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FIDE WM Partie 8: Carlsen gewinnt - Nepo bricht zusammen
Nepomniachtchi gratuliert Carlsen zum zweiten Mal zum Sieg. Foto: Maria Emelianova/Chess.com.

FIDE WM Partie 8: Carlsen gewinnt - Nepo bricht zusammen

PeterDoggers
| 1 | Berichterstattung von einem Schach-Event

Mit seinem Sieg in der achten Partie der FIDE Schachweltmeisterschaft 2021 ist Magnus Carlsen der Titelverteidigung einen großen Schritt näher gekommen. Vor dem Ruhetag liegt er jetzt 2 Punkte vor seinem Herausforderer Ian Nepomniachtchi, dessen russische Verteidigung nach einem Bauernverlust völlig zusammenbrach. Die neunte Partie beginnt am Dienstag um 13.30 Uhr.

So könnt Ihr die FIDE Schachweltmeisterschaft live ansehen

Chess.com hat sich die Übertragungsrechte für die WM 2021 gesichert und wird jede Sekunde der Weltmeisterschaft in vielen Sprachen übertragen.

  • Auf unserer Live Events Seite findet Ihr alle Züge, Analysen und auch die Links zur Übertragung.
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  • Und für die deutschsprachige Übertragung auf ChessTV, Twitch und YouTube haben wir IM Steve Berger und WIM Fiona Steil-Antoni engagiert. Die beiden werden Euch die Züge von Carlsen und Nepo genau erklären und Euch mit Hintergrundinformationen versorgen.

 

Vor der WM haben wir viele Großmeister nach Ihren Vorhersagen gefragt und eine der gewagtesten kam von Hans Niemann: "Ich denke ... wenn Nepo eine Partie verliert, ist die Weltmeisterschaft gelaufen." Die Art und Weise, wie der Herausforderer heute verloren hat, deutet darauf hin, dass Niemann den Nagel auf den Kopf getroffen haben könnte.

Wenn man den schnellen Zusammenbruch von Nepomniachtchis Stellung nach dem Bauernverlust beschreiben möchte, kommt man nur schwer um das Wort "Tilt" herum. Sechs Partien vor Schluss liegt er nun mit zwei Punkten im Rückstand. Dieses Duell noch auszugleichen, geschweige denn es zu gewinnen, wird eine Herkulesaufgabe sein.

In der WM-Geschichte schafften es nur zwei Herausforderer, die zwei Punkte Rückstand auf den amtierenden Weltmeister hatten, das Duell noch zu drehen und den Titel zu gewinnen: Max Euwe 1935, als die Weltmeisterschaft über 30 Partien ging und Bobby Fischer beim sogenannten "Kampf des Jahrhunderts" 1972, bei dem der Sieger in 24 Partien ermittelt wurde.

Michel Salgado first move chess
Der ehemalige Verteidiger von Real Madrid, Michel Salgado, spielte den ersten Zug für Carlsen, der selbst ein Fan von Real Madrid ist. Salgado, der in den Vereinigten Arabischen Emiraten lebt, hat die Partie auch bis zum Ende verfolgt. Foto: Eric Rosen/FIDE.

In seiner vierten Partie mit Weiß entschied sich Carlsen zum zweiten Mal für 1.e4 und wie erwartet spielte Neopomniachtchi wieder die russische Verteidigung.

Chess.com Kommentator Fabiano Caruana sagte dazu: "Das hätte ich auch gemacht."

Diesmal wählte der Weltmeister aber 3.d4, die Hauptalternative zum beliebtesten Zug 3.Sxe5, den er in der vierten Partie gespielt hatte. Nach acht Zügen, die alle ziemlich schnell gespielt wurden, erschien eine vollständig symmetrische und auch ziemlich ästhetische Stellung auf dem Brett, in der die d-Linie vollständig besetzt war, während sich auf der e-Linie nur die einsamen Könige befanden.

Die Stellung nach 8...Ld6.

Lektion des Tages: Darum solltest Du nie die Züge des Gegners nachmachen

Der Herausforderer spielte heute die russische Verteidigung. In dieser Eröffnung spielt Schwarz sehr oft mit der relativ gefährlichen Strategie, die Züge des Gegners zu kopieren und strebt eine symmetrische Stellung an. IM Kostya Kavutskiy zeigt Euch in dieser Lektion, wie Ihr Euren Gegner in symmetrischen Stellungen besiegen könnt.


Laut dem holländischen Großmeister Erwin l'Ami, der bei Veselin Topalov's zweitem Titelkampf gegen Viswanathan Anand einer der Sekundanten des Bulgaren war, kann eine solche Symmetrie aber leicht täuschen:

Die erste große Überraschung der Partie kam im neunten Zug. Nach 17 Minuten Bedenkzeit durchbrach Nepomniachtchi mit dem sehr interessanten Bauernvorstoß 9...h5!? die Symmetrie der Stellung. Möglicherweise hatte er die Idee, Carlsens Vorbereitung zu umgehen. Wenn das der Fall war, hat es funktioniert. Carlsen gab später zu, dass er diesen Zug nicht gekannt hatte.

Caruana vermutete, dass es trotz Nepos langem Nachdenken immer noch eine Vorbereitung gewesen sein könnte: "Ich wäre erstaunt und unglaublich beeindruckt, wenn Ian diesen Zug am Brett gefunden und dann gespielt hätte."

Nach diesem Zug stand aber fest: Wir bekommen einen Kampf zu sehen!

Carlsen dachte satte 41 Minuten über seine Antwort nach und entschied sich dann für 10.De1+. Länger hatte er bei dieser WM noch nie über einen Zug nachgedacht. Der Zug war für unsere Analysten eine weitere Überraschung, denn sie hatten einige andere Züge auf dem Schirm. War dieser Zug denn nicht förmlich eine Einladung zu 10...De7 und einem schnellen Remis?

Der Weltmeister gab zu, dass 10.De1 eine "langweilige Wahl" war, die er in einem Zustand leichter Verwirrung über die Züge seines Gegners getroffen hatte. Er hatte nämlich große Probleme beim Rechnen: "Ich habe nur so lange nachgedacht, weil ich nicht richtig rechnen konnte, also habe ich mich entschieden, einfach die Damen zu tauschen und dann würde es wahrscheinlich ein schnelles Remis werden."

Später in der Pressekonferenz fügte Carlsen hinzu: "Ich würde sagen, mein Gehirn war wie gebraten. Ich hatte das Gefühl, dass ein scharfer Kampf nicht in meinem Interesse war."

I would say my brain was just fried.
—Magnus Carlsen

Magnus Carlsen brain fried
Carlsen dachte 41 Minuten über den Zug 10.De1 nach und wäre mit einem schnellen Remis zufrieden gewesen. Foto: Maria Emelianova/Chess.com.

Gerade als Chess.com Kommentator Robert Hess darauf hingewiesen hatte, dass hinter dem Damenschach auch die positionelle Idee stecken könnte, dass Weiß nach 10…Kf8 mit 11.Lb4 die schwarzfeldrigen Läufer tauschen könnte, geschah dies auch auf dem Brett. Dass sich Nepomniachitchi gegen den Damentausch entschieden hatte, ist wohl ein Zeichen, dass er auf Gewinn spielen wollte, denn 10...De7 schien eine sehr sichere Option zu sein.

"Ich habe zwischen 10...De7 und 10...Kf8 keinen Unterschied gesehen. Ich dachte, die Partie würde nach beiden Zügen mit einem schnellen Remis enden", sagte Nepomniachtchi nach der Partie. "10.De1 war eine brillante Entscheidung, um praktisch stillschweigend Remis zu bieten."

10.Qe1 was a brilliant practical decision, just to offer a draw silently.
—Ian Nepomniachtchi

Carlsen tauschte dann tatsächlich die Läufer auf b4 und behielt die Damen auf dem Brett. Im 14. Zug aktivierte Nepo nach nur 13 Sekunden Bedenkzeit seinen Turm auf der h-Linie und auch seinen 17. Zug spielte er ziemlich schnell. Spielte er zu schnell?

Ungefähr zu dieser Zeit fühlte Caruana, dass Schwarz in Schwierigkeiten steckte: "Ich habe schon viel bessere Stellungen mit Schwarz gehabt und stand unter Druck. Weiß hat hier eine ewige Initiative."

Ian Nepomniachtchi game 8 Dubai
Trotz der symmetrischen Bauernstruktur stand Nepomniachtchi unter Druck. Foto: Maria Emelianova/Chess.com.

Starke Engines, die keinen solchen Druck verspüren, waren in ihrer Stellungsbewertung für Schwarz optimistischer, aber das änderte sich schlagartig, als Nepomniachtchi, diesmal nach vier Minuten Bedenkzeit, 21...b5? spielte. Bei unseren Kommentatoren im Studio rief dieser Zug eine dreifaches "WOW!" hervor.

Die Stellung nach 21...b5.

Nepomniachtchi schenkte sich noch etwas Tee ein, sah seinen Gegner an und ging dann vom Brett weg. Carlsens Körpersprache verriet Überraschung, und nach fünfeinhalb Minuten überprüfen und nochmaligem überprüfen gab der Weltmeister das Damenschach, um sich den Bauern zu schnappen, den ihm sein Gegner geschenkt hatte.

Nachdem 22.Da3+ gespielt worden war, blieb Nepomniachtchi ganze acht Minuten vom Brett fern, während seine Uhr tickte, bevor er endlich wieder am Brett auftauchte. "Er spritzt sich vielleicht Wasser ins Gesicht, um sich abzukühlen und bereut seinen Zug 21...b5", sagte Danny Rensch, und lag mit seiner Vermutung absolut richtig.

"Ich habe es lange bereut, 21…b5 gespielt zu haben", sagte Nepo über den langen Aufenthalt in seiner Toilette. "In einer sehr remislichen Stellung auf diese Art einen Bauern einzustellen, tut richtig weh."

In a very drawish position, blundering a pawn like this, it hurts.
—Ian Nepomniachtchi

Was also hatte er übersehen? Nun, nicht das Damenschach: "Das habe ich gesehen, aber ich habe einfach vergessen, dass in der Variante 22...Kg8 23.Da7 bxc4 mein Läufer hängt."

Der Zug des Tages: 21...b5??

Während Weiß akkurat und mit ruhiger Hand spielte, war der heute Zug des Tages ein Fehler von Schwarz im 21. Zug. Dieser Zug verliert nach 22. Da3+, wie wir in der Partie gesehen haben, einen Bauern. Stattdessen hätte Schwarz 21...Kg8 spielen müssen. Unser Analyst Sam Shankland bestätigt das: "Dies war der absolut einzige Zug. Der König muss das Feld f8 verlassen, damit Da3 nicht mit Schach kommt und Schwarz als Antwort Dxd4 spielen kann. Trotzdem sieht das sehr beängstigend aus..." Nach der Partie erwähnte Carlsen gegenüber seinem Gegner, dass er 21...Dd6 anstelle von 21...b5 erwartet hatte und Nepo stimmte zu, dass das besser gewesen wäre . Mit der neuen, revolutionären Partieanalyse von Chess.com könnt Ihr die Schlüsselmomente dieser Partie selbst überprüfen und erhaltet Erklärungen des virtuellen Trainers. Ihr könnt sogar die Fehler wiederholen und Eure eigenen Varianten ausprobieren.

Chess World Champion


Nepo kam schließlich zum Brett zurück und zog seinen König aus dem Schach. Schon bald darauf wurde aber klar, dass er Schwierigkeiten hatte, mit dem zurechtzukommen, was gerade passiert war. Ein paar weitere ungenaue Züge des russischen Großmeisters reichten aus, um ziemlich schnell in einer absolut verlorenen Stellung zu landen.

Hess: "In Momenten, in denen man sich das überhaupt nicht leisten kann, spielt er schlampig. Und wenn man gegen Magnus Carlsen spielt, kann man sich das grundsätzlich nie leisten. Aber … diese Größenordnung! Er wird vielleicht nie wieder die Gelegenheit bekommen, um den Weltmeistertitel zu spielen. In so einem Moment kannst du dich doch nicht so hängenlassen, weil du einen Bauern eingestellt hast."

Nepomniachtchi bei der Pressekonferenz: "Natürlich habe ich mich nach 21…b5 wahrscheinlich nicht optimal verteidigt, aber die Stellung war wirklich unangenehm und ich denke, ehrlich gesagt, ist es schwer, sich nach so einem Fehler zu verteidigen."

Frankly speaking, it's hard to defend after such a blunder.
—Ian Nepomniachtchi

Nach 28 Zügen waren nur noch Damen und Bauern auf dem Brett, aber Carlsen hatte zwei Bauer mehr und zu diesem Zeitpunkt schien Nepomniachtchi nur noch "Züge zu blitzen, um eine Stellung zu erlangen, in der er aufgeben kann", wie Rensch es sagte.

Carlsen hingegen blitzte jedoch nicht mit und verbrauchte in diesem vollständig gewonnenen Endspiel auch überraschend viel Zeit. Diese Art von Vorsicht war extrem lehrreich und wurde von den meisten Experten gelobt. "Ich hatte noch viel Bedenkzeit und es gab keinen Grund, die Dinge zu erzwingen", sagte er. "Ich dachte, wenn ich weiterhin sehr vorsichtig bin, läuft mir der Sieg nicht weg."

Chess.com Game Of The Day Collection

Zwischenstand

Land Name Elo 01 02 03 04 05 06 07 08 09 10 11 12 13 14 Punkte
Magnus Carlsen 2855 ½ .½ ½ ½ ½ 1 ½ 1 . . . . . . 5
Ian Nepomniachtchi 2782 ½ ½ ½ ½ ½ 0 ½ 0 . . . . . . 3

Nepomniachtchi zeigte sich bei der Pressekonferenz überraschend gut gelaunt, ging aber gleichzeitig mit ihm selbst sehr hart zu Gericht: "Ich möchte mich für die heutige Leistung entschuldigen. Sie lag wahrscheinlich weit unter – sagen wir mal – nicht einmal unter meinem normalen Niveau, sondern sogar unter einem GM-Niveau."

Er nannte es "eine Kette von etwas seltsamen Entscheidungen, beginnend mit 15...Kf8" und gab zu, dass 21...b5 ein sehr grober Patzer in einer bereits unangenehmen Stellung, die er aber noch Remis halten hätte können, war.

Mit Blick auf die verbleibenden sechs Partien sagte der Herausforderer: "Die Aufgabe bleibt die gleiche. Ich muss versuchen, einige Partien zu gewinnen. Ich glaube, es geht um das schachliche Niveau. Ich denke, zu Beginn der WM hatte ich einige Chancen und wenn ich gut spiele, bekomme ich diese Chancen hoffentlich auch weiterhin. Es geht um mein eigenes Spiel. Ich denke, ich sollte nicht über das Ergebnis nachdenken, obwohl es natürlich besser wäre, wenn der Spielstand noch ausgeglichen wäre. Aber es ist nun mal, wie es ist."

Nepomniachtchi smiling
Nepomniachtchi konnte trotz seiner zweiten Niederlage noch lächeln. Foto: Maria Emelianova/Chess.com.

Carlsen war mit dem Ergebnis natürlich sehr zufrieden: "Was soll ich sagen? Es ist riesig. Ansonsten bin ich ziemlich müde und freue mich auf den Ruhetag."

Seine Erklärung zum Fehler seines Gegners: "Um ehrlich zu sein, wäre dieser zweite Sieg wahrscheinlich nicht ohne den ersten zustande gekommen. Das alles hängt irgendwie zusammen. Wenn ich zum Beispiel die erste Partie gegen Caruana, in der ich eine Gewinnstellung hatte, gewonnen hätte, oder er eine der beiden Partien, in denen er eine Gewinnstellung hatte, verloren hätte, hätte auch alles ganz anders kommen können. Dann hätte es auch viele Siege geben können. Es ist keine große Überraschung, dass der zweite Sieg so schnell nach dem ersten kommt."

Magnus Carlsen Dubai game 7
Noch vor der Pressekonferenz gab Carlsen den norwegischen Medien ein Interview. Foto: Maria Emelianova/Chess.com.

Da sie von der anstrengenden sechsten Partie immer noch nicht vollständig erholt sind, werden die Spieler den Ruhetag am Montag mehr denn je brauchen. Unser Kommentator Sam Shankland hat einen Vorschlag für Nepomniachtchi:

"Wenn ich in seinem Team wäre, würde ich vorschlagen, etwas Schärferes und Riskanteres zu wählen als das, was er bisher gespielt hat – diese leichten Vorteile in der spanischen Eröffnung spielen doch Magnus direkt in die Hand und hält jedes Mal problemlos Remis. Im Stream von Hikaru habe ich erfahren, dass Magnus in der spanischen Eröffnung mit Schwarz seit 2015 ungeschlagen ist!"


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Weitere Berichte von der WM:

PeterDoggers
Peter Doggers

Peter Doggers joined a chess club a month before turning 15 and still plays for it. He used to be an active tournament player and holds two IM norms. Peter has a Master of Arts degree in Dutch Language & Literature. He briefly worked at New in Chess, then as a Dutch teacher and then in a project for improving safety and security in Amsterdam schools. Between 2007 and 2013 Peter was running ChessVibes, a major source for chess news and videos acquired by Chess.com in October 2013. As our Director News & Events, Peter writes many of our news reports. In the summer of 2022, The Guardian’s Leonard Barden described him as “widely regarded as the world’s best chess journalist.”

Peter's first book The Chess Revolution is out now!

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