewonnen hatte, und waren sehr verwundert, als der Trainer sagte, dass der Junge nur etwa 50 % der Punkte erreicht hatte.

Auf unsere Fragen hin sagte der Trainer, dass es nicht wichtig sei, wie viele Punkte der Junge in diesem Turnier erzielte: Er besaß eine Fähigkeit, die für die allermeisten Kinder einzigartig war. "Was machst du, wenn eine deiner Figuren angegriffen wird?", fragte unser Trainer und beantwortete dann gleich seine eigene Frage: "Richtig, du rennst in Deckung, schützt die angegriffene Figur oder ziehst sie auf ein sicheres Feld."

"Dieser Junge" - und hier machte der Trainer eine kurze Pause, um die Bedeutung dessen, was er sagen wollte, zu unterstreichen - "hat immer zuerst geschaut, ob er die gegnerischen Figuren angreifen kann, und erst wenn das nicht möglich war, hat er sich um seine angegriffene Figur gekümmert."

Um ehrlich zu sein, habe ich die Tiefe dieses einfachen Konzepts zunächst nicht verstanden, aber ich merkte mir den Namen des Jungen. Später wurden wir Freunde, und genau wie mein Trainer vorausgesagt hatte, wurde Boris Gelfand tatsächlich ein Supergroßmeister!

Boris Gelfand
Boris Gelfand, hier im Jahr 2018, war der Herausforderer um die Weltmeisterschaft im Jahr 2012. Foto: Maria Emelianova/Chess.com.

Das Sprichwort, dass Angriff die beste Verteidigung ist, ist bekannt und wird in vielen Sportarten und auch in der Militärstrategie verwendet. Außerdem schrieb George Washington vor über 200 Jahren: "...mach sie glauben, dass offensive Operationen oft das sicherste, wenn nicht sogar das einzige (in manchen Fällen) Mittel der Verteidigung sind." Wenn dieses Konzept so bekannt ist, warum ist es dann in Schachspielen nicht üblich?

Nun, die kurze Antwort ist die menschliche Psychologie. Wenn dein Gegenüber deine Figur angreift (vor allem eine so wertvolle Figur wie eine Dame), gehen deine Gedanken in etwa so: "Oh nein, meine Dame wird angegriffen! Werde ich sie verlieren? Nun, es sieht so aus, als könnte ich sie hierher ziehen oder den Angriff sogar mit einem Läufer abwehren." Dabei vergisst man so leicht das Motto "Angriff ist die beste Verteidigung!" Es ist keine große Überraschung, dass selbst die besten Spieler:innen der Welt es in der Hitze des Gefechts vergessen. Hier ist ein gutes Beispiel dafür:

Wie du siehst, hat sogar ein Kandidat für den Weltmeistertitel einen schlauen Gegenangriff verpasst. Als die schwarze Stellung absolut verloren schien, half das unerwartete 23...La6! Karpov, die Partie zu retten und das Turnier zu gewinnen!

In der folgenden Partie verpasste ein anderer ehemaliger Weltmeister denselben raffinierten Trick:

Du solltest nicht denken, dass diese Idee nur in den Partien von Supergroßmeistern vorkommt. Hier ist eine Partie, die von einem meiner Schüler gespielt wurde:

Es war ein schönes kämpferisches Remis, aber hier ist eine Frage für euch, meine lieben Leser:innen: Könnte Weiß die Partie nicht sofort gewinnen, durch 16. Se6?

Schauen wir uns nun die folgende berühmte Partie von IM Rashid Nezhmetdinov an. Zunächst einmal kannst du einen der letzten Züge der Partie finden. Er hat nichts mit unserem heutigen Thema zu tun, aber er ist sehr schön:

Nun lass uns zurückgehen und die Stellung nach 18...Kh8 betrachten. Warum hat Weiß nicht den Bauern auf d6 geschlagen und dabei auch eine Dame und einen Turm gegabelt?

Wie du siehst, ist dieser Trick zwar ein bisschen kontraintuitiv, aber sehr wirkungsvoll. Ich hoffe, du kannst ihn in deinen Spielen einsetzen!

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