Caruana, So und Nepomniachtchi stehen im Halbfinale der Schach960 WM
Der dritte und letzte Viertelfinaltag der Schach960-Weltmeisterschaft sorgte für eine Menge spannender Partien - aber auch für überraschend abrupte Ergebnisse. Alle Duelle wurden bereits im Schnellschach entschieden und zwei von ihnen wurden sogar in der Mindestanzahl von nur drei Partien gewonnen.
Das rein amerikanische Duell zwischen dem Top-Gesetzten Fabiano Caruana und dem ehemaligen Schach960 Weltmeister Hikaru Nakamura war als erstes zu Ende. Genau wie am ersten Tag gewann Caruana seine erste Partie mit Schwarz und konnte damit drei Punkte verbuchen.
Einer der bemerkenswerten Aspekte von Caruanas Spiel in dieser Parie ist, dass es sehr deutlich der Philosophie entsprach, die er in seinem Interview nach dem Spiel am ersten Tag beschrieben hatte. Da sagte Fabiano, dass er das Anstreben eines klassischen Zentrums (e4-d4) im Schach960 als ebenso wichtig ansieht, weil er der Meinung ist, dass die meisten Schachprinzipien beim Schach960 genauso gelten würden wie im klassischen Schach, aus dem sie stammen.
Das Duell zwischen Wesley So und Vladimir Fedoseev versprach ein Kampf zweier grundsätzlich verschiedener Spielstile zu werden. Wesley zeigte in seinen bisherigen Partien in diesem Event einen ziemlich universellen Stil und überraschende mit der Fähigkeit, aus jedem zufälligen Setup eine harmonische Stellung zu zaubern. Fedoseev fühlte sich dagegen im Angriff und im Chaos wohl... und so sollten in diesem Duell einige seltsame Dinge geschehen.
Die erste Partie verlief dann jedoch ruhig und "normal", aber in der zweiten Partie erhöhte Fedoseev mit Schwarz die Schlagzahl. Ein spektakuläres Figurenopfer erbrachte ihm nicht die gewünschte Kompensation und er sah sich einer langen Verteidigungsschlacht ausgesetzt die in einer technischen Remisstellung endete. Aus unerklärlichen Gründen unterlief Fedoseev dann aber ein schrecklicher Fehler und er musste die Partie aufgeben - mit viel verbleibender Zeit auf seiner Uhr.
Die dritte Partie war dann unglaublich kompliziert. Also die Bedenkzeit des Russen knapp wurde, übernahm So aber schließlich doch das Kommando und buchte das Ticket nach Norwegen.
Bleiben wir bei den Amerikanern. Ich kann mir gut vorstellen, dass Nakamura nicht besonders glücklich war, dass er Caruana zugelost bekam und dann zusehen musste wie sich Wesley So - den er am ersten Tag besiegt hatte und sich danach über die Hoffnungsrunde für den dritten Tag qualifizierte - ins Halbfinale einzog. Wäre er allerdings am dritten Tag erneut So zugelost worden und ausgeschieden, wäre sein Ärger aber wohl noch größer gewesen.
Obwohl Fedoseev den schmerzhaftesten Fehler des Viertelfinals begangen und damit all seine Chancen auf einen Einzug ins Halbfinale torpedierte, konnte er trotzdem wertvolle Erfahrungen im Schach960 sammeln. Es war nämlich den Spielern selbst überlassen, ob sie ein Duell, das bereits entschieden war, sofort beenden, oder bis zur letzten Blitzpartie weiterspielen wollten und nur Fedoseev und Wesley So spielten Ihr Duell bis zur letzten Blitzpartie zu Ende. Der Vollständigkeit halber sollte demnach auch erwähnt werden, dass der Russe die letzten beiden (bedeutungslosen) Partien gewonnen hat und den Rückstand damit immerhin verkleinerte.
Das dritte Duell des Tages war dann eine Neuauflage eines Duells vom ersten Tag, denn der iranische Teenager Alireza Firouzja bekam eine zweite Chance um Ian Nepomniachtchi zu besiegen. Das erste Duell ging im Armageddon an "Nepo", aber der Druck auf den russischen Favoriten muss am dritten Tag ungleich höher gewesen sein. Von jemandem beseitigt zu werden, den er bereits besiegt hat, wäre eine unglaublich irritierende Wendung gewesen.
Nachdem er am zweiten Tag Vidit Gujrathi in der Hoffnungsrunde besiegt hatte, gab Firouzja im Interview nach dem Duell zu, dass er sich verlockendere Paarungen als wieder gegen Ian, vorstellen konnte.
Nachdem er am ersten Tag gegen Firouzja noch die volle Distanz gehen musste, lief Nepo gleich in der ersten Partie des dritten Tages zur Höchstform auf und gewann mit den weißen Figuren.
In der zweiten Partie erzwang Nepo mit einer feinen taktischen Sequenz ein Remis aber seine Verteidigung in der dritten Partie war dem Angriff des Iraners nicht gewachsen. Das Kommentatorenteam war zunächst verblüfft, wie weit der eigentlich immer sehr schnell spielende Nepomniachtchi auf der Uhr zurückblieb und noch dazu auch auf dem Brett unter Druck geriet. Firouzja gelang also sein erster Sieg mit Weiß, aber da es für die Partien 3 und 4 nur 2 Punkte pro Sieg gab, galt es noch einen Punkt aufzuholen.
Das einzige, was sich Alireza jetzt nicht leisten konnte, war eine weitere Partie zu verlieren. Die vierte Schnellschachpartie war dann rasiermesserscharf und Nepomniachtchi produzierte in dieser prickelndes Angriffsschach, welches das Duell noch vor den Blitzpartien beendete.
Hier könnt Ihr Euch die gesamte Übertragung, inklusive der Spielerinterviews noch einmal ansehen.
Damit stehen alle Halbfinalisten fest. Neben Caruanas kluger Einschätzung, wie wichtig die Schachgrundlagen für den Zufallsstart sind, ist anzumerken, dass sich ausschließlich die Elo-Favoriten im klassischen Schach und nicht die Schach960-Spezialisten durchgesetzt haben. Letztendlich scheint in dieser Variante doch sehr viel Schach zu stecken.
Das Halbfinale wird ganz traditionell an Brettern stattfinden, was eine breitere Übertragung der Partien ermöglicht. Aufgrund der Schachhysterie in Norwegen und der Popularität des Schach960 Duells zwischen Nakamura und Carlsen im letzten Jahr, wird erwartet, dass der staatliche Sender NRK jede Minute im Fernsehen sendet und die Veranstaltung wieder ausverkauft sein wird. Machen Euch also bereit für das Schach 960 Revival!