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Ein phänomenaler Carlsen gewinnt das Grand Chess Tour Event in Löwen

Ein phänomenaler Carlsen gewinnt das Grand Chess Tour Event in Löwen

PeterDoggers
| 0 | Berichterstattung von einem Schach-Event

Garry Kasparov, ein Mann der die Bedeutung des Wortes "dominieren" kennt, nannte es eine "phänomenale Leistung", mit der Magnus Carlsen das Your Next Move Grand Chess Tour Turnier im belgischen Löwen, bereits 2 Runden vor Turnierende gewonnen hatte.

Carlsen's Blitzleistung wird wohl in die Geschichtsbücher eingehen: 3014 nach 18 Partien! Das Turnier schaffte ihn aber so sehr, dass er bei der Siegerehrung kaum mehr Kraft hatte um sich zu freuen.

Magnus Carlsen neben Maurice Ashley bei der Siegerehrung. | Foto: Maria Emelianova.

Nigel Short hatte das heutige Ergebniss mehr oder weniger vorausgesehen, als er sagte: "Ich wäre überrascht, wenn Magnus Carlsen noch aufgehalten werden würde."

Carlsen verlor heute nicht eine Partie, erzielte 7 von 9 möglichen Punkten (einen halben Punkt weniger als Gestern) und erreichte eine Blitz-Leistung von über 3000. Seine neue Blitz-ELO, die am 1. August veröffentlich werden wird, wird nur 3 Punkte unter der 3000er Marke liegen!

Wesley So, der nach 9 Runden noch gemeinsam mit Carlsen die Tabelle anführte, schaffte es sogar, diese nach 10 Runden alleine anzuführen, denn Carlsen spielte gegen Anand nur Remis während der Amerikaner gegen Baadur Jobava gewinnen konnte.

Es war ein Musterbeispiel wie Schwarz einen geschlossenen Sizilianer spielen sollte, mit dem kleinen Schönheitsfehler, dass Weiß bereits sehr früh in der Partie alle Brücken hinter sich abbrach und die Partie deswegen wohl doch nicht in Lehrbüchern auftauchen wird.

5-year-old Oliver from Temse, Belgium was allowed
to make Carlsen's first move against Anand today.

Der 5 Jahre alte Oliver aus dem belgischen Temse durfte

den ersten Zug für Carlsen ausführen.

Und was war mit Maxime Vachier-Lagrave, der doch in Paris noch brilliant geblitzt hatte, los? Tja, auch er war noch nicht komplett aus dem Rennen, denn auch er gewann seine Auftaktpartie gegen Levon Aronian. Nachdem er sich aus einer schlechten Stellung befreien konnte war sein Endspiel ein Musterbeispiel für Königsaktivität.

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MVL zwischen 2 Weltmeistern. | Foto: Maria Emelianova

So's Führung war aber nur von kurzer Dauer, denn er verlor seine nächste Partie gegen Anand. Es war eine von Anand's besten Blitz-Partien und nicht einmal die Computer fanden ab einem bestimmten Zeitpunkt noch ein Remis für So.

Anand hatte es gesehen und dachte sich: "Mit so vielen Springern auf dem Brett kann es kein Dauerschach geben," aber als er seinen Turm auf a8 zog, gab es doch ein Dauerschach! So hatte es aber nicht gefunden...

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So konnte seine Tabellenführung nicht lange auskosten. | Foto: Maria Emelianova

Carlsen übernahm derweil mit seinem Sieg gegen Vladimir Kramnik, der mit einem aggressiven Figurenopfer Selbstmord beging, die Tabellenführung.

nullKramnik gibt seine Partie gegen Carlsen auf. | Foto: Maria Emelianova

Vassily Ivanchuk's letzter Turniertag war auch sein bester. Wenn man nur den heutigen Tag zählt, war Ivanchuk mit nur einem halben Punkt Rückstand auf Carlsen der zweitbeste Spieler.

Hier ist sein Sieg gegen Aronian, der allerdings eine Kombination nicht gesehen hatte, mit der er die Stellung hätte ausgleichen können.


Man könnte sagen, dass Carlsen in der 21. Runde das Turnier gewonnen hat. Er spielte gegen MVL eine wirklich außergewöhnliche Partie in der er zwar zuerst etwas schlechter stand, aber dann so erfinderisch weiterspielte, dass der Franzose einfach überfordert war.

"Ich habe alle Brücken hinter mir abgebrochen also musst ich weiter nach vorne marschieren," sagte Carlsen. "Er war nicht gut entwickelt, also war das Material nicht so wichtig. Ich wollte nur so aggressiv wie nur irgendwie möglich spielen."

Es war eine skurrile Partie und das nicht nur wegen dem vierten Zug von Weiß: 1.c4 e5 2.e3 Sf6 3.Sc3 Sc6 4.g4!?. Auch was darauf folgte war höchst unterhaltsam.

Short: "Eine brilliante Partie. Ich habe jede Sekunde genossen!"

Carlsen selbst: "Ich habe eine solche Partie selbst noch nie gesehen. Ich hatte diesen superstarken Bauern auf d6. Ohne diesen Bauern, hätte mein ganzes Spiel keinen Sinn ergeben."

nullEine der unterhaltsamsten Partien des Turniers. | Foto: Maria Emelianova

So erreichte gegen Kramnik nur ein Remis und lag damit schon einen ganzen Punkt hinter Carlsen zurück und Jobava ging es heute etwas besser als gestern, denn er konnte immerhin gegen Nepomniachtchi und Anand zwei Remis in Folge erzielen.

Aronian schlug nach einem Riesen-Fehler von Nepomniachtchi zurück:


In der 22. Runde kam Ivanchuk zu spät zu seiner Partie gegen Carlsen. Der Schiedsrichter wollte die Uhr zweimal starten aber Carlsen (der auch schon das eine oder andere Mal zu spät kommt) machte jedesmal eine Geste mit seiner Hand, die in etwa bedeutete "Wir warten noch".

Als Ivanchuk dann endlich am Tisch saß, spielte er die sehr seltene Eröffnung 1.e4 e5 2.Se2. Nach dieser Eröffnung, die nach Semyon Alapin (1856-1923) benannt ist, passierte eigentlich nicht viel, bis Ivanchuk im Endspiel einen Fehler machte. Kommentator Christian Chirila sagte dazu: "Carlsens Gegner machen Fehler und er selbst macht keine."

nullGiri und MVL teilten sich im Blitzturnier mit 10 von 18 möglichen Punkten den zweiten Platz. 4.5 Punkte hinter Carlsen.  | Foto: Maria Emelianova

In einer wichtigen Partie für den zweiten Gesamtrang gewann MVL gegen Wesley So mit dem Eröffnungszug 1.b3. "Ich spiele heute definitiv besser als gestern aber es reicht nicht um Magnus zu gefährden. Ich glaube gegen mich hat er besonders gut gespielt. Er hat wirklich ungewöhnliche Züge gefunden."

Carlsen lag fünf Runden vor Schluss mit 2 Punkten in Führung und baute diese nun auf 2.5 Punkte aus. Wesley So kam gegen Ivanchuk nicht über ein Remis hinaus während der Weltmeister gegen Nepomniachtchi, der eine einfache Grundlinientaktik zulies, gewinnen konnte:

In dieser Runde erzielte Jobava endlich seinen ersten (glücklichen) Sieg, und gleich nachdem er Kramnik geschlagen hatte wurde er natürlich von Maurice Ashley interviewt: 

"Ich habe nicht damit gerechnet hier eine Partie gewinnen zu können. Als erstes möchte ich über meine Vorbereitung gestern Abend sprechen. Wie ich schon sagte, erwartete ich ja Champagner von den Organisatoren, aber ich habe keinen bekommen, also habe ich alle Bars abgeklappert und mich dem belgischen Bier gewidmet. Das war eine sehr gute Idee. Danach habe ich wie ein Baby geschlafen und heute fühle ich mich richtig fit und ich spiele auch viel besser als die letzten Tage. Wenn jetzt noch ein paar Doppelrunden kommen würden, könnte ich vielleicht ein Comeback starten."

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Jobava gewann immerhin eine Partie in diesem Turnier. | Foto: Maria Emelianova

In der nächsten Runde schien Carlsen auf die selbe Art wie schon gestern gegen Aronian zu gewinnen. Er hatte ein vorteilhaftes Turmendspiel und Aronian hatte nur noch 5 Sekunden auf der Uhr. Aber dieses Mal lies Carlsen seine Chancen liegen und die Partie endete Remis.

Kramnik gewann gegen MVL, was auch Wesley So gefreut haben dürfte, der nun einen Punkt vor dem Franzosen, aber 2.5 Punkte hinter Carlsen lag. Vachier-Lagrave's Gambit, das dem Evans Gambit ähnelt, wird nur sehr selten gespielt (und das völlig zurecht).

In der 25. Runde remisierte Carlsen eine sehr ruhige Partie gegen Giri, aber das war genug um den Turniersieg unter Dach und Fach zu bringen, denn auch Wesley So kam gegen Aronian nicht über ein Remis hinaus. Jetzt hatte Carlsen 24 Punkte, So 21.5 und MVL 21.

Kasparov lobte den Gewinner und postete dieses Lob später auch auf Twitter:

Jobava's Alptraum ging hingegen weiter. Die Kommentatoren Pontus Carlsson und Nigel Short vergruben ihre Gesichter (aber nicht deren Sorgen), denn sie konnten nicht glauben, was dem bemitleidenswerten Georgier passiert war:

Es schien als ob Luzifer selbst sein teuflisches Spiel mit Jobava trieb. Runde für Runde. Er fiel auf jeden Trick den es gibt herein und machte jeden Fehler den man nur machen kann. Nachdem er Carlsen´s Angriff abgewehrt hatte übersah er ein Matt (auch wenn die Alternative ein Damenverlust gewesen wäre).

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 Jobava fiel auf jeden Trick herein. | Foto: Maria Emelianova

In der vorletzten Runde verlor MVL eine wichtige Partie um den zweiten Gesamtplatz gegen Ivanchuk. Der Franzose war sich nicht aller Feinheiten in der Panov Eröffnung bewußt und verlor schnell eine Qualität. Seine Verbesserung aus der berühmten Fischer-Euwe Partie von 1960 in Leipzig erwies sich nicht wirklich als eine solche.

Das Duell So gegen Carlsen in der letzten Runde hatte keine Bedeutung mehr. Nach einigen Eröffnungs-Abenteuern endete die Partei dann auch schnell in einem friedlichen Remis.

Direkt nach der letzten Runde wurden die Spieler auf die Bühne gerufen und nach kurzen Reden des Bürgermeisters, Kasparovs und des Sponsors stellte Maurice Ashley noch einige Fragen Carlsen. Der Weltmeister gab sich erstaunlich Schüchtern und sagte mit einer leisen Stimme: "Es fühlt sich gut an - besser als letztes Jahr."

Die Frage ob er sich schon auf den Sinquefield Cup freue, beantwortete er mit den Worten: "Ich freue mich auf eine Pause."

Es war eines der Turnier in denen sich Carlsen selbst übertraf aber er benötigte all seine Kraft um das zu tun. Laut seinem Vater Henrik war sein Sohn "total ausgepumpt."

Your Next Move (Leuven) Grand Chess Tour | Blitz, Abschlußtabelle

# Land Name Rtg Lstg 1 2 3 4 5 6 7 8 9 0 Punkte SB
1 Carlsen 2850 3014 11 ½1 11 11 11 14.5/18
2 Giri 2760 2816 ½½ ½0 ½½ 11 10.0/18 84.25
3 MVL 2789 2812 00 ½½ 00 11 01 10 11 01 11 10.0/18 76.50
4 Kramnik 2790 2793 ½0 11 ½½ ½0 ½½ ½½ ½½ 10 9.5/18 83.75
5 Aronian 2787 2793 00 ½½ ½1 10 ½½ 01 11 9.5/18 75.25
6 Nepomniachtchi 2767 2776 00 ½1 10 ½1 ½0 10 ½1 9.0/18
7 Ivanchuk 2755 2758 00 01 ½½ 01 01 ½½ ½1 ½1 8.5/18 67.25
8 So 2781 2756 00 ½½ ½½ ½½ 10 11 8.5/18 66.25
9 Anand 2771 2738 ½½ 10 ½½ 10 ½0 ½0 01 8.0/18
10 Jobava 2706 2467 00 00 00 01 00 ½0 00 2.5/18


Your Next Move (Leuven) Grand Chess Tour | Abschlußtabelle, Gesamtstand

# Land Name Rtg Lstg Rapid Blitz Gesamt Preis
1 Carlsen 2851 2949 11 14,5 25,5 $37,500
2 So 2781 2826 14 8,5 22,5 $25,000
3 Vachier-Lagrave 2789 2839 12 10 22 $20,000
4 Giri 2764 2815 10 10 20 $15,000
5 Kramnik 2789 2788 9 9,5 18,5 $11,250
6 Aronian 2780 2788 9 9,5 18,5 $11,250
7 Nepomniachtchi 2766 2776 9 9 18 $7,500
8 Anand 2775 2738 8 8 16 $7,500
9 Ivanchuk 2757 2740 7 8,5 15,5 $7,500
10 Jobava 2703 2423 1 2,5 3,5 $7,500

Für diese Tabelle wurde das eigene Rating System der Grand Chess Tour benutzt.

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Alle Spieler mit Sponsor Jan Callewaert und Garry Kasparov. | Foto: Maria Emelianova

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Bild: Spectrum Studios.


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Peter Doggers

Peter Doggers joined a chess club a month before turning 15 and still plays for it. He used to be an active tournament player and holds two IM norms. Peter has a Master of Arts degree in Dutch Language & Literature. He briefly worked at New in Chess, then as a Dutch teacher and then in a project for improving safety and security in Amsterdam schools. Between 2007 and 2013 Peter was running ChessVibes, a major source for chess news and videos acquired by Chess.com in October 2013. As our Director News & Events, Peter writes many of our news reports. In the summer of 2022, The Guardian’s Leonard Barden described him as “widely regarded as the world’s best chess journalist.”

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