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Tals Angriffsrezept

Tals Angriffsrezept

Gserper
| 137 | Taktiken

Für die meisten echten Schachliebhaber ist Mikhail Tal nicht nur ein legendärer Weltmeister, sondern auch ein Synonym für Angriffsschach. Er erhielt seinen Namen "Der Magier" für seine unnachahmliche Fähigkeit, in fast jeder Stellung eine Jagd auf den gegnerischen König starten zu können

Wie hat er es gemacht? Nun, Tausende Schachbücher und Artikel über Tal beschreiben seine Lieblingsopfer sowie seine allgemeine Einstellung, die er mit "zuerst opfern, dann rechnen" beschrieb. Heute möchte ich eine seiner weniger bekannten aber nicht minder starken Angriffsideen vorstellen.

Tal's attacking recipe
Mikhail Tal, 1973. Foto: R. Mieremet/Dutch National Archives, CC.

Ein Buch von Tal, das er zusammen mit dem Schachjournalisten Iakov Damsky geschrieben hatte, war eines meiner Lieblingsbücher als Kind. Es gibt kaum ein besseres Buch über Abenteuer auf einem Schachbrett! In einem der Kapitel dieses Buches kategorisierte Tal seine Partien nach der Menge an Material, das er geopfert hat.

Obwohl sich die folgende Partie in die Kategorie Turmopfer befindet, war ich von einem Bauernopfer in der Partie noch mehr beeindruckt. Seht Euch einfach die nachstehende Stellung an und versucht einen Weg zu finden, um einen direkten Angriff auf den schwarzen König zu starten:

Beide Läufer von Weiß haben den schwarzen König im Visier und Weiß hat daher zahlreiche Möglichkeiten, um ein Schachmatt zu drohen (16.Lh6, 16.Dh5, 16.De4). Leider werden aber alle Drohungen relativ leicht durch einen einfachen Zug 16...g7-g6 gestoppt. Was sollte Weiß also machen?

Tal hatte eine brillante Idee, die mich wirklich beeindruckt hat. Er spielte 16.h2-h4! Das schreibt Tal in seinen Anmerkungen über diesen Zug: "Weiß wird 17.h4-h5 und dann 18.Lh6 spielen. Dann funktioniert g7-g6 nicht mehr, wegen 19.hxg6 gefolgt von einem Läuferopfer auf g6 und 18...Lf8 würde auch nicht helfen, denn es droht ein weiteres Läuferopfer auf g7 (siehe nachstehendes Diagramm)." Laut Tal ist Schwarz also gezwungen, das Bauernopfer anzunehmen. Danach spielte Tal g3, König g2 und Turm h1 und jetzt waren beide Türme in den Angriff involviert. Pure Magie!

Für mich sieht das Turmopfer ziemlich logisch aus, aber das Bauernopfer, das den gesamten Angriff eingeläutet hat, ist ein wirklich erstaunliches Konzept! Nachdem ich dieses Angriffsrezept von Tal gelernt hatte, bemerkte ich, dass in zahlreichen Eröffnungen ziemlich ähnliche Stellungen auftreten können. Zum Beispiel hier:

In der folgenden Partie sehen wir ein sehr ähnliches Muster, obwohl die Stellung aus einer total anderen Eröffnung entstand:

Bei der nächsten Partie hatte ich das Privileg, sie live sehen zu dürfen. Ich traute meinen Augen nicht, als ich sah, dass einer der besten Spieler der Welt diese Angriffsidee nicht kannte:

Sogar bei einem kürzlichen Titled Tuesday Turnier fiel ein Großmeister Tals Angriffsidee zum Opfer. Tja, zumindest fast. Denn das es eine Blitzpartie war, hat Weiß den sehr einfachen Gewinn nicht gefunden.

Jetzt kennt Ihr das gefährliche Angriffsrezept, das mit dem h2-h4-Zug beginnt und ich bin mir sicher, dass Ihr es in Euren Partien oft anwenden könnt. Viel Spaß damit!

Tal's attacking recipe
Mikhail Tal, 1982. Foto: Rob Croes/Dutch National Archives, CC.
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