Beide Halbfinale werden in den Tiebreaks entschieden
Der zweite Halbfinaltag beim FIDE World Cup verlief genauso wie der erste. Maxime Vachier-Lagrave und Levon Aronian einigten sich in einer spanischen Partie schnell auf ein Remis. Ding Liren und Wesley So lieferten sich in einer katalanischen Partie einen langen Kampf, bei dem aber nach 58 Zügen nur noch die Könige auf dem Brett übrig blieben.
Hauptschiedsrichter Ashot Vardepetyan lost die Farben für den morgigen Tiebreak aus, nachdem Ding und So remisiert hatten. | Foto: Chess.com/Maria Emelianova.
Somit stehen beide Halbfinalduelle Unentschieden und die morgigen Tiebreaks im Schnellschach (und evtl. sogar im Blitz oder Armageddon) werden über den Finaleinzug und die Qualifikation für das Kandidatenturnier entscheiden.
Kramnik wird sicher zu So halten, denn das würde es für den ehemaligen Weltmeister um einiges leichter machen, sich über die ELO für das Kandidatenturnier zu qualifizieren. Sollten Ding oder MVL den Finaleinzug verpassen können sie sich immer noch über den Grand Prix qualifizieren. Für Aronian hingegen ist der morgige Tiebreak die letzte Chance, um sicher am Kandidatenturnier teilzunehmen.
World Cup 2017 | Halbfinale, Ergebnisse
Land | Spieler | Land | Spieler | Klassisch | Schnellschach | Blitz | Gesamt |
Aronian (2802) | Vachier-Lagrave (2804) | ½-½, ½-½ | 1-1 | ||||
So (2792) | Ding Liren (2771) | ½-½, ½-½ | 1-1 |
Wenn man sich die gestrige und die heutige Partie ansieht, wird man das Gefühl nicht los, dass sowohl Maxime Vachier-Lagrave als auch Levon Aronian das Duell von Anfang an im Tiebreak entscheiden wollten, denn in beiden Partien akzeptierte der weiße Spieler das Remisgebot seines Gegners, sobald sich auf dem Brett etwas tat.
Die heutige Partie war dann sogar noch kürzer als die gestrige. Nach nur etwa 20 Minuten, und 7 Halbzüge nachdem die beiden die bekannte Theorie verlassen hatten, einigten sie sich schon auf ein Remis.
Aronian und MVL hatten nach der Partie gute Laune. | Foto: Chess.com/Maria Emelianova.
Es sollte aber erwähnt werden, dass Aronians Vorbereitung, im Gegensatz zu gestern, hervorragend funktionierte. MVL's Anti-Marshall mit 6.d3, 8.a3 and 9.Sc3 wurde von einer Serie von punktgenauen Zügen des Armeniers neutralisiert. Es ist eigentlich überraschend, dass diese Variante noch nie von einem Top-Spieler gespielt wurde.
Beeindruckend war auch Aronian's Zeitverbrauch—oder besser gesagt der Fakt, dass er überhaupt keine Bedenkzeit verbraucht hatte. Er spielte jeden einzelnen Zug ohne Nachzudenken und beendete die Partie, dank des 30 Sekunden Bonus pro Zug, mit 7 Minuten mehr Bedenkzeit, als er zum Anfang der Partie hatte.
Aronian war auf die heutige Partie exzellent Vorbereitet. | Foto: Chess.com/Maria Emelianova.
"Ich muss in meiner Vorbereitung irgendwas verwechselt haben," sagte Vachier-Lagrave zu Chess.com in einem Interview für unseren französischen YouTube Kanal. "Er spielte sehr genau und auf einmal war alles ausgeglichen."
Im Tiebreak gilt wohl Vachier-Lagrave als leichter Favorit. Vor diesem Turnier führte der Franzose den direkten Vergleich in klassichen Partien mit 5:4 (bei 10 Remis - jetzt 12) an.
Im Schnellschach und in Blitzpartien ist die Führung des MVL´s aber deutlicher, denn in dieser Wertung führt er mit 7:4 (bei 12 Remis). In diesem Jahr endete die Blitzpartie zwischen den beiden beim ersten Tag des Norway Chess Turniers Remis. Einen Monat später, im belgischen Löwen, gewann zwar Aronian die Schnellschach Partie, aber MVL entschied das Blitzduell mit 2:0 zu seinen Gunsten.
In diesem Turnier spielte Aronian Tiebreaks gegen Hou Yifan (2:0 in den 25 Minuten Partien) und Maxim Matlakov (2 Remis bei 25 Minuten, dann jeweils ein Sieg bei 10+10 und schließlich ein 1.5:0.5 im Blitzschach). MVL benötigte Tiebreaks gegen Lenderman (1.5:0.5 in den 25 Minuten Partien), Grischuk (1.5:0.5 bei 10+10 Bedenkzeit) und Svidler (wieder 1.5:0.5 bei 25 Minuten).
Vachier-Lagrave wird die erste Partie morgen mit Weiß spielen. | Foto: Chess.com/Maria Emelianova.
Nun zur zweiten Partie: Auch hier war eine gewisse Ähnlichkeit zur gestrigen Partie nicht von der Hand zu weisen. Die Partie dauerte nicht nur wieder deutlich länger als die andere, sondern es stand, wie gestern, der Anziehende wieder kurz vor dem Sieg.
Ding Liren's Vorteil war zwar nicht so klar wie So's gestriger Vorteil, aber doch vorhanden. ""Ich hatte eine Katalanische Traumstellung erreicht," sagte der chinesische Großmeister, "aber er hat sich auch sehr gut verteidigt".
Trotz des eher ruhigen Aufbaus mit 6.b3 in der Katalanischen Eröffnung, konnte sich Ding, vor allem wegen der sehr starken Züge 10.Se1! und 15.Tfc1! einen Vorteil verschaffen. Der kritische Moment der Partie wurde im 37. Zug erreicht.
Als Nastja Karlovich von der FIDE, Ding auf die Variante 37.Th8 Tc7 38.Tdd8 Txc5 ansprach, antwortete der Chinese, dass er die Variante schon angedacht hatte, "aber ich habe kein Matt gesehen". Das ist wohl war, aber wie Dejan Bojkov aufzeigt, hätte er ein vielversprechendes Turmendspiel erlangen, das er unmöglich verlieren, aber durchaus gewinnen hätte können...
Ding setzt So im Turmendspiel weiter unter Druck, aber der Amerikaner hat das schlimmste überstanden. | Foto: Chess.com/Maria Emelianova.
Im morgigen Tiebreak ist So wahrscheinlich etwas Favorisiert. In klassischen Partien gegeneinander haben beide Spieler jeweile einen Sieg (bei 11 Remis) zu Buche stehen. So konnte Ding aber schon einmal aus einem Weltcup eliminieren. Das war 2011 in Khanty-Mansiysk und dort konnte So den Chinesen in einer Schnellschachpartie bezwingen. Letztes Jahr in Shanghai saßen sich die beiden gleich 4 mal gegenüber und dort konnte Ding seinen einzigen Sieg über So in einer klassischen Partie verbuchen.
In Tiflis benötigte So bis jetzt nur 2 Tiebreaks. Gegen Blübaum gewann er beide 10+10 und Jobava besiegte er mit 1.5:0.5 in den 25 Minuten Partien. Auch Ding benötigte nur 2 Tiebreaks um ins Halbfinale einzuziehen. Er besiegte sowohl Martyn Kravtsiv als auch Santosh Vidit Gujrathi mit 1.5:0.5 bei 25 Minuten Bedenkzeit.
So wird in der ersten Schnellschachpartie Weiß haben. | Foto: Chess.com/Maria Emelianova.
Bis jetzt haben weder Ding noch So eine Partie beim Weltcup verloren, aber der Chinese gab zu, dass er gestern kurz vor einer Niederlage stand. "Die Computer zeigen, dass Weiß ganz klar am gewinnen ist, aber die Gewinnvariante ist ein bisschen schwierig zu berechnen."
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Der Weltcup findet vom 3. bis zum 27. September in der georgischen Hauptstadt Tiflis statt. Jede Runde besteht aus 2 klassischen Partien (nur im Finale sind es 4) und danach folgt, je nach Bedarf, ein Tiebreak im Schnell- und Blitzschach. Das Preisgeld bei diesem Turnier beträgt $1.600.000 und der Sieger bekommt mit $120.000 den Löwenanteil davon. Zusätzlich qualifizieren sich die beiden Finalisten für das Kandidatenturnier 2018.
Chess.com überträgt alle Partien des Weltcups live auf Chess.com/Live. Außerdem könnt ihr Live Kommentare der besten Kommentatoren der Welt, der Chessbrahs, also GM Eric Hansen, GM Robin van Kampen, GM Yasser Seirawan und IM Aman Hambleton auf Chess.com/TV sehen.
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