FIDE Chess.com Grand Swiss Runde 8: Firouzja baut die Führung aus und ist jetzt die Nummer 4 der Welt
Alireza Firouzja steht kurz davor, sich für das Kandidatenturnier 2022 zu qualifizieren. Der 18-jährige Nachwuchsstar konnte auch in der achten Runde des FIDE Chess.com Grand Swiss gewinnen und führt jetzt mit einem ganzen Punkt Vorsprung vor nicht weniger als 10 punktgleichen Spielern. Mit dem heutigen Sieg verdrängte Firouzja auch den WM-Herausforderer Ian Nepomniachtchi vom vierten Platz der Weltrangliste.
Im Damenturnier gibt es nur einen Startplatz für das Kandidatenturnier zu gewinnen und die große Favoritin auf diesen Platz ist die Chinesin Lei Tingjie, die heute ebenfalls gewinnen konnte.
Alle Partien und die Live-Übertragung findet Ihr hier: FIDE Chess.com Grand Swiss | FIDE Chess.com Damen Grand Swiss
Ganz hat er es noch nicht geschafft und in der nächsten Runde steht immerhin das Duell gegen Fabiano Caruana auf dem Programm, aber wenn Firouzja diese Partie nicht verliert, ist ihm die Qualifikation für das Kandidatenturnier 2022 kaum noch zu nehmen. Das wäre auch eine willkommene Abwechslung für die vielen neutralen Schachfans und natürlich ein Grund zum Feiern für seine Fans, die in dem Frankoiraner schon künftigen Weltmeister sehen.
Den Vorteil, zwei Weißpartien hintereinander zu haben (was bei Schweizer System Turnieren nichts Ungewöhnliches ist), nutzte Firouzja voll aus. Sein Sieg gegen Krishnan Sasikiran war sehr überzeugend, obwohl der Inder nach einer Ungenauigkeit in der Eröffnung kaum eine Chance hatte.
In seinem Interview sagte Firouzja, er habe sich eine härtere Partie erwartet: "Normalerweise ist er ein sehr guter Theoretiker und weiß, was er spielt, aber diesmal hat er wohl die Zugreihenfolge in der Eröffnung verwechselt. Er hat einige Dinge vergessen. Wenn Du diese Variante nicht sehr genau spielst, wird es sehr gefährlich."
Nach der zweifelhaften Neuerung 13…f5 bekam Firouzja den Vorteil geschenkt, aber selbst, nachdem er seine Dame gegen zwei Leichtfiguren und einen Turm getauscht hatte, musste er weiterhin vorsichtig sein: "All diese Top-Spieler sind sehr einfallsreich und deshalb muss man bis zum Schluss sehr präzise sein und einen kühlen Kopf bewahren."
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Firouzja war etwas überrascht, als ihm mitgeteilt wurde, dass er nun in der Live-Weltrangliste die Nummer 4 der Welt ist. "Bin ich das? Ich wusste es nicht“, reagierte er mit einem Lächeln. "Ich wusste, dass ich die Nummer fünf, sechs war. Ja, klar, es ist gut wenn ich meine Wertung verbessere, aber es sind auch noch viele Runden zu spielen."
Viele der älteren Fans freuen sich zu sehen, dass der 49-jährige Alexei Shirov immer noch mit den weltbesten Spieler mithalten kann. Gegen Maxime Vachier-Lagrave verließ er sich wieder auf seine Lieblingsvariante mit ...Lc5 in der spanischen Eröffnung und bekam eine ordentliche Stellung. MVL versuchte zwar Druck auszuüben, aber nachdem die Spieler ein Bauernendspiel erreicht hatten, einigten sie sich schnell auf ein Remis.
Die Nummer 2 der Welt, Caruana, schaffte es, den Schweden Nils Grandelius nach einer langen und schwierigen Partie im Endspiel zu besiegen. Die Partie hat ihm so viel Energie geraubt, dass Caruana danach sogar alle Anfragen für Interviews ablehnte und daher kennen wir seine Einschätzung der Partie nicht. Unsere Kommentatoren hatten aber das Gefühl, dass Grandelius vielleicht etwas zu früh aufgegeben hat. Tatsächlich wird aber der weiße h-Bauer fallen und der schwarze h-Bauer sollte die Dinge bald entscheiden.
Für Caruana war dies ein sehr wichtiger Sieg, denn wenn er es morgen schafft, mit Weiß gegen Firouzja zu gewinnen, hätte er mit dem Führenden gleichgezogen.
Ein weiterer Spieler mit 5.5 Punkten auf seinem Konto ist Nikita Vitiugov, der gegen seinen Landsmann Pavel Ponkratov einen relativ lockeren Sieg erzielte. Laut des russischen Meisters war 15...Lf7 ein großer Fehler und bis zu diesem Zeitpunkt war die Partie komplex und zweischneidig. Die Engine findet jedoch ein schönes Bauernopfer, das Schwarz in der Partie gehalten hätte.
"Ich fühle mich einfach nur großartig", sagte Vitiugov, der nach dem Ruhetag zwei Partien in Folge gewann. "Es ist immer sehr schön, in einem Turnier mit einem solch hohen Niveau Partien zu gewinnen und jetzt habe ich sogar zweimal in Folge gewonnen. Das ist also sehr schön. Ein Ruhetag kann immer ein Wendepunkt sein, denn er gibt einem etwas Raum, etwas Zeit, um die Batterien wieder aufzuladen und so wie es aussieht, ist mir das sehr gut gelungen."
Auch David Anton, der kurz vor der Pandemie das Tata Steel Challengerturnier 2020 gewinnen konnte, ist einer der Spieler mit 5.5 Punkten. Der Spanier besiegte Vladimir Fedoseev, der schon früh in der Partie ungenau gespielt hatte.
"Ich glaube, er hat schon die Eröffnung falsch gespielt", sagte Anton. "Wenn ich mich nicht falsch erinnere, steht Schwarz nach 15.Df3 e4 schon besser. Ich denke, dass er nach 8...Sa5 und 11...c4 die Stellung im Grunde nicht gekannt hat. Es gibt aber einige Partien in dieser Stellung und er hätte hier mehr wissen sollen. Danach war es sehr angenehm für mich. Ich denke, nach 20 Zügen habe ich mehr oder weniger eine Gewinnstellung."
Sam Sevian hat in seinem ersten Turnier nach der US-Meisterschaft ebenfalls 5.5 Punkte auf seinem Konto. Auf die Frage, ob er nicht langsam genug vom Schach hätte, antwortete er: "Nein, nicht wirklich! Dies war meine 18. Partie innerhalb eines Monats und es fehlen ja noch drei."
Nach seinem Sieg über David Navara verbrachten die beiden Spieler fast eine halbe Stunde damit, sich die Partie nochmal anzusehen. Das passiert im Zeitalter der Computer nicht mehr so oft und daher war es schön zu sehen, wie die beiden Spieler danach ziemlich leidenschaftlich analysierten.
Die Großmeister Anton Korobov, Grigoriy Oparin und Alexandr Predke liegen ebenfalls auf dem geteilten zweiten Platz. Der letzte Name, der sich dieser Gruppe anschloss, war David Howell, der in seiner Partie gegen den aufstrebenden Russen Andrey Esipenko lange in Schwierigkeiten steckte, ihn aber am Ende doch noch besiegen konnte.
"Ich fühle mich wie immer. Ich scheine jeden Tag eine der längsten Partien zu spielen", sagte der Engländer nach seinem Sieg. "Ich bin aber natürlich auch erleichtert, weil ich die Eröffnung und dann sogar auch noch das Mittelspiel ziemlich schlecht gespielt habe. Aber nach dem 40. Zug hatte komischerweise eine ziemlich schöne Stellung. Ich will mich jetzt zwar nicht zu sehr über den Sieg freuen, aber später werde ich ihn schon noch feiern."
Howell, der seinen dritten Sieg in Folge erzielte, wies darauf hin, dass dieses Turnier ziemlich anstrengend ist und seine Abende hauptsächlich der Erholung dienen: "Normalerweise falle ich nachts wie ein Zombie ins Bett. Ich achte nie auf die Auslosung und sehe erst am Morgen nach, gegen wen ich spiele." Ich versuche frisch zu bleiben und ich denke, das ist mein Schlüssel zum Erfolg. Ich versuche einfach die Energie zu erhalten, weil ich weiß, dass ich jeden Tag sechs Stunden spielen werde."
Die Partie des Tages spielte aber Kirill Alekseenko an einem der hinteren Bretter:
Eine kleine Anekdote hat unsere Fotografin Maria Emelianova über die Partie zwischen Vladislav Artemiev und Hans Niemann zu erzählen:
Zuerst bot Niemann ein Remis an und Artemiev antwortete: "Ich will noch spielen". Fünf Züge später bot Artemiev Remis, aber jetzt antwortete Niemann: "Ich will noch spielen." Etwas später bot wieder Niemann Remis und bekam von Artemiev nur ein freundliches Lächeln als Antwort. Schließlich bot wieder Artemiev Remis und nachdem es Niemann angenommen hatte, sagte Artemiev: "Endlich!"
In der neunten Runde spielen an den vordersten Brettern: Caruana gegen Firouzja, Anton gegen Vachier-Lagrave, Shirov gegen Vitiugov, Howell gegen Korobov, Oparin gegen Predke und Harikrishna gegen Sevian.
Die Tabelle nach der 8. Runde (Top 20)
Platz | Gesetzt | Land | Titel | Name | Elo | Punkte | TB1 | TB2 | TB3 |
1 | 3 | GM | Firouzja, Alireza | 2770 | 6.5 | 35.5 | 38.5 | 30.5 | |
2 | 4 | GM | Vachier-Lagrave, Maxime | 2763 | 5.5 | 34.5 | 38.5 | 25.75 | |
3 | 1 | GM | Caruana, Fabiano | 2800 | 5.5 | 33.5 | 37.5 | 25.75 | |
4 | 26 | GM | Predke, Alexandr | 2666 | 5.5 | 32 | 35.5 | 22 | |
5 | 32 | GM | Shirov, Alexei | 2659 | 5.5 | 31 | 33.5 | 21.5 | |
6 | 20 | GM | Korobov, Anton | 2690 | 5.5 | 30.5 | 34 | 23.5 | |
7 | 5 | GM | Vitiugov, Nikita | 2727 | 5.5 | 30.5 | 33.5 | 23.5 | |
8 | 40 | GM | Sevian, Samuel | 2654 | 5.5 | 30.5 | 33.5 | 22.5 | |
9 | 34 | GM | Howell, David | 2658 | 5.5 | 29.5 | 32.5 | 21.5 | |
10 | 39 | GM | Oparin, Grigoriy | 2654 | 5.5 | 29.5 | 32 | 21.5 | |
11 | 33 | GM | Anton Guijarro, David | 2658 | 5.5 | 29.5 | 32 | 20.5 | |
12 | 89 | GM | Petrosyan, Manuel | 2605 | 5 | 36.5 | 39 | 23.5 | |
13 | 11 | GM | Yu Yangyi | 2704 | 5 | 35 | 38.5 | 23 | |
14 | 54 | GM | Sasikiran, Krishnan | 2640 | 5 | 34 | 36.5 | 21.25 | |
15 | 41 | GM | Nihal, Sarin | 2652 | 5 | 33.5 | 36 | 21.25 | |
16 | 38 | GM | Najer, Evgeniy | 2654 | 5 | 32.5 | 35.5 | 20.25 | |
17 | 27 | GM | Sargissian, Gabriel | 2664 | 5 | 31 | 34.5 | 21 | |
18 | 44 | GM | Sarana, Alexey | 2649 | 5 | 30.5 | 33.5 | 21 | |
19 | 28 | GM | Sjugirov, Sanan | 2663 | 5 | 30 | 33.5 | 21 | |
20 | 63 | GM | Shevchenko, Kirill | 2632 | 5 | 30 | 32 | 17.25 |
(Die gesamte Tabelle findet Ihr hier.)
Bei den Damen haben wir eine ähnliche Ausgangslage. Genau wie Firouzja bei den Herren führt Lei Tingjie das Feld mit einem ganzen Punkt Vorsprung an. Der große Unterschied ist aber, dass es bei den Damen nur einen Startplatz für das Kandidatenturnier zu gewinnen gibt.
Aufgrund ihrer komfortablen Führung wollte die Chinesin eigentlich auf Nummer Sicher gehen und entschied sich gegen die französische Verteidigung von Alina Kashlinskaya für die Abtauschvariante. Im Mittelspiel erspielte sich die Lei dann aber trotzdem einen Vorteil, überspielte ihre Gegnerin und gewann die Partie:
Da die anderen Partien an den Spitzenbrettern alle Remis endeten, hat sich die Tabellensituation kaum geändert. Elisabeth Pähtz liegt weiterhin auf dem zweiten Platz und hat einen halben Punkt Vorsprung auf zwei punktgleiche Russinnen. Neben Alexandra Kosteniuk ist dies aber jetzt Natalia Pogonina, die ihre Landsfrau Kashlinskaya durch einen Sieg vom dritten Platz verdrängen konnte:
Die Tabelle nach der 8. Runde (Top 20)
Platz | Gesetzt | Land | Titel | Name | Elo | Punkte | TB1 | TB2 | TB3 |
1 | 7 | GM | Lei Tingjie | 2505 | 7 | 33 | 36.5 | 31 | |
2 | 12 | IM | Pähtz, Elisabeth | 2475 | 6 | 38 | 42 | 30.75 | |
3 | 3 | GM | Kosteniuk, Alexandra | 2518 | 5.5 | 34.5 | 37.5 | 25 | |
4 | 13 | WGM | Pogonina, Natalija | 2467 | 5.5 | 34 | 37 | 23.5 | |
5 | 2 | GM | Dzagnidze, Nana | 2524 | 5 | 37.5 | 41.5 | 24.75 | |
6 | 10 | GM | Batsiashvili, Nino | 2484 | 5 | 37.5 | 41 | 23.75 | |
7 | 15 | WGM | Zhu Jiner | 2455 | 5 | 35.5 | 38.5 | 22.5 | |
8 | 4 | GM | Harika, Dronavalli | 2511 | 5 | 34 | 37 | 22.25 | |
9 | 1 | GM | Muzychuk, Mariya | 2536 | 5 | 33.5 | 37 | 22.75 | |
10 | 34 | IM | Assaubayeva, Bibisara | 2400 | 5 | 33.5 | 37 | 22 | |
11 | 18 | IM | Javakhishvili, Lela | 2446 | 5 | 33 | 36 | 20.5 | |
12 | 8 | IM | Kashlinskaya, Alina | 2493 | 5 | 31 | 34 | 18.5 | |
13 | 20 | IM | Badelka, Olga | 2438 | 5 | 30.5 | 32.5 | 18.5 | |
14 | 37 | WGM | Cori, Deysi | 2382 | 5 | 27 | 27 | 14 | |
15 | 22 | WGM | Zawadzka, Jolanta | 2428 | 4.5 | 33 | 36 | 17.25 | |
16 | 21 | IM | Munguntuul, Batkhuyag | 2433 | 4.5 | 30 | 33 | 16.75 | |
17 | 23 | IM | Osmak, Iulija | 2423 | 4.5 | 29 | 32 | 16 | |
18 | 27 | GM | Girya, Olga | 2410 | 4.5 | 28.5 | 31.5 | 15.75 | |
19 | 11 | GM | Stefanova, Antoaneta | 2475 | 4.5 | 28.5 | 31.5 | 15.5 | |
20 | 9 | IM | Saduakassova, Dinara | 2491 | 4.5 | 28 | 31.5 | 17 |
(Die gesamte Tabelle findet Ihr hier.)
In der neunten Runde spielen an den Spitzenbrettern: Kosteniuk gegen Lei, Muzychuk gegen Pähtz und Zhu gegen Pogonina.
Alle Turnierpartien findet Ihr hier: FIDE Chess.com Grand Swiss | FIDE Chess.com Damen Grand Swiss.
Das FIDE Chess.com Grand Swiss Turnier und das Damen Grand Swiss Turnier finden vom 27. Oktober bis 7. November 2021 in Riga, Lettland, statt. Das Format ist ein 11-Runden-Turnier nach Schweizer System. Die Bedenkzeit im offenen Turnier beträgt 100 Minuten für die ersten 40 Züge, dann 50 Minuten für die nächsten 20 Züge und schließlich 15 Minuten für den Rest der Partie, mit einem 30-Sekunden-Inkrement ab dem ersten Zug. Bei den Damen sind es 90 Minuten für die ersten 40 Züge, gefolgt von 30 Minuten für den Rest der Partie und ebenfalls ein 30-Sekunden-Inkrement ab dem ersten Zug. Die beiden Erstplatzierten im Open und die Siegerin bei den Damen qualifizieren sich für die jeweiligen Kandidatenturniere 2022.
Weitere Berichte aus Riga:
- Das FIDE Chess.com Grand Swiss findet trotz eines Lockdowns in Lettland statt
- Runde 1: Caruana und Firjouza unter den Siegern
- Runde 2: Firouzja, Predke und Saric mit 2 aus 2
- Runde 3: Firouzja gewinnt erneut
- Runde 4: Firouzja weiter in Führung
- Runde 5: Najer und Shirov holen Firouzja ein
- Runde 6: MVL und Sasikiran schließen zu den Führenden auf
- Runde 7: Firouzja führt wieder alleine