Eröffnungstheorie im Schach960? Abdusattorov führt, Carlsen schließt zu Nakamura auf
Nodirbek Abdusattorov baute durch seine Siege über Hjorvar Gretarsson seine Führung in der Gruppe A der Schach960 WM 2022 aus und Magnus Carlsen konnte in der Gruppe B durch seine Siege mit Hikaru Nakamura gleichziehen.
Der letzte Tag der Gruppenphase, bei dem es zum mit Spannung erwarteten Duell zwischen Nakamura und Carlsen kommt, beginnt heute, am Donnerstag, dem 27. Oktober, um 17.00 Uhr.
Im Gegensatz zum Vortag wurde heute eine Stellung ausgelost, bei der sich nur die Läufer auf der f-Linie auf ihren "normalen" Ausgangsfeldern befanden.
Werfen wir einen Blick auf die wichtigsten Faktoren:
- Beide Spieler haben einen ungedeckten Bauern auf der a-Linie.
- Der König und der d-Turm beginnen auf Feldern, auf denen sie nach der langen Rochade eh stehen würden. Werden die Spieler Zeit sparen und sie einfach dort belassen, wo sie sind?
- Die Läufer beginnen im Zentrum und zielen deshalb auf die Flügel.
- Die Engine bewertet diese Stellung mit +0.19
Bei Eröffnungen im Schach960 gibt es 2 Ansätze:
A) Man besetzt mit den Bauern das Zentrum, konzentriert sich auf die typischen Eröffnungsprinzipien und versucht so schnell wie möglich eine möglichst bekannte Stellung zu erreichen.
B) Man nutzt die einzigartigen Eigenschaften der Stellung, um frühzeitig Druck ausüben zu können und konzentriert sich auf das Öffnen von Diagonalen für die Läufer und unkonventionelle Angriffe auf unerwartete Schwachstellen in der gegnerischen Stellung.
In der Partie Fedoseev gegen Nakamura, unserer Partie des Tages, sehen wir, wie diese beiden Ansätze gegeneinander konkurrieren. Fedoseev versucht, die Partie in bekannte Gefilde zu lenken, während Nakamura versucht, die Stellung aus dem Gleichgewicht zu bringen und ein ungewöhnliches Gegenspiel zu schaffen.
Ian Nepomniachtchi entschied sich gegen Wesley So's Entscheidung, das Zentrum mit 1...d5 zu besetzen, für eine läuferorientierte Antwort, was zu einem dynamischen Kampf führte.
Insgesamt gewann Nepomniachtchi am zweiten Tag drei Partien und liegt damit in der Gruppe A auf dem zweiten Platz.
Auch in der zweiten Anfangsstellung des Tages befand sich nur eine Figur auf ihrem natürlichen Feld: Der Turm auf der h-Linie.
Was können wir zu dieser Stellung sagen?
- Die d-Bauern sind nicht gedeckt.
- Die Könige und die f-Türme beginnen in einer kurzen Rochadestellung. Dies scheint nützlich zu sein, wenn man davon absieht, dass die h-Türme in der Ecke vergraben bleiben und wenig Zugang zum Zentrum haben. Werden die Spieler ihre h-Bauern vorziehen, um die Türme zu aktivieren, obwohl dies den Königsflügel öffnet?
- Ein Läufer beginnt auf der langen Diagonalen und zielt direkt ins Zentrum, sobald der b-Bauer zieht.
- Der andere Läufer beginnt im Zentrum und wird wahrscheinlich etwas länger brauchen, um die Partie beeinflussen zu können.
- Die Engine bewertet die Stellung mit +0.25. Es ist also die erste Stellung, in der Weiß einen größeren Anzugsvorteil als im klassischen Schach hat.
Entwickelt sich im Schach960 eine Eröffnungstheorie? Nach fünf Zügen hatten Carlsen und Abdusattorov mit Weiß genau dieselbe Stellung.
Hinter der Art und Weise, wie Carlsen und Abdusattorov ihre Figuren entwickelten, steckt eine konsequente Logik: Sie priorisieren lange Diagonalen für ihre Läufer und Damen. Trotz dieser malerischen Eröffnungsstellung fanden sich beide Spieler aber im Mittelspiel in herausfordernden Stellungen wieder. Abdusattorov schaffte es nach einem taktischen Schlagabtausch gegen Gretarsson zu gewinnen.
Abdusattorov hat an den ersten beiden Tagen das Maximum von 8 Punkten erspielt.
Carlsens Mittelspiel gegen Matthias Blübaum, das aus derselben Stellung entstanden war, war gekennzeichnet durch ein merkwürdiges Langzeit-Turmmanöver, bei dem der h-Turm ganze 16 Züge lang auf h5 stand, bevor er zum Damenflügel schwenkte, um einen schwachen Bauern zu gewinnen. Am Ende hielt der Weltmeister Doppelspringer-Endspiel mit Minusbauern Remis.
Durch seine beiden Matchsiege gegen Blübaum konnte Carlsen nach seiner Niederlage gegen Nakamura am Vortag wieder mit seinem Rivalen gleichziehen. In der letzten Runde werden sich die beiden dann erneut gegenüberstehen.
Nakamura und Fedoseev spielen alle vier Partien Remis, aber niemand konnte sich über einen Mangel an Kampfgeist oder langweilige Partien beklagen. In allen Partien stand einer der Spieler kurz vor einem Sieg und so auch in der letzten, in der Nakamura einen Einschlag mit Txf5 versuchte, aber Fedoseev die Partie trotzdem Remis halten konnte.
Die Tabellen nach dem 2. Tag
Die Schach960 Weltmeisterschaft wird Euch von der isländischen Regierung und der Stadt Reykjavik präsentiert. Top-Spieler aus der ganzen Welt spielen um einen Anteil am Preisgeld von $400.000 und den Titel des Schach960-Weltmeisters. Schach960 (auch bekannt als Fischer-Schach oder Fischer-Random) ist eine Schachvariante, bei der die Figuren zu Beginn in einer von 960 halb zufälligen Aufstellungen aufgestellt werden. Alle sonstigen Schachregeln bleiben gleich. Die vom 11. Weltmeister Bobby Fischer stark befürwortete Variante umgeht die Eröffnungsvorbereitung und hebt das wahre Schachverständnis der Spieler hervor.
Weitere Berichte von der Schach960 WM:
- Der erste Tag der Gruppenphase (deutsch)
- Opening Understanding vs. Counterstrike Ability: Bluebaum Defeats Navara (englisch)
- Quadruple Queens And Raining Rooks: Bluebaum, Navara Advance To Final (englisch)
- IM Pranav Overtakes GMs in Second Fischer Random Swiss (englisch)
- Fedoseev Triumphs In An 'Absolutely Different World' (englisch)
- Hansen Dances to 4-0, Fedoseev Fights to Final (englisch)
- Sevian Refuses Last-Round Draw Offer, Wins Fischer Random Swiss (englisch)
- Ankündigung der Schach960 Weltmeisterschaft (deutsch)