Ein phänomenaler Carlsen gewinnt das Grand Chess Tour Event in Löwen
Garry Kasparov, ein Mann der die Bedeutung des Wortes "dominieren" kennt, nannte es eine "phänomenale Leistung", mit der Magnus Carlsen das Your Next Move Grand Chess Tour Turnier im belgischen Löwen, bereits 2 Runden vor Turnierende gewonnen hatte.
Carlsen's Blitzleistung wird wohl in die Geschichtsbücher eingehen: 3014 nach 18 Partien! Das Turnier schaffte ihn aber so sehr, dass er bei der Siegerehrung kaum mehr Kraft hatte um sich zu freuen.
Magnus Carlsen neben Maurice Ashley bei der Siegerehrung. | Foto: Maria Emelianova.
Nigel Short hatte das heutige Ergebniss mehr oder weniger vorausgesehen, als er sagte: "Ich wäre überrascht, wenn Magnus Carlsen noch aufgehalten werden würde."
Carlsen verlor heute nicht eine Partie, erzielte 7 von 9 möglichen Punkten (einen halben Punkt weniger als Gestern) und erreichte eine Blitz-Leistung von über 3000. Seine neue Blitz-ELO, die am 1. August veröffentlich werden wird, wird nur 3 Punkte unter der 3000er Marke liegen!
Wesley So, der nach 9 Runden noch gemeinsam mit Carlsen die Tabelle anführte, schaffte es sogar, diese nach 10 Runden alleine anzuführen, denn Carlsen spielte gegen Anand nur Remis während der Amerikaner gegen Baadur Jobava gewinnen konnte.
Es war ein Musterbeispiel wie Schwarz einen geschlossenen Sizilianer spielen sollte, mit dem kleinen Schönheitsfehler, dass Weiß bereits sehr früh in der Partie alle Brücken hinter sich abbrach und die Partie deswegen wohl doch nicht in Lehrbüchern auftauchen wird.
THAT look 💗 @MagnusCarlsen #GrandChessTour pic.twitter.com/8x9krP7wkz
— Miss Lova Lova (@photochess) July 2, 2017
5-year-old Oliver from Temse, Belgium was allowed
to make Carlsen's first move against Anand today.
Der 5 Jahre alte Oliver aus dem belgischen Temse durfte
den ersten Zug für Carlsen ausführen.
Und was war mit Maxime Vachier-Lagrave, der doch in Paris noch brilliant geblitzt hatte, los? Tja, auch er war noch nicht komplett aus dem Rennen, denn auch er gewann seine Auftaktpartie gegen Levon Aronian. Nachdem er sich aus einer schlechten Stellung befreien konnte war sein Endspiel ein Musterbeispiel für Königsaktivität.
MVL zwischen 2 Weltmeistern. | Foto: Maria Emelianova
So's Führung war aber nur von kurzer Dauer, denn er verlor seine nächste Partie gegen Anand. Es war eine von Anand's besten Blitz-Partien und nicht einmal die Computer fanden ab einem bestimmten Zeitpunkt noch ein Remis für So.
Anand hatte es gesehen und dachte sich: "Mit so vielen Springern auf dem Brett kann es kein Dauerschach geben," aber als er seinen Turm auf a8 zog, gab es doch ein Dauerschach! So hatte es aber nicht gefunden...
So konnte seine Tabellenführung nicht lange auskosten. | Foto: Maria Emelianova
Carlsen übernahm derweil mit seinem Sieg gegen Vladimir Kramnik, der mit einem aggressiven Figurenopfer Selbstmord beging, die Tabellenführung.
Kramnik gibt seine Partie gegen Carlsen auf. | Foto: Maria Emelianova
Vassily Ivanchuk's letzter Turniertag war auch sein bester. Wenn man nur den heutigen Tag zählt, war Ivanchuk mit nur einem halben Punkt Rückstand auf Carlsen der zweitbeste Spieler.
Hier ist sein Sieg gegen Aronian, der allerdings eine Kombination nicht gesehen hatte, mit der er die Stellung hätte ausgleichen können.
Man könnte sagen, dass Carlsen in der 21. Runde das Turnier gewonnen hat. Er spielte gegen MVL eine wirklich außergewöhnliche Partie in der er zwar zuerst etwas schlechter stand, aber dann so erfinderisch weiterspielte, dass der Franzose einfach überfordert war.
"Ich habe alle Brücken hinter mir abgebrochen also musst ich weiter nach vorne marschieren," sagte Carlsen. "Er war nicht gut entwickelt, also war das Material nicht so wichtig. Ich wollte nur so aggressiv wie nur irgendwie möglich spielen."
Es war eine skurrile Partie und das nicht nur wegen dem vierten Zug von Weiß: 1.c4 e5 2.e3 Sf6 3.Sc3 Sc6 4.g4!?. Auch was darauf folgte war höchst unterhaltsam.
Mrs (absolute beginner) glances at my phone after Carlsen's g4 says "I like that move, but you always tell me not to do it!" #GrandChessTour
— Lawrence Trent (@LawrenceTrentIM) July 2, 2017
Frau (totale Anfängerin) erscheint nach Carlsen´s g4 auf meinem Handy und sagt: "Mir gefällt dieser Zug, aber Du sagst mir immer, ich solle den nicht spielen!" --- Lawrence Trent
Short: "Eine brilliante Partie. Ich habe jede Sekunde genossen!"
Carlsen selbst: "Ich habe eine solche Partie selbst noch nie gesehen. Ich hatte diesen superstarken Bauern auf d6. Ohne diesen Bauern, hätte mein ganzes Spiel keinen Sinn ergeben."
Eine der unterhaltsamsten Partien des Turniers. | Foto: Maria Emelianova
So erreichte gegen Kramnik nur ein Remis und lag damit schon einen ganzen Punkt hinter Carlsen zurück und Jobava ging es heute etwas besser als gestern, denn er konnte immerhin gegen Nepomniachtchi und Anand zwei Remis in Folge erzielen.
When you're one of the very few who can't beat Jobava... 😝 @lachesisq #GrandChessTour pic.twitter.com/NDMhI1Nkn7
— Chess.com (@chesscom) July 2, 2017
Wenn Du einer der wenigen bist, die gegen Jobava nicht gewinnen können...
Aronian schlug nach einem Riesen-Fehler von Nepomniachtchi zurück:
In der 22. Runde kam Ivanchuk zu spät zu seiner Partie gegen Carlsen. Der Schiedsrichter wollte die Uhr zweimal starten aber Carlsen (der auch schon das eine oder andere Mal zu spät kommt) machte jedesmal eine Geste mit seiner Hand, die in etwa bedeutete "Wir warten noch".
very nice that @MagnusCarlsen didn't start the clock @GrandChessTour
— Sabina Foisor (@Foisor_Sabina) July 2, 2017
sehr nett von Carlsen, dass er die Uhr nicht gestartet hat --- Sabina Foisor
Als Ivanchuk dann endlich am Tisch saß, spielte er die sehr seltene Eröffnung 1.e4 e5 2.Se2. Nach dieser Eröffnung, die nach Semyon Alapin (1856-1923) benannt ist, passierte eigentlich nicht viel, bis Ivanchuk im Endspiel einen Fehler machte. Kommentator Christian Chirila sagte dazu: "Carlsens Gegner machen Fehler und er selbst macht keine."
Giri und MVL teilten sich im Blitzturnier mit 10 von 18 möglichen Punkten den zweiten Platz. 4.5 Punkte hinter Carlsen. | Foto: Maria Emelianova
In einer wichtigen Partie für den zweiten Gesamtrang gewann MVL gegen Wesley So mit dem Eröffnungszug 1.b3. "Ich spiele heute definitiv besser als gestern aber es reicht nicht um Magnus zu gefährden. Ich glaube gegen mich hat er besonders gut gespielt. Er hat wirklich ungewöhnliche Züge gefunden."
Carlsen lag fünf Runden vor Schluss mit 2 Punkten in Führung und baute diese nun auf 2.5 Punkte aus. Wesley So kam gegen Ivanchuk nicht über ein Remis hinaus während der Weltmeister gegen Nepomniachtchi, der eine einfache Grundlinientaktik zulies, gewinnen konnte:
In dieser Runde erzielte Jobava endlich seinen ersten (glücklichen) Sieg, und gleich nachdem er Kramnik geschlagen hatte wurde er natürlich von Maurice Ashley interviewt:
"Ich habe nicht damit gerechnet hier eine Partie gewinnen zu können. Als erstes möchte ich über meine Vorbereitung gestern Abend sprechen. Wie ich schon sagte, erwartete ich ja Champagner von den Organisatoren, aber ich habe keinen bekommen, also habe ich alle Bars abgeklappert und mich dem belgischen Bier gewidmet. Das war eine sehr gute Idee. Danach habe ich wie ein Baby geschlafen und heute fühle ich mich richtig fit und ich spiele auch viel besser als die letzten Tage. Wenn jetzt noch ein paar Doppelrunden kommen würden, könnte ich vielleicht ein Comeback starten."
Jobava gewann immerhin eine Partie in diesem Turnier. | Foto: Maria Emelianova
In der nächsten Runde schien Carlsen auf die selbe Art wie schon gestern gegen Aronian zu gewinnen. Er hatte ein vorteilhaftes Turmendspiel und Aronian hatte nur noch 5 Sekunden auf der Uhr. Aber dieses Mal lies Carlsen seine Chancen liegen und die Partie endete Remis.
Carlsen on 23,5p, 2,5 ahead of So with 3 rounds to go. Already surpassed his winning score of 23 points from last year. #GrandChessTour
— Tarjei J. Svensen (@TarjeiJS) July 2, 2017
Carlsen hat 23.5 Punkte. 2.5 mehr als So und noch 3 Runden zu spielen. Er hat jetzt schon seine 23 Punkte vom Vorjahr übertroffen. --- Tarjei J. Svensen
Kramnik gewann gegen MVL, was auch Wesley So gefreut haben dürfte, der nun einen Punkt vor dem Franzosen, aber 2.5 Punkte hinter Carlsen lag. Vachier-Lagrave's Gambit, das dem Evans Gambit ähnelt, wird nur sehr selten gespielt (und das völlig zurecht).
In der 25. Runde remisierte Carlsen eine sehr ruhige Partie gegen Giri, aber das war genug um den Turniersieg unter Dach und Fach zu bringen, denn auch Wesley So kam gegen Aronian nicht über ein Remis hinaus. Jetzt hatte Carlsen 24 Punkte, So 21.5 und MVL 21.
Kasparov lobte den Gewinner und postete dieses Lob später auch auf Twitter:
Phenomenal performance by Magnus. As I said during the round, it looked like everyone else was playing blitz while he was playing chess!
— Garry Kasparov (@Kasparov63) July 2, 2017
Eine phänomenale Vorstellung von Magnus. Wie ich schon während der Runde gesagt habe, sah es aus, als wenn alle anderen blitzen, und Magnus Schach spielen würde! --- Garry Kasparov
Jobava's Alptraum ging hingegen weiter. Die Kommentatoren Pontus Carlsson und Nigel Short vergruben ihre Gesichter (aber nicht deren Sorgen), denn sie konnten nicht glauben, was dem bemitleidenswerten Georgier passiert war:
Es schien als ob Luzifer selbst sein teuflisches Spiel mit Jobava trieb. Runde für Runde. Er fiel auf jeden Trick den es gibt herein und machte jeden Fehler den man nur machen kann. Nachdem er Carlsen´s Angriff abgewehrt hatte übersah er ein Matt (auch wenn die Alternative ein Damenverlust gewesen wäre).
Jobava fiel auf jeden Trick herein. | Foto: Maria Emelianova
In der vorletzten Runde verlor MVL eine wichtige Partie um den zweiten Gesamtplatz gegen Ivanchuk. Der Franzose war sich nicht aller Feinheiten in der Panov Eröffnung bewußt und verlor schnell eine Qualität. Seine Verbesserung aus der berühmten Fischer-Euwe Partie von 1960 in Leipzig erwies sich nicht wirklich als eine solche.
Das Duell So gegen Carlsen in der letzten Runde hatte keine Bedeutung mehr. Nach einigen Eröffnungs-Abenteuern endete die Partei dann auch schnell in einem friedlichen Remis.
Direkt nach der letzten Runde wurden die Spieler auf die Bühne gerufen und nach kurzen Reden des Bürgermeisters, Kasparovs und des Sponsors stellte Maurice Ashley noch einige Fragen Carlsen. Der Weltmeister gab sich erstaunlich Schüchtern und sagte mit einer leisen Stimme: "Es fühlt sich gut an - besser als letztes Jahr."
Die Frage ob er sich schon auf den Sinquefield Cup freue, beantwortete er mit den Worten: "Ich freue mich auf eine Pause."
Es war eines der Turnier in denen sich Carlsen selbst übertraf aber er benötigte all seine Kraft um das zu tun. Laut seinem Vater Henrik war sein Sohn "total ausgepumpt."
#GrandChessTour #smoothgate pic.twitter.com/gEUz7TJZCz
— Chess.com (@chesscom) July 2, 2017
Your Next Move (Leuven) Grand Chess Tour | Blitz, Abschlußtabelle
# | Land | Name | Rtg | Lstg | 1 | 2 | 3 | 4 | 5 | 6 | 7 | 8 | 9 | 0 | Punkte | SB |
1 | Carlsen | 2850 | 3014 | 0½ | 11 | ½1 | 1½ | 11 | 11 | 1½ | 1½ | 11 | 14.5/18 | |||
2 | Giri | 2760 | 2816 | 1½ | ½½ | 0½ | 0½ | ½0 | 1½ | 1½ | ½½ | 11 | 10.0/18 | 84.25 | ||
3 | MVL | 2789 | 2812 | 00 | ½½ | 00 | 11 | 01 | 10 | 11 | 01 | 11 | 10.0/18 | 76.50 | ||
4 | Kramnik | 2790 | 2793 | ½0 | 1½ | 11 | ½½ | ½0 | ½½ | ½½ | ½½ | 10 | 9.5/18 | 83.75 | ||
5 | Aronian | 2787 | 2793 | 0½ | 1½ | 00 | ½½ | ½1 | 10 | ½½ | 01 | 11 | 9.5/18 | 75.25 | ||
6 | Nepomniachtchi | 2767 | 2776 | 00 | ½1 | 10 | ½1 | ½0 | 10 | 0½ | ½1 | 1½ | 9.0/18 | |||
7 | Ivanchuk | 2755 | 2758 | 00 | 0½ | 01 | ½½ | 01 | 01 | ½½ | ½1 | ½1 | 8.5/18 | 67.25 | ||
8 | So | 2781 | 2756 | 0½ | 0½ | 00 | ½½ | ½½ | 1½ | ½½ | 10 | 11 | 8.5/18 | 66.25 | ||
9 | Anand | 2771 | 2738 | 0½ | ½½ | 10 | ½½ | 10 | ½0 | ½0 | 01 | 1½ | 8.0/18 | |||
10 | Jobava | 2706 | 2467 | 00 | 00 | 00 | 01 | 00 | 0½ | ½0 | 00 | 0½ | 2.5/18 |
Your Next Move (Leuven) Grand Chess Tour | Abschlußtabelle, Gesamtstand
# | Land | Name | Rtg | Lstg | Rapid | Blitz | Gesamt | Preis |
1 | Carlsen | 2851 | 2949 | 11 | 14,5 | 25,5 | $37,500 | |
2 | So | 2781 | 2826 | 14 | 8,5 | 22,5 | $25,000 | |
3 | Vachier-Lagrave | 2789 | 2839 | 12 | 10 | 22 | $20,000 | |
4 | Giri | 2764 | 2815 | 10 | 10 | 20 | $15,000 | |
5 | Kramnik | 2789 | 2788 | 9 | 9,5 | 18,5 | $11,250 | |
6 | Aronian | 2780 | 2788 | 9 | 9,5 | 18,5 | $11,250 | |
7 | Nepomniachtchi | 2766 | 2776 | 9 | 9 | 18 | $7,500 | |
8 | Anand | 2775 | 2738 | 8 | 8 | 16 | $7,500 | |
9 | Ivanchuk | 2757 | 2740 | 7 | 8,5 | 15,5 | $7,500 | |
10 | Jobava | 2703 | 2423 | 1 | 2,5 | 3,5 | $7,500 |
Für diese Tabelle wurde das eigene Rating System der Grand Chess Tour benutzt.
Alle Spieler mit Sponsor Jan Callewaert und Garry Kasparov. | Foto: Maria Emelianova
Bild: Spectrum Studios.
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