Opfern oder nicht Opfern, das ist hier die Frage
NinjaSocks123 frägt:
Ich lese gerade die 4. Auflage deines Buches "How to Reassess Your Chess" (Wie du dein Schach neu überdenkst), und bin gerade bei Kapitel 4. Du schreibst über das abwiegen von Ungleichgewichten der beiden Seiten (einschließlich des Materials), um herauszufinden, ob ein Opfer gut ist, aber woher weiß ich, ob ich eine angemessene Entschädigung für mein Opfer bekomme? Gibt es einen konkreten Weg, um den Wert der verschiedenen Ungleichgewichte zu bestimmen oder hängt es von der Situation ab? Vielen Dank im Voraus!
JS: Das ist ein riesiges Kapitel (Psychologische Einflüsse - ca 90 Seiten), aber ich denke zu beziehst dich auf Material / Die Angst beim Opfern und annehmen von Opfern.
Woher weißt du also, ob Du eine angemessene Kompensation für dein Opfer bekommst?
Tja, leider gibt es hierfür keine Garantie. Du berechnest eine taktische Zugfolge die dein Opfer nach sich zieht. Abhängig von deiner Fähigkeit, tief und richtig zu berechnen, kann diese Funktionieren oder auch nicht. Die Würfel fallen auf die eine oder andere Weise. Allerdings musst du daran glauben was du tust und wenn der Gegner eine Widerlegung findet, dann ist es eben so. Hände schütteln und an einem anderen Tag nochmal versuchen.
Denk daran, dass auch schon Großmeister opferten, nur um herauszufinden, dass ihre erhoffte Entschädigung wie durch Magie vor ihren Augen verschwunden ist.
Glücklicherweise können die meisten Spieler nicht sehr gut verteidigen, und besonders Amateurspieler scheinen auf ihrem Stuhl förmlich zu verwelken wenn sie sich einem Angriff ausgesetzt sehen. Wenn Du also ein Opfer bringst für deinen Angriff oder eine vorteilhafte Position, dann stehen deine Chancen gar nicht so schlecht.
Wenn Du eine Entscheidungshilfe brauchst, dann mach dir einfach eine virtuelle Liste, was du für dein Opfer bekommst, bevor Du eine Figur opferst:
Hier ist ein Beispiel:
Wenn Du opfers, solltest Du also diese virtuelle Liste haben, was Du alles für deine geopferte Figur bekommst. In diesem Fall war es einfach, diese Liste zu erstellen: Weiß opferte einen Läufer für 2 Bauern, erlang die Initiative und bekam diese monströsen Zentralbauern die einerseits drohten noch weiter nach vorne zu marschieren und andererseits drohten, die Verteidigung des schwarzen Königs anzugreifen (mittels e4-e5-e6).
Dies war mir genug, und ich entschied mich dafür, Spass zu haben und es zu versuchen.
Wenn Du diese Liste nicht erstellen kannst, dann opfere nicht! Und wenn Du nichts bekommst, ausser einem lausigen Schach oder einer kurzzeitige Drohung, dann opfere nicht!
Hier ist ein weiteres Beispiel, bei dem ich ein kalkulierbares Risiko einging:
Die finale Stellung dieser Partie war interessant:
Im nächsten Spiel war ich unter Beschuss:
Im Gilden Spiel hat es scharz geschafft, trotz einem unkorrekten Opfers zu überleben, auch wenn weiß das Spiel gewinnen hätte sollen. Der Grund dafür war einfach, dass der Verteidiger einem enormen Druck ausgesetzt ist, wenn es in jedem Zug um Leben oder Tod geht. In anderen Worten: Es ist sehr schwer sich zu verteidigen, und selbst wenn jemand verteidigt wie Capablanca, geben die Faktoren "Nerven und Erschöpfung" dem Angreifer gewisse Chancen.
Hier ist das letzte Opfer, aber dieses mal war es die (mit Abstand) beste Fortsetzung für weiß:
Wenn du denkst, dass du eine ähnliche Liste an Vorteilen hast, dann zögere nicht den Bauern zu opfern, lehn dich zurück, und genieße das Spiel.