FIDE Grand Prix Berlin: Nakamura und So stehen im Finale
Hikaru Nakamura stand bereits nach dem Erreichen des Playoffs gegen Shakhriyar Mamedyarov als Gesamtsieger des FIDE Grand Prix 2022 fest und konnte deshalb beim Schnellschach befreit und ohne Druck aufspielen und beide Partien gewinnen. Durch diese beiden Siege hat er auch Weltmeister Magnus Carlsen vom ersten Platz der Weltrangliste im Schnellschach verdrängt.
Das zweite Playoff zwischen Amin Tabatabaei und Wesley So war eine wilde Angelegenheit und besonders die zweite Partie hätten beide Spieler gewinnen können. Am Ende hatte aber So beide Partien gewonnen und das rein amerikanische Finale perfekt gemacht.
Das Finale beginnt am Samstag, dem 2. April, um 15.00 Uhr.
Alle Partien des FIDE Grand Prix findet Ihr auf unserer Event-Seite. Die deutschsprachigen Übertragungen mit Kommentaren von IM Steve Berger findet Ihr auf Twitch, YouTube, ChessTV und Chess.com/Events. Die englischsprachige Übertragung auf unserem YouTube-Kanal Chess.com Live.
Obwohl wir noch nicht wissen, ob Nakamura oder So zum König des dritten Grand-Prix Turniers gekrönt wird, steht aber bereits fest, dass sich Tabatabaei den Titel des "Prinzen von Berlin" verdient hat.
Nakamura-Mamedyarov
Dies war also das Playoff, das Nakamura angestrebt und Mamedyarov vermeiden wollte. Obwohl die beiden Partien sehr spannend waren, wurde schnell klar, warum die Spieler vor den heutigen Partien so unterschiedliche Gedanken über das Playoff hatten.
Schnellschach - Partie 1: Nakamura-Mamedyarov
Wenn es um Blitz- und Schnellschach geht, verfügt Nakamura über ein ganzes Arsenal an interessanten Ideen, die er in Tausenden von Online-Partien getestet hat.
In seiner Weißpartie eröffnete er mit dem Nimzowitsch-Larsen-Angriff: 1.Sf3, gefolgt von 2.b3. Wie sehr oft führten diese Züge aber zur Zukertort-Variante des Colle-Systems. Diese Variante führt zu geschlossenen und dynamisch ausgeglichenen Stellungen, bei denen Schwarz, wenn er mit den Stellungen nicht vertraut ist, schneller als man denken könnte, in ernsthafte Schwierigkeiten geraten kann. Natürlich war Mamedyarov diese Eröffnung aber nicht fremd und er konnte problemlos ausgleichen. Und nach Nakamuras verwegenem Zug 14.g4 stand Schwarz dann sogar etwas besser.
Das Mittelspiel war unglaublich spannend und Mamedyarov schien ein gefährliches Spiel gegen Nakamuras König generiert zu haben. Er lehnte sogar eine Zugwiederholung ab und erspielte sich eine Stellung, die der Computer als gewonnen betrachtete. Aber Nakamura hielt dagegen, fand ständig neue Drohungen und als die Bedenkzeit des aserbaidschanischen Großmeisters fast abgelaufen war, brach er zusammen und Nakamuras Figuren fielen wie ein Rudel hungriger Wölfe über den schwarzen König her.
Schnellschach - Partie 2: Mamedyarov-Nakamura
Für das Must-Win-Szenario kehrte Mamedyarov zur englischen Eröffnung zurück, die ihm bei diesem Event so gute Dienste geleistet und mit der er in der Gruppenphase eine brillante Partie gegen den Mainzer Vincent Keymer gewonnen hatte.
Obwohl Nakamura nach der Partie sagte, er habe den Morgen damit verbracht, Filme anzusehen, anstatt sich auf das Playoff vorzubereiten (oder war dies vielleicht ein Aprilscherz des Amerikaners?), schien Nakamura auf Mamedyarovs Eröffnung bestens vorbereitet zu sein.
Durch präzises Spiel gelang es Mamedyarov, sich ein nettes kleines Plus aufzubauen und nach dem exzellenten Zug 17.Sxc6 hätte Nakamura ernsthaft ins Hintertreffen geraten können, aber leider setzte Mamedyarov danach alles andere als genau fort. Zuerst verspielte er seinen Vorteil, dann den Ausgleich und schließlich musste Nakamura nur noch ein paar genaue Züge finden, um auch die zweite Partie zu gewinnen.
So-Tabatabaei
Wenn So nach seinem Kollaps in der zweiten klassischen Partie verunsichert gewesen wäre, wäre das vollkommen verständlich gewesen. Es kommt nicht oft vor, dass er auf eine solche Weise zusammenbricht. Tabatabaei hingegen muss nach dieser Partie und nach dem gesamten bisherigen Turnierverlauf, bei dem er gleich mehrere Siege gegen 2700-Großmeister errungen hat, ermutigt gewesen sein. Was sollte ihn jetzt noch aufhalten?
Nun, So hatte aber nicht vor, sich ein weiteres Mal überrollen zu lassen.
Schnellschach - Partie 1: Tabatabaei-So
In der zweiten klassischen Partie des Halbfinals hatte Tabatabaei erkannt, wie wichtig es ist, So's gut geölte und hervorragend vorbereitete Maschinerie von Anfang an mit einigen radikalen Ideen ins Stocken zu bringen. Wie So nach dem Playoff sagte: "Er hatte all diese kleinen Tricks in der Eröffnung vorbereitet und das war ziemlich nervig."
Für die erste Partie hatte Tabatabaei eine superscharfe Version des Jobava London mit 4.e4 vorbereitet, was die Stellung sofort aus dem Gleichgewicht bringt. Offensichtlich wollte er seinen Gegner von Anfang an verunsichern. Obwohl Schwarz einige vielversprechende Optionen hatte, war schnell klar, dass sein kleines Experiment funktioniert hat, dann als die Spieler ein damenloses Mittelspiel erreichten, hatte Weiß die besseren Chancen. Doch gerade das Fehlen der Damen schien Tabatabaei den Wind aus den Segeln genommen zu haben. Langsam aber sicher schlichen sich bei Weiß Fehler ein und Schwarz konnte sich einen Vorteil erspielen. Und sobald So die Kontrolle über die Stellung hatte, brachte er den vollen Punkt konsequent und unbarmherzig nach Hause.
Schnellschach - Partie 2: So-Tabatabaei
So war vor dieser Partie sicher ein wenig nervös. Schließlich stand er ja im Tiebreak der Gruppenphase gegen Sam Shankland schon völlig auf Verlust, obwohl er nur ein Remis benötigt hatte und auch am zweiten Tag des Halbfinales gegen Tabatabaei hätte ihm ein Remis gereicht und diese Partie hat er ja dann bekanntermaßen sogar wirklich verloren. Und wenn wir uns an das erste Grand Prix Turnier in Berlin erinnern: Auch dort hatte So die zweite Playoff Partie gegen Leinier Dominguez Perez verloren und musste seinem Landsmann den sicher geglaubten Platz im Halbfinale überlassen.
In der Partie zeigte sich dann auch, dass diese Geschehnisse nicht spurlos an Wesley vorübergegangen waren.
In der klassischen Variante der Königsindischen Verteidigung hatte der amerikanische Großmeister dann plötzlich einen Moment göttlicher Inspiration oder einen Nervositätsanfall, als er mit 11.g4 nach vorne stürmte. Das war zwar ein ausgezeichneter Zug, aber er brachte die Partie sicher nicht auf die Flugbahn, die So ansteuern wollte. Die Dinge wurden sehr bald sehr chaotisch und es war ein kleines Wunder, dass Weiß das Mittelspiel überlebte. Selbst als die Spieler das Endspiel erreicht hatten, hatte Schwarz immer noch hervorragende Gewinnchancen, doch im Rauch der Zeitnot verzogen sich die schwarzen Chancen in den Berliner Abendhimmel und am Ende konnte So die Partie sogar gewinnen.
Nach dem Playoff war Wesley So voll des Lobes für seinen Gegner: "Es war ein sehr hartes Match. Mein junger Gegner hat sich wirklich gut gekämpft und besser gespielt als ich."
Der Turnierbaum
Alle Playoff Partien
Der FIDE Grand Prix in Berlin ist das dritte und letzte Turnier des FIDE Grand Prix 2022. Es findet vom 22. März bis um 4. April statt. Die Partien beginnen jeden Tag um 15.00 Uhr.
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