FIDE Kandidatenturnier 2020: Giri jetzt alleiniger Zweiter
Anish Giri ist nach seinem Sieg über Ding Liren beim FIDE Kandidatenturnier jetzt alleiniger Zweiter und liegt nur noch einen halben Punkt hinter Ian Nepomniachtchi, der sich gegen Fabiano Caruana mit einem Remis zufriedengab.
Maxime Vachier-Lagrave verlor durch seine Niederlage gegen Alexander Grischuk viel Boden während sich Kirill Alekseenko und Wang Hao ebenfalls den Punkt teilten.
So könnt Ihr zusehen:
Das Kandidatenturnier könnt Ihr jeden Tag auf Chess.com/TV verfolgen.
Die deutschsprachige Übertragung mit den Kommentatoren IM Steve Berger und WIM Fiona Steil-Antoni könnt Ihr auf Twitch und YouTube ansehen.
Die Übertragung wird von Grip6 gesponsert. Wenn Ihr auf grip6.com/pages/chess den Code CHESS20 verwendet, bekommt Ihr auf alle Produkte 20% Rabatt.
Die neunte Runde beginnt am Dienstag, dem 20. April um 13 Uhr deutscher Zeit. Alle Partien findet Ihr hier auf unserer neuen Seite Chess.com/events. Alle Informationen über das Kandidatenturnier findet Ihr in unserem Info-Artikel.
Die Chess.com Übertragung der 11. Runde.
Auf dem Papier war die Partie Nepomniachtchi gegen Caruana die Partie des Tages: Der Spitzenreiter gegen einen seiner drei ärgsten Verfolger. Leider war es aber bereits nach dem dritten Zug von Weiß sehr wahrscheinlich, dass dieses Partie Remis enden würde. Und das tat sie auch.
Nepomniachtchi entschied sich für das schottische 4-Springer Spiel. Eine der solidesten Eröffnungen in der 1.e4 e5 Abteilung. Obwohl sich Caruana für die moderne Variante mit 9...Lg4 entschied, konnte er nicht verhindern, dass die Stellung knochentrocken blieb. Als dann nur noch die Schwerfiguren auf dem Brett waren und nach einer Ungenauigkeit im 23. Zug war es dann aber sogar der Amerikaner, der für das Remis arbeiten musste.
"Ich dachte, Ian könnte zwei Ideen haben: Entweder, wer will einen komplizierten Kampf bekommen oder er will eine mehr oder weniger sichere Stellung, mit sehr geringen Chancen, dass ich die Stellung vermassle, anstreben. Diese Variante führt aber zu 99 Prozent zu einem Remis, "sagte Caruana. "Ich habe es dann aber trotzdem geschafft, in Schwierigkeiten zu geraten. Sehr kleine, aber immerhin."
"Ehrlich gesagt war es nie genug, um auf etwas Ernsthaftes zu hoffen", sagte Nepomniachtchi über das Doppel-Turm-Endspiel. Zu seiner Wahl der Eröffnung bemerkte er: "Man könnte dies eine Turnierstrategie nennen, aber eigentlich hatte ich erwartet, dass Fabiano ein paar sizilianisch oder andere scharfe Eröffnungen spielen würde. In dieser Eröffnung hatte ich eigentlich eine kleine Idee, aber ich denke, ich habe sie ein wenig durcheinander gebracht."
Caruana hat es im Nachhinein nicht bereut, 1...e5 gespielt zu haben und sagte: "Wenn dies die letzte Runde gewesen wäre, hätte ich natürlich darüber nachgedacht, etwas Zweischneidigeres als 1.e4 e5 zu spielen. Nicht das 1.e4 e5 nicht auch zu sehr zweischneidigen Stellungen führen kann, aber es sind ja noch drei Runden zu spielen. Ich dachte: Warum sollte ich alle Brücken hinter mir abbrechen? Ich glaube nicht, dass dies eine Partie war, die ich unbedingt gewinnen musste.
Ich dachte: Warum sollte ich alle Brücken hinter mir abbrechen?
—Fabiano Caruana
Mit seinem Sieg näherte sich Giri dem führenden Nepomniachtchi bis auf einen halben Punkt. Praktisch ist es aber ein ganzer Punkt, denn es wird nicht ausreichen, dass der Holländer mit dem Russen gleichzieht. Der direkte Vergleich spricht nämlich für Nepomniachtchi und deshalb muss Giri einen halben Punkt mehr erzielen, um dieses Turnier zu gewinnen.
Wie ein weiser Mann einmal sagte, muss man zuerst zwei Partien gewinnen, bevor man eine dritte oder sogar vierte gewinnen kann. Giri nahm sich diese Weisheit zu Herzen und gewann seine zweite Partie.
Besonders seit der Wiederaufnahme des Turniers zeigt der niederländische Großmeister großartiges Schach, aber er war es selbst, der darauf hinwies, dass die erste Spielhälfte weniger überzeugend war:
"Ein paar Leute haben mir bereits gesagt, dass es eine großartige Partie war, aber ich denke nicht, dass sie so großartig war, wie es am Ende aussah. Irgendwann war er derjenige, der das ganze Spiel hatte und den Verlauf der Partie diktierte."
GM Ben Finegolds Analyse der Partie.
Giri entschied sich für eine verzögerte Abtausch-Variante in der spanischen Verteidigung, die als Steenwijker-Variante bekannt ist: Zuerst den Läufer auf a4 ziehen und dann schließlich doch den Springer auf c6 schlagen. Die Idee ist, dass es schwieriger ist, den e5-Bauern zu verteidigen, wenn Schwarz seinen Läufer bereits nach e7 gezogen hat.
Giri kombinierte diese alte Eröffnung mit einer sehr modernen Idee aus dem Anti-Berlin: Er manövrierte seinen Springer nach a5. Er hatte allerdings nicht erwartet, dass Schwarz einfach lang rochieren und seinen angegriffenen b7 Bauern mit dem König decken würde. "Ich hätte das natürlich vorhersehen müssen. Es ist eine sehr logische Fortsetzung," sagte Giri nach der Partie zur Presse und vielleicht auch schon während der Partie zu sich selbst.
Die Partie ging dann mit einigen logischen Zügen weiter, aber dann fand Ding den exzellenten Zug 17...f5! Es war klar, dass er eine gute Stellung hatte und Giri war sofort klar, dass er jetzt unter großem Druck stand. Schon kurz darauf beging der Chinese aber mit 20...g4 einen Fehler. Er hatte die Antwort auf diesen Zug einfach nicht gesehen.
Ab diesem Moment hatte Giri das Ruder in der Hand und steuerte geradewegs auf den vollen Punkt zu. Der neue Stil des neuen Giri? Als sein Sekundant Max Warmerdam die Live-Übertragung von Chess.com besuchte, schlug er diesen Zug vor:
"The piece sacrifice was not very typical Anish. But he has definitely changed a lot. It's hard to say what 'typical Anish' is, these days!" - @max_warmerdam #FIDECandidates https://t.co/nXoXNl646K
— ChesscomNews (@ChesscomNews) April 23, 2021
Giri nannte sein Springeropfer eine praktische Entscheidung: "Ich habe schon so viele dumme Opfer gespielt, dass dies sicher eines der besseren war. Die Stellung ist so einfach zu spielen und mein König steht so viel sicherer. Er hätte das Opfer natürlich nicht annehmen sollen, aber wenn Du schon am Leiden bist, willst Du manchmal wenigstens einen Grund dafür haben."
Ich habe schon so viele dumme Opfer gespielt, dass dies sicher eines der besseren war.
—Anish Giri
Vachier-Lagraves Chancen auf einen Turniersieg sind nach seiner zweiten Niederlage drastisch geschmolzen. Über den scharfen Sizilianer war er sicher glücklich gewesen, aber wie Vishy Anand während der Live-Übertragung auf Chess.com erklärte, fühlt sich nicht nur MVL, sondern auch Grischuk in solchen Stellungen wie ein Fisch im Wasser.
Als Grischuk seine Aggression am Königsflügel begann, reagierte Vachier-Lagrave nicht gut und nach 20.f5 sah die Stellung für Weiß sehr vielversprechend aus. MVL zeigte jedoch eine sehr hartnäckige Verteidigung und insbesondere der Zug 31 ... Td4 war richtig Klasse! Leider unterliefen ihm aber dann noch weitere Fehler und am Ende musste er seinem guten Freund und Gegner zum Sieg gratulieren.
Grischuk liegt nun gemeinsam mit Vachier-Lagrave auf dem vierten Platz und hat sogar noch theoretische Chancen auf den Turniersieg. "Natürlich sind meine Chancen mikroskopisch klein, aber solange es rechnerisch noch möglich ist, werde ich kämpfen," sagte er.
MVL: "Morgen bin ich wieder hier und spiele Schach und dann werden wir sehen was passiert."
Den längsten Kampf des Tages lieferten sich Alekseenko und Wang Hao. Obwohl die Eröffnung vielversprechend aussah, blieb die Stellung aber nach dem frühen ...g5 des Chinesen lange ruhig.
Irgendwann vermied Wang dann eine dreifache Stellungswiederholung aber dadurch wurde das Remis nur hinausgezögert. "Irgendwie dachte ich, dass ich Chancen haben würde, aber ok, das waren wohl keine echten Chancen," sagte er später.
Tabelle nach der 11. Runde
# | Land | Name | Elo | Lstg. | 1 | 2 | 3 | 4 | 5 | 6 | 7 | 8 | Punkte |
1 | Ian Nepomniachtchi | 2774 | 2869 | 1½ | ½½ | ½½ | 0 | 1 | ½1 | 1 | 7.0 | ||
2 | Anish Giri | 2763 | 2839 | 0½ | ½ | ½ | ½½ | ½1 | 1 | ½1 | 6.5 | ||
3 | Fabiano Caruana | 2842 | 2795 | ½½ | ½ | ½ | ½1 | ½ | 1½ | 0½ | 6.0 | ||
4 | Alexander Grischuk | 2777 | 2765 | ½½ | ½ | ½ | ½1 | ½½ | ½0 | ½ | 5.5 | ||
5 | Maxime Vachier-Lagrave | 2767 | 2782 | 1 | ½½ | ½0 | ½0 | ½ | ½ | 1½ | 5.5 | ||
6 | Wang Hao | 2762 | 2739 | 0 | ½0 | ½ | ½½ | ½ | ½½ | 1½ | 5.0 | ||
7 | Kirill Alekseenko | 2698 | 2722 | ½0 | 0 | 0½ | ½1 | ½ | ½½ | ½ | 4.5 | ||
8 | Ding Liren | 2805 | 2678 | 0 | ½0 | 1½ | ½ | 0½ | 0½ | ½ | 4.0 |
(Feinwertung: 1. Direkter Vergleich, 2. Anzahl der Siege, 3. Sonneborn-Berger.)
Die Paarungen der 12. Runde lauten: Caruana - Giri, Ding - Grischuk, Vachier-Lagrave - Alekseenko, Wang - Nepomniachtchi. Den gesamten Spielplan findet Ihr hier.
"You still have to do the job. The closer you get to it, the less you want to do that job. You want it to be over. That's the challenge, really." @vishy64theking on leading the #FIDECandidates.
— Chess.com (@chesscom) April 23, 2021
Anand is now LIVE with invaluable insights:https://t.co/sK5GtxMnW7#FIDECandidates pic.twitter.com/PteM5wrgbz
So verlief das Kandidatenturnier bisher:
- Runde 1: Wang und Nepomniachtchi gehen in Führung
- Runde 2: Ding verliert erneut
- Runde 3: Ding schafft gegen Caruana ein sensationelles Comeback
- Runde 4: Vachier-Lagrave vergibt eine große Chance
- Runde 5: Nepomniachtchi geht in Führung
- Runde 6: Nepomniachtchi baut seine Führung aus
- Runde 7: Vachier-Lagrave besiegt Nepomniachtchi und übernimmt die Führung
- Runde 8: Ein genial vorbereiteter Caruana holt auf
- Runde 9: Giri rückt auf den zweiten Platz vor
- Runde 10: Nepomniachtchi zieht dem Feld davon