Wollt Ihr die Nummer 1 der Schachwelt werden?
Wenn Ihr Vereinsspieler mit einer DZW von etwa 2000 seit, dann könnt Ihr über die Frage in der Überschrift wahrscheinlich nur lachen. Ihr denkt vielleicht: "Ja, klar wäre ich gerne die Nummer 1 der Welt, aber wie groß sind meine Chancen, Magnus Carlsen von der Spitze zu verdrängen? Eins zu eine Million?"
Tja, laut der Komödie Dumm und Dümmer, habt Ihr aber doch eine Chance:
Aber Spaß beiseite. Ich habe eine Idee, die dieses wirklich weit hergeholte Szenario durchaus möglich machen könnte. Seht, der größte Teil der Bemühungen der Schachgemeinschaft geht in Richtung Top-Level-Schach. Wir haben ja schon darüber gesprochen, dass klassisches Schach ständig infrage gestellt wird. Ich bin froh, dass mir die meisten Kommentatoren von Chess.com zustimmen, dass das gute alte Schach auch ohne dramatische Veränderungen immer noch viel zu bieten hat. Warum aber sehen sich dann alle nur Superturniere an - sollten wir uns stattdessen nicht mehr um ganz normale Schachspieler kümmern?
Vor einem Jahr haben wir über Ratings gesprochen und wie wichtig diese Ratings für viele Schachspieler sind. Also, ich habe einen Vorschlag, aber bevor ich diesen mit Euch teile, müsst Ihr mir versprechen, dass Ihr nicht lacht und mich nicht für verrückt erklären werdet..
OK, hier ist er: Was wäre, wenn die FIDE Turniere organisiert, bei denen man Rating-Punkte anstatt eines Geldpreises gewinnen könnte?
Ich spreche nicht von den 40-50 Elo-Punkten, die der Gewinner eines Opens für sein hervorragendes Ergebnis erhalten kann. Was wäre, wenn der Gewinner 500 oder sogar 1.000 Punkte bekommen würde? Ja, das klingt verrückt, aber lasst es mich erklären: Nehmen wir an, es handelt sich um ein reguläres Open, bei dem der erste Preis normalerweise bei rund 5.000 $ liegt. Jetzt erhält der Gewinner anstelle von Bargeld 500 Punkte zusätzlich zu seiner aktuellen Elo. Die einzige Bedingung ist, dass diese Zahl nicht für Titel gelten sollte und dass diese Punkte nach einer gewissen Zeit (z. B. nach einem Jahr) wieder gestrichen werden.
Ich gebe Euch ein Beispiel. Ein IM mit einer von 2450 gewinnt ein solches Turnier und erhält 500 Bonus-Punkte. Seine neue Elo beträgt also 2950 mit dem einzigen Unterschied, dass er keine GM Norm bekommt. Ein Jahr später fällt sein Rating wieder auf 2450 und wenn er danach sein Rating auf normalem Weg auf 2500 steigert, kann er auch Großmeister werden.
Natürlich sollte ein solches Turnier nur einmal im Jahr stattfinden, um eine Rating-Inflation zu verhindern. Die Frage ist: Wer würde jetzt von dieser verrückten Idee profitieren?
Erstens natürlich der Spieler, der die Bonus-Punkte bekommt. Neben dem Recht, sich die Nummer 1 der Welt nennen zu können und der Aufmerksamkeit der Medien, wird er durch sein Rating eine einzigartige Chance erhalten. Stellt Euch vor, sein Lebenstraum wäre es, ein Vier-Spiele-Duell gegen Magnus Carlsen zu bestreiten. Wenn er ein reguläres offenes Turnier gewinnt und mit seinem ersten Preisgeld von 5.000 US-Dollar den Weltmeister dazu überreden will, ein solches Match zu spielen, würde Magnus wohl nur lachen.
Aber jetzt, als 2950-Spieler, kann er sich diesen Wunsch erfüllen, da Carlsen bei einem solchen Duell seine eigene Elo auf über 2900 erhöhen würde, was wahrscheinlich sein letztes unerreichtes Ziel im Schach ist.
Und selbst wenn Carlsen ein solches Angebot ablehnt, wird ein 2950-Spieler definitiv zu vielen Turnieren eingeladen werden, um das Ansehen des Turniers zu erhöhen. Und dort hat er dann die Gelegenheit, um gegen wirklich starke Spieler zu spielen.
Heutzutage hören wir ziemlich häufig von mittleren und größeren Sensationen. Hier nur einige Beispiele:
Bei mehr als 800 Elo-Punkten Unterschied war dieser Sieg eine erstaunliche Überraschung! Und wer könnte die folgende Partie vergessen, in der ein 12-jähriger Junge einen ehemaligen Kandidaten für den Weltmeistertitel, Super-GM Vassily Ivanchuk, besiegte?
Ich könnte jetzt noch mehr solcher Überraschungen zeigen, aber ich glaube, Ihr habt mich verstanden. Das Hauptproblem für niedrig eingestufte Spieler ist es, dass sie nicht zu oft Super-GMs spielen. Die bloße Gelegenheit, eine Turnierpartie gegen GM Ivanchuk zu spielen, ähnelt bereits dem Gewinnen einer Lotterie! Aber sobald jemand einen 500-Punkte-Rating-Boost erhält, wird es Realität!
Glaubt es oder nicht, aber viele hochkarätige Spieler würden den Vorschlag ebenfalls gut finden, da er ihnen einfache Punkte bringt. Zurück zu Magnus Carlsens Beispiel: Wie lange wird es dauern, bis er in den aktuellen Turnieren 2900 erreicht, wo ihn jedes Remis gegen einem anderen Super-GM zurückwirft? Ein Jahr, zwei Jahre, vielleicht nie? Aber nur vier Partien mit einem IM mit 2950 zu spielen, brächte ihn zum Ziel.
In gewissem Maße erinnert es mich an die Situation, die vor 20 Jahren bei der US-Meisterschaft aufgetreten ist. Claude Bloodgood, ein verurteilter Mörder, fand einen Weg, eine schwäche im Rating-System auszunutzen und erreichte ein USCF-Rating von 2789. Zu dieser Zeit war er nach Gata Kamsky der Spieler mit dem zweithöchsten Rating in den USA. Entsprechend seiner Wertung qualifizierte sich Bloodgood für die kommende US-Meisterschaft und bat die USCF, ihn zum Spielen zuzulassen. Solch einer Bitte eines verurteilten Mörders, der zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt worden war, möchte ich mich zwar nicht anschließen, aber die besten US-Spieler hatten nichts dagegen. Gegen einen 60-jährigen Mann mit einem Rating von 2789 spielen zu dürfen, der wahrscheinlich selbst in seiner Blütezeit noch nie auf Meisterebene gespielt hat, wäre, als würde man einem Baby Süßigkeiten anbieten.
Ich habe mir Claude Bloodgoods Partien in der Datenbank angesehen und in den meisten spielte er zweifelhafte Eröffnungen. Außerdem waren die meisten seiner Gegner prinzipiell Anfänger. Seht Euch zum Beispiel diese Partie an:
Ein erfahrener Profi, der gegen Claude Bloodgood spielt, würde seine ELO-Punkte praktisch geschenkt bekommen.
Eine zweite Partei, der mein Vorschlag gefallen könnte, ist die FIDE, denn ein solches Turnier könnte zusätzliche Einnahmen bringen.
Ja, es wird Leute geben, die diese Idee wirklich hassen. Magnus Carlsen zum Beispiel wird nicht sonderlich begeistert sein, dass er plötzlich nicht mehr die Nummer eins der Welt ist. Nun, wie gesagt, das ist nur eine Idee. Wenn der Vorschlag zu drastisch ist, könnte der Bonus geringer sein. Dann würde Magnus seinen rechtmäßigen Platz am Schachgipfel behalten.
Ich bin aber eine realistische Person und weiß, dass die FIDE einen solchen Vorschlag niemals annehmen wird, aber vielleicht gefällt er ja der immer kreativen Chess.com-Community?
Also, meine lieben Freunde bei Chess.com. Was haltet Ihr von dieser Idee?