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Warum das London System die beste Eröffnung ist

Warum das London System die beste Eröffnung ist

PedroPinhata
| 113 | Eröffnungstheorie

Heutzutage lernen neue Schachspieler sehr schnell zwei Dinge. Zuerst wie die Figuren ziehen und gleich danach, dass man das London System hassen muss.

Durch Millionen von Memes, die diese Eröffnung dissen, fiel das vollkommen seriöse London System in öffentliche Ungnade. Wenn man 2.Lf4 spielt wird man sofort von allen umstehenden verurteilt – sogar von denen, die mit Schwarz das London mit vertauschten Farben, also die Slawische Verteidigung spielen. 

Bei allen Memes ist es aber an der Zeit, sich der kalten, harten Wahrheit zu stellen. Das London System ist die beste Eröffnung im Schach und wer will, kann ja versuchen, mir das Gegenteil zu beweisen.


So viel Liebe, dass man es hassen muss

Anscheinend liebt jeder das London System und deshalb hasst es jeder. Und weil das ziemlich paradox klingt, will ich das erklären. London-Hasser behaupten, sie könnten nicht auf Spielen klicken, ohne in die Schachversion einer Zahnpasta-Werbung versetzt zu werden – "neun von zehn Spielern empfehlen das London System".

Dies scheint ein vernünftiges Argument zu sein. Seit Weltmeister Magnus Carlsen die Eröffnung populär gemacht hat, hat es den Anschein, als ob ihm jeder nacheifern möchte. Und wer kann es ihnen verübeln? Wer würde schließlich nicht wie der Typ spielen wollen, der niemand geringen als Ding Liren in 24 Zügen anscheinend spielend leicht vom Brett gefegt hat?

Anmerkungen von GM Rafael Leitão - einem London-Hasser auf dem Weg zur Besserung.

Es sind Partien wie diese, die diese Eröffnung so beliebt machen. Auf unserer Eröffnungsseite haben die London-Inhalte die meisten Klicks und viele Anfänger entscheiden sich dafür, das London System zu spielen. Es scheint, als ob das London System eine gewisse Ähnlichkeit mit den TikTok-Tänzen hat: Alle hassen sie und sie sehen wirklich peinlich aus, aber wenn es sich auszahlt, sind die meisten doch bereit, es zu versuchen.

Aber geht es wirklich nur darum? Zerlegt das London nicht die Schönheit und Pluralität des Schachs?

Sehen wir uns die Zahlen an. Jeden Tag beginnen auf Chess.com etwa 4.500 Partien mit dieser Eröffnung. Das sind wirklich viele Partien für eine Eröffnung. Ein winziges Detail ist jedoch, dass das nur ungefähr 2% der Partien sind, die auf unseren Servern gespielt werden.

Und wisst Ihr, was das bedeutet? Wenn Ihr denkt, dass zu viele Leute 2.Lf4 spielen, ist das keine Mathematik, sondern ein Trauma. Und Ihr solltet Euch Hilfe suchen.

Die langweiligste Eröffnung aller Zeiten

Schachspieler fühlen sich notorisch von Gefahren angezogen. Es ist nicht ungewöhnlich, dass Top-Performer wie Hikaru Nakamura ohne Hemd mit Löwen ringen oder dass Supergroßmeister wie Fabiano Caruana mit verbundenen Augen mit Messern spielen. Das liegt einfach in der Natur eines jeden Schachspielers.

Vielleicht kommt deshalb vielen beim Anblick von 2.Lf4 das gähnen. Bei diesem Zug ist einfach kein Adrenalin im Spiel. Ich meine, wie kann jemand, der bei klarem Verstand ist, diesen Zug mit dem allmächtigen 1.e4 und den zermürbenden taktischen Scharmützeln vergleichen, die nach diesem Eröffnungszug folgen?


Mit so viel Action kann man nur schwer fertig werden:

Ich verstehe. Wer will schon die langsame und langweilige Tortur des London Systems durchmachen, wenn man auch die wunderbare Welt des Kampfschachs nach 1.e4 erleben kann?

Schrecklich.

Welch ein Schnarchfestival.

Was soll ich da noch sagen? Diese Runde haben die London-Hasser eindeutig gewonnen.

'Das ist nichts für kultivierte Schachspieler'

Ein Großteil des Hasses gegen London rührt daher, dass es nicht wirklich eine Eröffnung, sondern eben ein System ist. Man kann damit mehr oder weniger das gleiche Setup gegen die meisten Dinge, die Schwarz einem entgegenwirft, spielen. Aus diesem Grund begann die Schachelite, mit dem Finger auf dich zu zeigen und zu behaupten, das London System sei schlecht für deine schachliche Entwicklung.

Ich erinnere mich, als ich vor ein paar Jahren nach einer langen, langen Pause wieder mit dem Schachspielen begonnen habe. Wie fast jeder Anfänger habe ich mit Weiß immer die hoch angesehene italienische Eröffnung gespielt. Eines Tages sprach ich mit meinem Kollegen und Schachexperten Colin Stapczynski über Eröffnungen und er sagte mir, ich sollte doch mal das London System versuchen. 

Überrascht und empört rief ich aus: "WIE KANNST DU ES WAGEN?!" (oder sowas Ähnliches). Zu dieser Zeit näherte ich mich einem Blitzrating von 1400 und dachte im Grunde, dass das London System "nur etwas für Noobs" sei. Immerhin hatte ich ja schon Meisterwerke wie dieses produziert:

Eines so großartigen Spielers ist das London System doch eindeutig nicht würdig, oder?

Es hat einige Überzeugungsarbeit gebraucht, aber schließlich habe ich London System dann doch versucht und ich kann Euch sagen: Es hat Wunder bewirkt. Es hat mich natürlich nicht davon abgehalten, Figuren einzustellen und wie ein Pavian zu spielen. Das mache ich bis heute. Mein Punkt ist, dass wir vielleicht etwas realistischer sein sollten, wenn wir beurteilen, was für die meisten Menschen eine "gute Eröffnung" ist.

Die Mehrheit der Spieler auf Chess.com hat ein Rating zwischen 600 und 1000. Wie meine obige Partie deutlich zeigt, haben sogar 1400er mit einfachen Dingen, wie zum Beispiel eine hängende Figur zu erkennen, zu kämpfen. Wir Normalsterblichen sind also noch weit von dem Punkt entfernt, an dem wir die Feinheiten der Positionskämpfe im Damengambit oder der katalanischen Eröffnung verstehen müssen.

Ehrlich gesagt, wenn wir es schaffen, den 15. Zug zu erreichen, ohne eine Figur eingestellt zu haben, ist die Partie fast schon gewonnen. Und das London System kann dabei helfen.

Beweist mir das Gegenteil: Das London System ist die beste Eröffnung aller Zeiten

Wie Ihr sehen könnt, ist das London System genau das Richtige für Euch, wenn Ihr nach etwas sucht, das nicht langweilig ist. Wenn Ihr nach etwas sucht, das Euch hilft, Eure Figuren nicht schon in der Eröffnung an Eure Gegner zu verschenken, ist London genau das Richtige für Euch.

Aber sollte ich nicht 1.e4 spielen, wenn ich etwas Einzigartiges spielen will? Auf keinen Fall, José Lopez. Schlagt sie mit 1.d4 und 2.Lf4. Und als ob das noch nicht genug gewesen wäre, sind hier noch ein paar weitere Gründe, um diese Schönheit zu spielen:

Ein Spieler wird nach den Spielern beurteilt, mit denen er sich umgibt

Was haben die Großmeister Carlsen, Wesley So, Alexander Grischuk, Levon Aronian, Nakamura, Vladimir Kramnik, Anish Giri, Gata Kamsky, Jan-Krzysztof Duda, Alexander Morozevich, Vladislav Artemiev, Ruslan Ponomariov, Boris Gelfand, Le Quang Liem, Maxime Vachier-Lagrave, Baadur Jobava, Wei Yi, Richard Rapport, Anton Korobov, Nigel Short, Bu Xiangzhi, Maxim Matlakov, Alexei Shirov und Daniil Dubov alle gemeinsam? 

Ich gebe Euch einen Hinweis: Er beginnt mit 1.d4 und endet mit 2.Lf4.

Fast keine Theorie

Ein Gelegenheitsspieler hat grundsätzlich zwei Möglichkeiten. Er kann eine uralte Eröffnung übernehmen, die Millionen möglicher Varianten, Nebenvarianten und Ideen dahinter wirklich gründlich studieren und sie trotzdem schrecklich spielen. Oder er kann sich für das London System entscheiden, die Grundideen erlernen, sich die wenigen gefährlichen Varianten, die Schwarz versuchen kann ansehen und er wird meistens eine anständige Stellung auf das Brett bekommen und Spaß an der Partie haben.

Es ist eine reine Geschmackssache.

Spiele es, wie Du willst

Willst Du der solide Samuel sein und auf Nummer sicher gehen? Das London hält Dir den Rücken frei. Fühlst Du Dich abenteuerlustig und möchtest ein zweifelhaftes Opfer spielen, um die Dinge aufzurütteln? Dann schenk Dir eine Tasse Tee ein, mein Freund, denn auch das kann Dir das London System bieten. Und wenn Dein Gegner dabei ist einzuschlafen, während er auf Dein mächtiges Bauerndreieck starrt, kannst Du das berühmte Lxh7+ spielen, um mit einem brillanten Angriff zu gewinnen!

Gewinnen macht doppelt so viel Spaß

Mit dem London System zu gewinnen, macht sehr viel Spaß. Und wenn man die Partie gewonnen hat, kann man sich sich auch noch die Memes amüsieren! Es ist praktisch eine Win-win-Situation.

Fazit

Ich habe Euch gerade den unwiderlegbaren Beweis dafür geliefert, dass das London System die beste Eröffnung ist, die es gibt. Vielleicht wird mir eines Tages, wenn wir fliegende Autos haben und auf dem Mars leben, ein Supercomputer das Gegenteil beweisen. Aber bis dahin regiert das London.

Das war jetzt aber natürlich ein Witz, denn obwohl es eine schlechteste Eröffnung gibt, gibt es einfach keine beste Eröffnung und ich selbst spiele das London System auch nicht (mehr) regelmäßig.

Aber obwohl es wirklich Spaß macht, sich mit London-Spielern anzulegen, macht es einfach noch viel mehr Spaß, sich über London-Hasser lustig zu machen

PedroPinhata
Pedro Pinhata

Pedro Pinhata is the Writing Lead for Chess.com. He writes articles, feature announcements, event pages, and more. He has been playing chess since 2019 and lives in Brazil.

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