Wie man auf dem Schachbrett eine Festung baut
Das kürzlich beendete Tata Steel-Schachturnier war für den US-amerikanischen Großmeister Sam Shankland ein sehr denkwürdiges Turnier.
Von nun an wird er für immer als der Schachspielerin Erinnerung bleiben, der den ehemaligen Weltmeister Vladimir Kramnik in seinem letzten klassischen Partie besiegt hat. Aber Sam wird auch als der Großmeister in Erinnerung bleiben, der eine Partie in einer theoretischen Remisstellung aufgegeben hat.
Sam Shankland. | Foto: Alina l'Ami/Tata Steel Chess.
Ich bin mir sicher, dass Ihr diese Partie schon gesehen habt:
Dass ein Großmeister in einer Remisstellung aufgibt, ist so selten, dass diese Partie in kürzester Zeit weltweit bekannt wurde. Es wurde sogar ein altes Meme, welches ich in einem älteren Artikel vorgestellt hatte, upgedatet wurde. Es sieht jetzt so aus:
Hier sind die Zugvorschläge verschiedener Super-Großmeister:
Nakamura: Dg8
Caruana: Dg7
Giri: Dg6
Shankland: Ich gebe auf!
Man sollte an dieser Stelle aber betonen, dass Sam schon immer ein fairer Sportsmann war, und so konnte er auch über diese Episode auf Twitter lachen:
"Do me a favor and and never resign another drawn position" - Border Control Agent at SFO while stamping my passport. I really never will live this one down!
— Sam Shankland (@GMShanky) January 28, 2019
"Tu mir einen Gefallen und gib nie mehr eine Remisstellung verloren" - Der Grenzbeamte, als er bei der Wiedereinreise meinen Pass stempelte. Diese Geschichte wird mich wohl für immer verfolgen! - Sam Shankland
Besonders lustig ist, dass bei einer anderen Partie nur eine Woche später dieselbe Stellung auf das Brett kam:
Und da konnte sich selbst Weltmeister Magnus Carlsen nicht mehr zürückhalten und twitterte nach 53...Le8:
Very interesting ending from Gibraltar! Seems to me white will use the majority to create a passed pawn. Black will then sac the bishop and resign pic.twitter.com/bnWHQeOzHS
— Magnus Carlsen (@MagnusCarlsen) January 31, 2019
In Gibraltar haben wir gerade ein sehr interessantes Endspiel. Ich glaube, Weiß wird versuchen einen Freibauern zu bilden. Und dann wird Schwarz seinen Läufer opfern und aufgeben. - Magnus Carlsen
Obwohl nicht alle Menschen diesen Witz verstanden haben, war Sams Antwort darauf eine Klasse für sich:
It made my day that most people commenting on this post had no idea what he was talking about.
— Sam Shankland (@GMShanky) February 1, 2019
Badge of honor to be trolled by the World Champion. Doesn't happen to nobodies! https://t.co/sBiJjtUQ9Z
Es ist schon lustig, dass die meisten Menschen, die auf diesen Tweet geantwortet haben, überhaupt nicht wissen, worum es überhaupt geht. Es ist aber eine Ehre vom Weltmeister verarscht zu werden. Das passiert nicht jedem! - Sam Shankland
Ich hoffe, dass Euch die tragikomische Episode, die Sam Shankland passiert ist, motiviert, grundsätzliche Festungen, die in Endspielen auftreten können, zu studieren. Es ist ja nicht ungewöhnlich, dass ein einsamer König gegen eine viel größere Armee eines Gegners überleben kann.
Eines der bekanntesten Beispiele ist der sogenannte "falsche Läufer". Wenn ein Läufer das Umwandlungsfeld seines Randbauern nicht kontrollieren kann, müssen man nur den König in die entsprechende Ecke stellen und schon hat man das Remis sicher. Hier ist ein einfaches Beispiel:
Weniger bekannt ist die Stellung, bei der der Gegner einen Springer hat, aber der Randbauer zu weit vorgezogen ist:
Natürlich kann Weiß den Springer auf g5, f6 oder f8 ziehen, aber die Stellung bleibt weiterhin Remis. Weiß kann den schwarzen König nur Patt setzten, aber niemals gewinnen.
Hier sind noch weitere Festungen, die Ihr unbedingt kennen solltet:
Wenn Schwarz nicht in die einzige Falle tappt und in die Ecke rennt, wo der König Matt gesetzt wird, ist auch diese Stellung einfach Remis zu halten. Und dabei ist es völlig egal, ob Weiß den weißfeldrigen oder den schwarzfeldrigen Läufer hat. Und selbst wenn sich der Läufer in einen Springer verwandeln dürfte, wäre die Stellung Remis!
Auch in Shanklands Partie spielte es keine Rolle, welche Farbe der Läufer hatte. Aber auch hier gab es eine Falle, die man kennen und vermeiden sollte:
Wenn man solche Festungen kennt, kann man sich in vielen Partien noch retten. Auch mir hat eine Festung in einer Partie gegen Nakamura einen halben Punkt gesichert:
Jetzt seit Ihr an der Reihe. Versucht die Stellung, die für Weiß eigentlich total verloren aussieht, Remis zu halten.
Wie Ihr jetzt gesehen habt, kann man durch eine Festung auch eine scheinbar verlorene Partie noch Remis halten und deshalb sollte jeder Turnierspieler diese typischen Festungen kennen!