FIDE WM Partie 2: Carlsen erreicht nach vielen Abenteuern ein Remis
Der amtierende Schachweltmeister Magnus Carlsen aus Norwegen und sein russischer Herausforderer Ian Nepomniachtchi standen sich heute in Dubai in der zweiten Partie der FIDE-Weltmeisterschaft 2021 gegenüber. Nach einigen Tricks in der Eröffnung und interessanten, aber nicht unbedingt genauen Zügen im Mittelspiel von Magnus und einigen zu schnellen Reaktionen des russischen Herausforderers endete die zweite Partie mit einem weiteren Remis. Die dritte Runde beginnt morgen, Sonntag, um 13:30 Uhr.
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Die gestrige Partie endete nach 45 Zügen Remis. Nepomniachtchi hatte einen leichten Eröffnungsvorteil erzielt, aber der Titelverteidiger konnte ihn im Mittelspiel, als beide Spieler aus der Vorbereitung waren und die Züge alleine am Brett finden mussten, bald ernsthaft unter Druck setzen. Carlsen hatte zwar eine Stellung erreicht, in der er sich sehr wohlfühlte und auch die Initiative ergriffen, aber Nepo neutralisierte alle Versuche des Weltmeisters mit präzisem Spiel im Endspiel (das normalerweise die große Stärke des Weltmeisters ist). Da beide Spieler in der Pressekonferenz sichtlich nicht begeistert von diesem Ergebnis waren, hofften die Zuschauer (und wahrscheinlich auch die beiden Spieler selbst) heute auf eine entscheidende Partie und in einigen Schlüsselmomenten sah es auch danach aus, aber letztendlich verhinderten die Verteidigungskünste der beiden erneut einen Sieg.
Sobald die beiden Spieler die Bühne betreten hatten, waren alle Augen auf Carlsen gerichtet. Mit welchem Zug würde er seine erste Partie mit Weiß eröffnen? Im Internet fanden alle möglichen Spekulationen über Magnus Eröffnungswahl statt. Wir erinnern uns, dass er sich 2018 in seiner ersten Partie mit Weiß gegen Fabiano Caruana für 1.d4 entschieden hatte. Würde er heute denselben Ansatz verfolgen, obwohl die Partie gegen Caruana Remis endete? Oder würde er vielleicht den Mut haben, 1.e4 zu spielen, wie es Nepo gestern getan hat und riskieren, in die Najdorf-Verteidigung und damit in die Komfortzone seines Gegners zu geraten? Chess.com Kommentator Daniel Rensch spekulierte sogar auf die englische Eröffnung mit 1.c4, oder eine Art Hybridkombination, die aus dem Zug 1.c4 hervorgehen würde.
Die Twitter-Follower von Chess.com hatten ihre eigene Meinung darüber, wie die Partie beginnen würde.
In 2018, @MagnusCarlsen played d4 as his first move with white. Will we see the same tomorrow or something different? 🤔 #CarlsenNepo
— Chess.com (@chesscom) November 26, 2021
Nepomnitchtchi antwortete mit 1. ...Sf6 und Carlsen setzte mit 2.c4 fort. Nach ein paar weiteren Zügen jedes Spielers fanden sie sich aber in einer klassischen Linie des Katalanen wieder. Eine Eröffnung, die Carlsen kürzlich häufig beim FIDE-Weltcup 2021 gespielt hat. Carlsen reagierte weiterhin sehr schnell und mit Zügen, mit denen der Russe sicher nicht gerechnet hatte, auf die Züge des Herausforderers. Das untermauerte die Meinung von Kommentator GM Fabiano Caruana, wie gut die Eröffnungsvorbereitung des Norwegers war, und er fügte hinzu: "Wenn Nepo weiterhin in Magnus' Vorbereitung mitspielt, wird es ihm eine Weile gut gehen, aber irgendwann wird er gegen den Computer spielen und das wird sicher nicht gutgehen."
"If Nepo continues to play into Magnus' preparation—he will be okay for a while—but soon he'll be playing into the computer and that surely won't be good for him."
"The truth is I'm more attracted to things where the evaluation is going against me."@FabianoCaruana is dropping brilliant insight and analysis at https://t.co/d7eYWvnVMF 😮#CarlsenNepo #FIDEmatch21 pic.twitter.com/Uiv2tMXq2t
— Chess.com (@chesscom) November 27, 2021
Im 11. Zug wurde klar, dass Nepomniachtchi mit der Stellung zu kämpfen hatte, denn er benötigte eine ganze Weile, um die Antwort 11...De7 auf 11.Sf3 zu finden. Jetzt entschied sich Magnus, Schwarz zu einer Entscheidung bezüglich des Springers auf d5 zu zwingen. Laut Caruana ist hier der beste Zug 12. ...Sb4, um nicht die Kontrolle über den weißen Damenflügel zu verlieren." Offensichtlich sah das der russische Spitzenspieler genauso. Nach 12...Sb4 spielte der Weltmeister, ohne auch nur eine Minute zu verschwenden, 13.De2 und Ian antwortete genauso schnell mit 13. ...Sd3. Jetzt musst der Weltmeister nachdenken, was er sich aber auch leisten konnte, denn er hatte zu diesem Zeitpunkt noch eine Stunde und 42 Minuten auf seiner Uhr, während Ian nur noch eine Stunde und 13 Minuten übrig hatte. Schließlich entschied er sich für 14.e5 gespielt und unsere Kommentatoren waren sich sicher, dass Carlsen zwar noch sehr gute Kenntnisse der Stellung, aber seine Eröffnungsvorbereitung inzwischen definitiv beendet hatte. 14. ...Lb7 war Ians sofortige Antwort und laut GM Fabiano Caruana führt das zu einer sehr scharfen Stellung.
Nach dem 31. Zug war die Stellung völlig ausgeglichen und nun war klar, dass Magnus trotz seiner guten Eröffnungsvorbereitung – ähnlich wie Ian gestern mit den weißen Figuren – keinen entscheidenden Vorteil herausholen konnte. Als sich die Spieler dem 40. Zug näherten, wurden Erinnerungen an die 12 Remis in der letzten Weltmeisterschaft wach... Im 33. Zug hatten die Spieler ein Endspiel erreicht, bei dem Magnus eine Qualität weniger, aber dafür einen Mehrbauern hatte. Beide Spieler blieben weiterhin ohne Gewinnchancen, aber laut Fabiano Caruana war Schwarz in leichter Gefahr und musste aufpassen.Threatening Bxh7+! Not so simple... pic.twitter.com/6iQ9Jsxggz
— Nigel Short (@nigelshortchess) November 27, 2021
Die Kommentatoren spielten und erklärten jetzt kleine Manöver für beide Seiten, die ein Remis hätten erzwingen können. Die Spieler waren, nachdem alle Gewinnchancen für beide Seiten verspielt waren, sichtlich weniger motiviert als zu Beginn der Partie. Trotzdem kämpften sie hart, um alles, was sie konnten, aus ihren jeweiligen Stellungen zu quetschen. Inzwischen konnten unsere Kommentatoren nicht anders und machten sich ein wenig Sorgen um den möglichen Ausgang dieser WM. Vor allem der Zug 34.Kh3 schockierte sie:
34.Kh3 shocks the commentators!😮#CarlsenNepo #FIDEmatch2021 pic.twitter.com/IFwLbz1T08
— ChesscomLive (@ChesscomLive) November 27, 2021
Mit weniger als vier Minuten auf der Uhr schaffte es der amtierende Weltmeister dennoch, Schwarz einige Probleme zu bereiten und Ian nur mit unbequemen Antworten auf seine Züge zurückzulassen. "Ich denke, im Moment ist es auch eine Frage des Stolzes", fügte Caruana hinzu. Im 39. Zug schien die Spannung zwischen den Spielern auch die Kommentatoren und die Online-Zuschauer angesteckt zu haben. Die Spannung stieg, als Magnus Uhr herunter tickte und Nepomniachtchi noch vier Minuten hatte. Dann endlich, nach einem Bauerntausch, bekamen beide Spieler ihre Zeitgutschriften und das Publikum konnte wieder durchatmen, sich zurücklehnen und schließlich hoffen, dass ihre Favoriten dieses Endspiel remis halten oder Carlsen wie schon so oft Wasser aus einem Stein pressen würde. Beide Spieler verließen sichtlich erleichtert für einige Minuten den Spielsaal, um ihre Gedanken zu sammeln und ihre Strategie für die nächsten Züge zu planen. Sie hatten ein Endspiel erreicht, in dem Weiß einen zusätzlichen Bauern hatte, aber es war ein theoretisches Remis.
I’m not sure I understand the players’ sudden dislike of material in this game, but I do have an old personal bias for powerfully located knights in world championship games… #carlsennepo
— Garry Kasparov (@Kasparov63) November 27, 2021
Nachdem beide Spieler ans Brett zurückgekehrt waren, spielten die Spieler recht schnell weiter und tauschten die Damen. Im 47. Zug gelang es Magnus, Raum im schwarzen Territorium zu kontrollieren, aber die objektive Bewertung der Stellung war weiterhin ausgeglichen. Die Partie ging dann noch viele weitere Züge weiter, wobei der Weltmeister wirklich versuchte, seine Überlegenheit im Endspielen zu zeigen, aber Caruana kommentierte: "Ohne dass Ian ihm hilft, wird es nicht funktionieren, denn das ist wirklich ein Remis."
Im 58. Zug vereinbarten die beiden schließlich ein Remis. Caruana erwähnte aber, dass dies ein gutes Ergebnis für Weiß sei (in Bezug auf Carlsens Bauernopfer für unzureichenden Ausgleich) und dass Nepomniachtchi eindeutig einige Gewinnchancen ausgelassen habe.
Land | Name | Elo | 01 | 02 | 03 | 04 | 05 | 06 | 07 | 08 | 09 | 10 | 11 | 12 | 13 | 14 | Spielstand |
Magnus Carlsen | 2855 | ½ | .½ | . | . | . | . | . | . | . | . | . | . | . | . | 1 | |
Ian Nepomniachtchi | 2782 | ½ | ½ | . | . | . | . | . | . | . | . | . | . | . | . | 1 |
Als sie zur Pressekonferenz kamen, waren die Spieler sichtlich müde und etwas platt. Auf die Frage, was sie tun können, um auf andere Gedanken zu kommen, antwortet Nepomniachtchi lächelnd: "Nichts. Du kannst spazieren gehen, oder Musik hören, aber deine Gedanken sind immer bei der Partie." Magnus seinerseits sagte nur: "Bereite dich auf die nächste Partie vor." Auf die Frage, ob er es gut fände, dass er in der letzten Partie dieser WM Weiß haben würde, nickte Magnus und antwortete dem Reporter, dass er darüber glücklich sei. Es wurden mehrere Fragen zu Carlsens Wahl seiner katalanischen Eröffnung gestellt und wie Nepomniachtchi sich dabei fühlte. Mike Klein von Chess.com fragte Nepomniachtchi, wie er die luxuriöse Behandlung in Dubai genießen würde, worauf der Spieler antwortete, dass ihm das Schach mehr als alles andere interessiere, aber dass "ich es wohl irgendwie genießen sollte". Am Ende der Pressekonferenz waren die Spieler dann etwas entspannter und Carlsen hatte sogar noch etwas Energie für einen Scherz. Als er gefragt wurde, welchem Großmeister-Kommentator er zuhören würde, wenn er nicht selbst spielen würde: "Das ist mir ehrlich gesagt egal", antwortete er lachend und auch das Publikum lachte.
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