Steht ihr auf komisches Schach?
Die regelmäßigen Leser meiner Kolumne wissen, dass politische Korrektheit nicht mein Ding ist.
In einem älteren Artikel habe ich bereits erklärt, dass dies vielleicht die größte Gefahr für die westliche Zivilisation ist, denn die Menschen sagen, aus Angst, dass ihre Worte falsch verstanden werden könnten, nicht mehr das, was sie wirklich denken. Nehmen wir zum Beispiel eine sehr einfache Unterhaltung zwischen zwei Schachspielern:
Spieler 1: "Ich mag die Spanische Eröffnung nicht. Sie ist mir zu langweilig."
Spieler 2: "Dann spiel doch Sizilianisch. Das ist viel schärfer und passt doch perfekt zu deinem Stil!"
Und jetzt stellen wir uns dieselbe Unterhaltung im Jahre 2025 vor.
Spieler 1: "Ich mag die Spanische Eröffnung nicht. Sie ist mir zu langweilig."
Spieler 2: "Also magst Du keine klassischen Eröffnungen? Ich verstehe... Du hasst alles klassische! Hasser wie Du, sind einfach nur abstoßend!"
Solange uns aber die Redefreiheit noch nicht vollständig genommen wurde, wage ich zu sagen, dass ich Schach960 einfach nicht mag. Ich könnte jetzt dutzende Gründe nennen, warum das so ist, aber ich beschränke mich auf einen Grund:
Es ist ja eine bekannte Tatsache, dass Fußball um einiges beliebter ist, als Schach und dass viele Menschen, die normalerweise nie ein Fußballspiel ansehen, bei der letzten Weltmeisterschaft viele Stunden vor den Bildschirmen verbrachten, um die Spiele zu verfolgen.
Sehr viele Menschen, die nicht wirklich am Schach interessiert sind, werden die bevorstehende Weltmeisterschaft zwischen Carlsen und Caruana verfolgen? Der Grund, warum Schach hinterherhinkt, ist sehr einfach: Die meisten Menschen verstehen Fußball, aber um Schach zu verstehen, braucht man etwas Schachwissen.
Und wenn selbst ich, ein Großmeister, der seit über 40 Jahren Schach spielt, mir eine beliebige Ausgangsposition vom Schach960 ansehe und keine Ahnung habe, was dort vor sich geht, dann gucke ich auch lieber Fußball!
Genau das habe ich auch gemacht. Ich habe alle Schach960 Veranstaltungen ignoriert, einschließlich des letzten Spiels zwischen Carlsen und Nakamura.
Carlsen gegen Nakamura beim Schach960. | Foto: Maria Emelianova/Chess.com.
Den Champions Showdown in St. Louis wollte ich aber trotzdem nicht verpassen. Der einzige Grund, warum ich bei diesem Turnier eine Ausnahme gemacht habe, war aber die Teilnahme des einflussreichsten Spielers aller Zeiten, Garry Kasparov. Mir hat das Turnier aber nicht so sehr gefallen wie das Turnier im letzten Jahr, obwohl es schon interessant zu sehen war, wie die Top-Spieler Schach960 spielen.
Kasparov beim Champions Showdown. | Foto: Lennart Ootes/Saint Louis Chess Club.
Ich möchte euch jetzt den Trick verraten, den ich benutzt habe, um der Veranstaltung zu folgen. Wenn man die ersten 15 Züge überspringt, fangen die Partien an, dem normalen Schach zu ähneln. Ihr würdet ja auch nicht versuchen, mit einer betrunkenen Person über irgendein ernstes Thema zu diskutieren, oder? Lass ihn einfach schlafen! Am nächsten Morgen sollte er trotz eines Katers mehr oder weniger in der Lage sein, intelligente Entscheidungen zu treffen.
Also, verschwendet eure Zeit nicht mit dem Eröffnungen von Schach960. Schaut euch zum Beispiel die Startposition der folgenden Partie an:
Immer, wenn ich eine solche Aufstellung sehe, dann fällt mir diese Szene der Komödie Bruce Allmächtig ein.
Wenn wir aber 15 Züge vorspringen, sehen wir etwas, das wie echtes Schach aussieht: Schwarz ha Raumvorteil und kontrolliert das wichtige Feld d5 im Zentrum.
'Wenn man jetzt wirklich herausfinden will, wie man diese Art von Stellung spielt, wird das gute alte Schach selbst viele Beispiele liefern. Hier ist ein Meisterwerk von niemand anderem als Topalov selbst!
Natürlich ist man selbst nach 15 Zügen noch nicht komplett aus dem Wald, denn eine unerwartete Rochade kann die Partie komplett verändern.
Sehen wir uns den nächsten Abschnitt an:
Das habt ihr nicht erwartet, oder? Plötzlich steht der schwarze König absolut sicher und der weiße Monarch ist verloren!
Auf die Rochaderegel beim Schach960 sind aber schon mehrere Super-Großmeister hereingefallen, wie die nächste Partie zeigt.
Offensichtlich ist es im Schach960 kein großes Problem, wenn der Turm nach einer Rochade auf einem angegriffenen Feld landet!
Wenn man aber das Glück hat, eine Schach960 Partie zu finden, die mehr als 50 Züge dauert, dann kann man schließlich durchatmen und das Spiel, das wir alle lieben, genießen. Manchmal kann man dann sogar etwas lernen! Was sollte Weiß in dieser Stellung ziehen?
In genau dieser Partie verpasste Aronian aber die goldene Gelegenheit:
Es wäre jetzt aber unfair, den Hauptvorteil von Schach960 zu unterschlagen: Wenn man wirklich surrealistische Stellungen mag, ist Schach960 eine interessante Alternative! Ich bezweifle, dass im regulären Schach die folgende exquisite Kombination möglich wäre:
Wie ihr seht, versuche ich, obwohl ich Schach960 nicht mag, objektiv zu bleiben. Die Geschmäcker sind einfach verschieden.
Es gibt viele Großmeister, die Schach960 mehr mögen als traditionelles Schach. Eine weitere Schachvariante, Tandemschach, ist ein Dauerbrenner an allen Schulen und das ist völlig in Ordnung.
Manche Leute stehen einfach auf komisches Zeug!