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FIDE Grand Prix Berlin Runde 6: Nakamura steht im Halbfinale
Oparin-Wojtaszek: Eine der dramatischsten Wendungen der sechsten Runde. Foto: WorldChess.

FIDE Grand Prix Berlin Runde 6: Nakamura steht im Halbfinale

VSaravanan
| 1 | Berichterstattung von einem Schach-Event

In der letzten Runde der Gruppenphase des FIDE Grand Prix in Berlin bekamen wir wahre Dramen zu sehen. Der Tag war von Nervosität geprägt und viele Spieler mussten nicht nur gegen ihre Gegner, sondern auch gegen ihre eigenen Nerven kämpfen. Am Ende des Tages stand aber fest, dass Hikaru Nakamura neben Levon Aronian ins Halbfinale einzieht.

Sowohl Radoslaw Wojtaszek in Gruppe B als auch Wesley So in Gruppe D hätten sich mit Siegen ebenfalls fürs Halbfinale qualifizieren können, aber beide übersahen Gewinnmöglichkeiten und müssen nun gegen Richard Rapport bzw. Leinier Dominguez ins Schnellschach-Playoff. Noch schlimmer kam es aber für Andrey Esipenko und Vladimir Fedoseev, denen in klaren Gewinnstellungen die Nerven versagten und die deshalb bereits die Heimreise antreten müssen.

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Alle Partien des FIDE Grand Prix findet Ihr auf unserer Event-Seite. Die deutschsprachigen Übertragungen mit Kommentaren von IM Elisabeth Pähtz findet Ihr auf Twitch, YouTube, ChessTV und Chess.com/Events. Die englischsprachige Übertragung auf unserem YouTube-Kanal Chess.com Live.
Hier seht Ihr eine Aufzeichnung der Übertragung der sechsten Runde:


In der sechsten Runde gab es Momente, in denen die Spannung auf allen entscheidenden Brettern den Siedepunkt erreicht hatte. Mit "entscheidend" meinen wir die Bretter, bei denen es um die Qualifikation fürs Halbfinale, oder zumindest um die Qualifikation für die Playoffs ging.

Wojtaszek hatte sich mit seinem ausgeprägten Gespür für positionelle Grundlagen einen enormen Vorteil erarbeitet, und es galt nur noch, mit geradlinigem Spiel vorzugehen und den gegnerischen König im Zentrum anzugreifen. Mit welchem Zug hätte er hier den weißen König offenlegen können?

Esipenko hatte sich zu diesem Zeitpunkt gegen Nakamura eine nahezu gewonnene Stellung erspielt und er hätte die Sache forcieren können, wenn er ein verstecktes kombinatorisches Element in der Stellung entdeckt hätte. Wer kann das Motiv erkennen und findet Gewinnzug für Weiß?

Auch Wesley So hatte sich zu diesem Zeitpunkt durch sein übliches logisches Spiel einen beträchtlichen Vorteil aufgebaut, aber jetzt er musste zwischen vielen plausiblen Plänen wählen und den entscheidenden Weg finden, um voranzukommen – wobei er aber auch der Sicherheit seines eigenen Königs nicht vernachlässigen durfte. Was ist hier der beste Zug? 29.Lh3, 29.Tc7 oder 29.Dc5?

Fedoseev dominierte fast das gesamte Mittelspiel über die c-Linie, aber jetzt droht Rapport mit einem Gegenspiel am Königsflügel. Sollte er sich mit 43.a3 auf den Damenflügel konzentrieren oder sollte er den prophylaktischen Zug 43.g3 in Betracht ziehen?

Und schließlich stand auch noch Dominguez, der sich im Mittelspiel geduldig einen Vorteil erspielt hatte, hier vor einem Scheideweg, da der schwarze Turm auf e2 droht, ein Gegenspiel zu schaffen. Wie sollte er reagieren?

Als die Partien in die vierte Spielstunde gingen, bemerkte Chess.com Kommentator Daniel Naroditsky: "Der Tag hat ruhig begonnen, aber jetzt werden viele der Partien scharf!"

Kurz gesagt erzählen die obigen Diagramme die Geschichte der gesamten letzten Runde der Gruppenphase. Die aufmerksamen Leser haben aber sicher erkannt, dass jeder Spieler, der in den obigen Stellungen eine Entscheidung treffen musste, unterschiedliche Vorteile genoss. Es ging also letztendlich darum, die Nerven im Zaum zu halten.


Gruppe A

In der Gruppe A war die Ausgangslage einfach: Esipenko lag einen halben Punkt hinter Nakamura und musste letzteren besiegen, um die Gruppe zu gewinnen und ins Halbfinale aufzusteigen. Dass er dabei mit Weiß spielen durfte, war sicherlich ein Vorteil.

Esipenko bereitet sich auf einen langen und harten Kampf mit hochgekrämelten Ärmeln vor. Foto: WorldChess.

So wie Nakamura bisher im Turnier gespielt hatte, schien der amerikanische Großmeister zunächst nicht ernsthaft in Gefahr zu sein. Aber in dieser Partie spielte Nakamura nicht optimal. Besonders in der Anfangsphase:

Als er nach der Partie über die Ressource 26...Sb6 informiert wurde, fand Nakamura die denkwürdige Antwort: "Computer. Computer! Das ist alles, was ich dazu sagen kann."

Computers. Computers! That is all I am going to say.

—GM Hikaru Nakamura

Abseits des ganzen Drucks zeigte Alexander Grischuk eine tolle Angriffspartie gegen Etienne Bacrot. Die Partie verlief zwar nicht ohne taktische Ungenauigkeiten, war aber dennoch unterhaltsam:

Grischuk-Bacrot: Eine gut geführte Angriffspartie des russischen Großmeisters. Foto: WorldChess.

Gruppe B

In dieser Gruppe hatten sogar noch drei Spieler eine theoretische Chance, sich für das Halbfinale zu qualifizieren. Mit einem Sieg in ihren Partien konnten sowohl Wojtaszek als auch Fedoseev auf den direkten Einzug ins Halbfinale hoffen. Aber auch Richard Rapport konnte mit einem Sieg das Playoff und mit sehr viel Glück sogar den Gruppensieg erreichen. Da war es natürlich kein Wunder, dass die Nerven aller Spieler extrem angespannt waren:

Die Partie zwischen Fedoseev und Rapport verlief ähnlich dramatisch:

Fedoseev-Rapport: Eine weitere intensive Partie. Foto: WorldChess.

Gruppe C

Die Partie zwischen Aronian und Dubov endete mit einem schnellen Remis. Allerdings hätte die Partie auch schon einen Zug früher enden können, denn nachdem sie die Stellung dreimal wiederholt hatten, spielten sie weiter - und wiederholten sie ein viertes Mal:

Im Interview nach der Partie erklärte Daniil Dubov den Vorfall: "Eigentlich war es Grischuks Schuld. Er hatte uns erklärt, dass Schwarz in der ersten Stellung noch lange rochieren hätte können, was bei den weiteren Wiederholungen aber nicht mehr der Fall war und deshalb war es nicht genau die gleiche Stellung. Also haben wir sie ein weiteres Mal wiederholt. Schließlich ist Grischuk ist der einzige Mann, der die Regeln kennt!"

Gleich nachdem er seine Partie beendet hatte, witzelte Aronian, als er im Interview nach der Möglichkeit gefragt wurde, im Halbfinale gegen einen anderen Amerikaner spielen zu müssen: "Sie sind alte Amerikaner, und ich bin ein neuer Amerikaner . Ich muss beweisen, dass ich so gut wie sie oder sogar noch besser sein kann."

They are old Americans, and I am a new American. I have to prove that I can be as good as them or even better.

—GM Levon Aronian

Gruppe D

Etwa nach der Hälfte der Spielzeit sah alles danach aus, dass Wesley So auf einen klaren Sieg gegen Harikrishna zusteuern würde. Dann aber spielten auch ihm die Nerven einen Streich und er musste sich mit einem Remis zufriedengeben.

Das bedeutete, dass Dominguez mit einem Sieg über Shirov So noch abfangen konnte:

Chess.com game of the day

Leinier Dominguez konnte seine Nerven im Zaum halten. Foto: WorldChess.

Ergebnisse

Alle Partien der 6. Runde

Der FIDE Grand Prix Berlin ist das erste von drei Turnieren. Es findet vom 4. bis zum 17. Februar statt. Die Partien beginnen jeden Tag um 15.00 Uhr.


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