Ungewöhnliche Taktikaufgaben für Kreative
Heutzutage sind Schachfans auf der ganzen Welt mit einer Fülle von Schachturnieren gesegnet. Einige von ihnen können Euer Schach wirklich verbessern, aber es macht nicht viel Spaß, sie zu sehen. Stellt Euch nur eine klassische Partie zwischen zwei Super-Großmeistern vor, die ein Berliner Endspiel fehlerfrei spielen. Auf der anderen Seite des Spektrums stehen wirklich unterhaltsame Partien, die Euch aber kaum zu einem besseren Schachspieler machen können. Ja, ich spreche von den sehr beliebten Bullet Partien.
Die kürzlich abgeschlossene Puzzle Battle Weltmeisterschaft war in dem Sinne ein einzigartiges Ereignis, weil sowohl das Zusehen Spaß gemacht hat und man gleichzeitig seine Fähigkeit, taktische Muster zu erkennen, wirklich verbessern konnte.
Als Chess.com vor etwa 3 Jahren Puzzle Rush veröffentlicht hat, war es leicht zu erkennen, dass dieses Format eine blühende Zukunft vor sich hat. Schon damals schrieb ich, wie süchtig es macht und ich wies auch darauf hin, dass es sehr lehrreich ist. Puzzle Battle war eine sehr schöne Ergänzung zum ursprünglichen Puzzle Rush, das dem Lösen von Aufgaben ein kompetitives Element hinzugefügt hat. Ich bin mir sicher, dass wir noch viele weitere Ergänzungen und Verbesserungen sehen werden, denn es liegt in der Natur des Menschen: Wir lieben es, Rätsel zu lösen und uns mit anderen zu messen. Übrigens sind diese beiden gemeinsamen menschlichen Eigenschaften die Haupteinnahmequelle für Schach-Hustler. Wir haben ja diese dunkle Seite des Schachs bereits in diesem alten Artikel besprochen. Hier ist noch ein Beispiel:
Stellt Euch vor, Ihr spielt ein großes beliebtes Turnier und nachdem Eure Partie vorbei ist, geht Ihr in den Analyseraum. Dort bemerkt Ihr schnell einen Typen, der zu den Leuten kommt und ihnen etwas auf seinem Mini-Schachbrett zeigt. Ihr werdet neugierig und geht hin. Der Typ zeigt Euch die folgende Stellung und fordert Euch auf, ein Matt im nächsten Zug zu finden.
Nach einer kurzen Überlegung sagt Ihr dem Fremden, dass die Aufgabe nicht lösbar ist, aber der Typ besteht darauf, dass es in ein Schachmatt in nächsten Zug gibt. Lange Rede, kurzer Sinn. Ihr wettet mit Ihm und wollt die Lösung sehen. Er grinst und zeigt Euch das Schachmatt im nächsten Zug.
Ihr versucht zu protestieren, weil der Typ nie gesagt hat, dass Schwarz am Zug ist. Er antwortet jedoch, dass er das Offensichtliche nicht sagen müsse, da die Stellung nur entstehen konnte, nachdem Weiß einen Zug gespielt hat. Ihr seid zwar sauer, müsst aber letztendlich zugeben, dass er recht hat. Nachdem Ihr dann in Euer Hotelzimmer zurückgekehrt seid und Eurem Mitbewohner die Geschichte erzählt habt, entwerft Ihr gemeinsam einen Racheplan. Am nächsten Tag betritt Dein Mitbewohner den Analyseraum und entdeckt schnell denselben Typen mit seinem Taschenset. Prompt spricht dieser Deinen Mitbewohner an und zeigt ihm eine vertraute Stellung.
Euer Mitbewohner denkt, dass Ihr ihm in der Aufregung einfach den Haufen Figuren in der unteren rechten Ecke des Bretts nicht gezeigt habt, und sie machen ja auch keinen wirklichen Unterschied, oder? Der Mitbewohner tut so, als würde er nachdenken und sagt dann: "Oh, ich sehe da ein Schachmatt im nächsten Zug!" Aber diesmal besteht der Fremde darauf, dass es in dieser Stellung kein Schachmatt in einem Zug gibt. Eine neue Wette wird abgeschlossen und der Mitbewohner bittet den Fremden, einen Zug mit Schwarz zu machen, aber der Fremde sagt: "Komm schon, Mann, weißt Du nicht, dass bei Taktikaufgaben immer Weiß am Zug ist?" Der Mitbewohner grinst und fragt: "OK, was war denn der letzte Zug von Schwarz?" Die Antwort hat ihn geschockt: "Ich habe gerade meinen h2-Bauern in einen Läufer umgewandelt und jetzt ist Weiß am Zug!" Und so gewinnt der Fremde auch seine zweite Wette!
Es gibt viele solcher Aufgaben, bei denen die traditionellen Schachregeln verbogen werden. Solche Aufgaben werden Euch zwar nicht zu besseren Schachspielern machen, aber sie werden definitiv Eure Kreativität verbessern. Ein gutes Beispiel dafür ist die nächste Stellung von Edward Dunsani. Es machte letzte Woche in sozialen Netzwerken die Runde und wurde von mindestens zwei Großmeistern gepostet:
Ihr sollt einen weißen König und einen weißen Läufer so auf dem Brett platzieren, dass Weiß am Zug ein Schachmatt in zwei Zügen hat. Diese Aufgabe ist nicht besonders schwierig, aber lustig. Die Lösung findet Ihr am Ende dieses Artikels.
Aufgaben mit veränderten Schachregeln sind natürlich eine wahre Fundgrube für alle Schachfans. Der legendäre Moskauer Hustler Dima Gnesin, der wegen seines jugendlichen Aussehens den Spitznamen "Schuljunge" hatte, bot allen Wettwilligen das folgende Spiel an: Er entfernte seine beiden Türme und die Partie würde mit einer Ausnahme nach den regulären Schachregeln gespielt werden. Diese Ausnahme war, dass er einmal in der Partie einen Zug für seinen Gegner ausführen darf. Obwohl das auf den ersten Blick nicht so wichtig erscheint, denke ich, dass seine Gegner in Wahrheit zum Scheitern verurteilt waren. Zum Beispiel verlieren zwei beliebte Antworten auf 1.e4 (1...e5 und 1...c5) sofort! Seht Euch das an:
Es ist gut möglich, dass Dima Gnesin getötet wurde, als er versuchte, nach einem dieser Tricks sein gewonnenes Geld einzutreiben...
Und weil wir schon bei ungewöhnlichen Aufgaben sind: Hier sind meine beiden Favoriten:
Die Aufgabe ist, die Züge zu erkennen, die zu dieser Stellung geführt haben könnten! Denkt aber zuerst nach, bevor Ihr Euch die Lösung anseht.
Auf den ersten Blick sieht die Stellung absolut unmöglich aus. Wie könnte der weiße Läufer denn nach h4 gelangen, um ein Schach zu geben? Dann merkt man plötzlich, dass der weiße König von g3 nach f3 gezogen haben könnte, was es zu einem Abzugsschach macht. Doch dann stellt sich die nächste Frage: Wie war es möglich, dass der weiße König auf g3 gleichzeitig vom Turm auf g5 und dem Läufer auf e5 ein Schach bekommen hat? Wieder sieht es nach einer absolut unmöglichen Stellung aus, bis in Euren Köpfen eine weitere Glühbirne erleuchtet. Hier also die endgültige Lösung:
Während diese Aufgabe nicht so schwierig war, ist die zweite selbst für Großmeister eine Herausforderung! Ihr müsst eine Stellung aufbauen, in der Weiß nur einen König, einen Springer und einen Bauern hat und Schwarz einen König und eine Dame. Die Stellung muss legal sein und der schwarze König darf nicht im Schach stehen. Dann ist Schwarz am Zug und verliert, egal welchen Zug er spielt! Die Lösung ist am Ende des Artikels.
Zum Schluss will ich noch Eure Kreativität testen, aber möchte Euch gleich warnen. Das ist die wahrscheinlich schwierigste Aufgabe von allen!
Hier müsst Ihr eine beliebige schwarze Figur so auf dem Brett platzieren, dass Schwarz nicht gewinnen kann!
Und jetzt zu den Lösungen:
1) Die Aufgabe mit dem König und dem Läufer
Der König muss nach e2 und der Läufer auf f1. Und dann kommt: 1. Kxe1+ Te2 2.Lxe2 Schachmatt!
2) Die Springer, Bauer und König Aufgabe:
3) Eine schwarze Figur platzieren.
Nur wenn man eine weitere schwarze Dame auf dem Feld g2 platziert, stellt man sicher, dass Weiß am Zug und die Stellung ein Patt ist. Stellt man eine Dame auf ein anderes Feld, zum Beispiel nach d5, hätte der letzte Zug von Weiß Kf2-e3 sein können, nachdem Schwarz mit e2xf1=D+ einen Bauern umgewandelt hatte!
Ich hoffe, dass Euch diese Aufgaben genauso gut gefallen haben, wie die Puzzle Battle Weltmeisterschaft!