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Jorden van Foreest gewinnt das Tata Steel Turnier 2021
Jorden van Foreest gewinnt in Wijk aan Zee. Foto: Jurriaan Hoefsmit/Tata Steel Chess.

Jorden van Foreest gewinnt das Tata Steel Turnier 2021

PeterDoggers
| 2 | Berichterstattung von einem Schach-Event

Großmeister Jorden van Foreest gewann als erster holländischer Spieler seit 36 Jahren das Tata Steel Turnier. Nachdem er nach 13 Partien mit Anish Giri punktgleich in Führung gelegen war, gewann der 21-jährige Utrechter gegen seinen Landsmann ein spannendes Playoff.


Alle Partien des Tata Steel Turniers findet Ihr hier.

Die Aufzeichnung der Übertragung des letzten Tages könnt Ihr Euch hier ansehen:

"Wie auf dem Gipfel der Welt", war Van Foreests Antwort auf die Frage aller Fragen: Wie er sich fühlte, nachdem er das Superturnier in Wijk aan Zee gewonnen hatte.

Das älteste Kind einer großen Schachfamilie gewann das "Wimbledon des Schach" - ein Turnier mit 13 klassischen Runden in einen Zeitraum von 16 Tagen. Er blieb dabei ungeschlagen, gewann vier Partien und die Blitz-Playoffs im Armageddon. Er gewann auch 30 Elo Punkte hinzu und durchbricht damit die Schallmauer von 2700 Elo Punkten.

Van Foreests Sieg war gleichzeitig eine massive Enttäuschung für Giri und seine Fans. Die holländische Nummer eins schien endlich sein erstes großes Turnier, an dem auch Weltmeister Magnus Carlsen teilnahm, gewinnen zu können. Stattdessen verlor er aber nach 2018 sein zweites Playoff in Wijk aan Zee.

Die entscheidenden Sekunden des Finales

Den entscheidenden Moment, das Ende der Armageddon-Partie, verfolgten über 80.000 Zuschauer live auf den verschiedenen Chess.com-Streams (Twitch, YouTube und auf den internationalen Kanälen) und im Laufe des Tages hatten sich über 700.000 Zuschauer für die Übertragung interessiert. Dies sind unglaubliche Zahlen für ein Schachturnier, die normalerweise nur bei Weltmeisterschaften erreicht werden. Der weltweite Schachboom ist also real und Wijk aan Zee hat davon profitiert.

Die vielen Online-Zuschauer erlebten einen besonderen Moment in der Geschichte des niederländischen Schachs. Es wurde schon oft erwähnt, aber van Foreest hat endlich geschafft, was seine Vorgänger wie Jeroen Piket und Loek van Wely nie geschafft hatten: Er wurde der erste niederländische Sieger seit Jan Timman, der das Turnier 1985, also vor 36 Jahren gewonnen hatte.

Tata Steel Chess 2021 Final Round 13 Results

Den Grundstein zu seinem Turniersieg hatte van Foreest in der letzten Runde durch seinen Sieg übe Nils Grandelius gelegt. Ein Sieg, der zu einem großen Teil auf einer grandiosen Eröffnungsvorbereitung basierte.

"Ich muss mich dafür bei meinem Sekundanten Max Warmerdam bedanken", sagte van Foreest. "Wir hatten diese Stellung heute Morgen auf dem Brett. Er sagte: "13...Ld7 ist der menschlichste Zug." Dann haben wir ein bisschen herumgespielt und diese Stellung mit 16...Db8 erreicht und er hat 17.c4 gespielt und gesagt, dass sie Stellung laut den Engines für Weiß etwas besser wäre. Ich wusste aber nicht, wie ich da Fortsetzen sollte."

Jorden van Foreest Grandelius Tata Steel Chess 2021
Van Foreest gegen Grandelius. Foto: Jurriaan Hoefsmit/Tata Steel Chess.

"Im Allgemeinen ist diese Variante für Weiß sehr riskant", fügte van Foreest hinzu. "Ich glaube, wenn Schwarz die Variante kennt, steht Schwarz besser, aber für diese Partie war sie hervorragend geeignet."

Van Foreest spielte weiterhin die besten Computerzüge, einschließlich des wunderbaren Zuges 21.Sb5!. Grandelius verteidigte sich zunächst gut, kam aber dann in Zeitnot und brach irgendwann zusammen. Ein schöner letzter Schliff war van Foreests König, den der Holländer ganz im Stil des Sieges von Nigel Short über den Wijk aan Zee Sieger von 1985, Jan Timman, auf das Feld h6 zog.

"Es ist verrückt. Ich habe es noch gar nicht wirklich realisiert. Die Partie ist ja gerade erst vorbei. Es war eine wirklich harte Partie und ich denke, die Freude wird erst später kommen," sagte van Foreest nach dieser Partie, ohne zu wissen, wie prophetisch diese Worte waren.

Da wusste er allerdings schon, dass er einen Tiebreak um den Turniersieg spielen würde, denn es war bereits offensichtlich, dass Giri seine Partie nicht gewinnen würde. Es war sogar der Spanier David Anton der die Partie kontrollierte, aber er konnte seinen Vorteil nicht in einen Sieg verwandeln.

Anton Giri Tata Steel Chess 2021
Anton gegen Giri. Foto: Jurriaan Hoefsmit/Tata Steel Chess.

Für eine Weile sah es für Giri sogar ziemlich düster aus. Nach zweieinhalb Stunden sagte seine Frau IM Sopiko Guramishvili während einer kurzen Pause von ihrem eigenen Kommentar zu einem Interviewer des niederländischen Nachrichtensenders NOS: "Ich versuche nicht zu zeigen, wie nervös ich bin!"

Giri selbst schlenderte nach fast jedem Zug selbstbewusst durch den Turniersaal und nachdem er den thematischen Bauerndurchbruch ...d5 spielen konnte, waren seine Probleme gelöst.

Fabiano Caruana, der die Führenden ebenfalls noch einholen hätte können, hatte nie eine echte Gewinnchance gegen Aryan Tari, was man allerdings von Alireza Firouzja nicht behaupten kann. Der iranische Teenager schlug sich gegen Radoslaw Wojtaszek hervorragend und hatte gute Chancen, mit Giri und van Foreest gleichzuziehen.

Im Laufe der Runde wurde aber klar, dass Firouzja mit der schlechtesten Feinwertung der drei enden und somit das Playoff so oder so verpassen würde.

Firouzja-Wojtaszek Tata Steel Chess 2021
Firouzja gegen Wojtaszek. Foto: Jurriaan Hoefsmit/Tata Steel Chess.

Das rein holländische Playoff war für 18.10 Uhr angesetzt. Zwei Tische neben Firouzja und Wojtaszek, die noch am Spielen waren. Als diese beiden Spieler die Zeitkontrolle erreicht hatten, wurden sie gebeten, den Tisch zu wechseln, damit sie vom Playoff zwischen Giri und Van Foreest nicht gestört wurden.

Firouzja war damit aber (verständlicherweise) überhaupt nicht einverstanden und weigerte sich, den Tisch zu verlassen. Während die Playoffs im Gange waren, verdarb er seine vielversprechende Stellung und war danach sehr wütend auf die Schiedsrichter und schrie den Hauptorganisator an. Die ganze Angelegenheit war ein Fleck auf der weißen Weste einer ansonsten wunderbar organisierten Veranstaltung in Pandemiezeiten.

Zuvor hatten wir noch zwei Siege zu sehen bekommen. Zum einen gelang es dem Weltmeister, Maxime Vachier-Lagrave in einem Grünfeld zu überspielen und damit ein für ihn bescheidenes Turnier immerhin noch mit einem positiven Ergebnis zu beenden.

"Im Mittelspiel fasste er einen Plan, der wahrscheinlich nicht besonders gut war," erklärte Carlsen nach der Partie. "Nach dem Qualitätsopfer stand ich sicher klar besser. 29.Sd2 war ziemlich gut. Ich habe dadurch zwar einen Bauern verloren, aber letztendlich aufgrund der dominanten Stellung gewonnen."

"Meine Gesamtleistung in diesem Turnier war ... beschämend, um ehrlich zu sein", sagte Carlsen. "Es gab wirklich sehr wenige Momente der Erlösung in diesem Turnier. Ich war wirklich ziemlich schlecht und ich muss es in Zukunft besser machen."

Neben van Foreest spielte sich noch ein weiterer jungen Großmeister in den elitären Club der 2700 Spieler. Andrey Esipenko beendete das Turnier mit einem Sieg über den glücklosen deutschen Alexander Donchenko.

Abschlusstabelle

# Land Name Elo Lstg. 1 2 3 4 5 6 7 8 9 0 1 2 3 4 Punkte SB
1 Van Foreest 2671 2839 ½ ½ ½ ½ ½ 1 1 1 ½ ½ 1 ½ ½ 8.5 53
2 Giri 2764 2832 ½ ½ ½ ½ ½ ½ 1 1 ½ 1 ½ 1 ½ 8.5 52.25
3 Esipenko 2677 2809 ½ ½ ½ ½ 1 ½ 0 ½ ½ 1 1 ½ 1 8.0 49
4 Caruana 2823 2799 ½ ½ ½ ½ ½ ½ ½ ½ ½ 1 ½ 1 1 8.0 48.25
5 Firouzja 2749 2804 ½ ½ ½ ½ 0 1 ½ ½ 1 ½ 1 ½ 1 8.0 48
6 Carlsen 2862 2768 ½ ½ 0 ½ 1 ½ ½ 1 ½ ½ ½ 1 ½ 7.5
7 Harikrishna 2732 2725 0 ½ ½ ½ 0 ½ ½ 1 ½ ½ ½ ½ 1 6.5
8 Tari 2625 2705 0 0 1 ½ ½ ½ ½ ½ ½ ½ ½ ½ ½ 6.0 38
9 Grandelius 2663 2702 0 0 ½ ½ ½ 0 0 ½ 1 ½ ½ 1 1 6.0 34
10 Duda 2743 2670 ½ ½ ½ ½ 0 ½ ½ ½ 0 ½ ½ ½ ½ 5.5
11 Wojtaszek 2705 2645 ½ 0 0 0 ½ ½ ½ ½ ½ ½ ½ ½ ½ 5.0 30.75
12 Anton Guijarro 2679 2647 0 ½ 0 ½ 0 ½ ½ ½ ½ ½ ½ ½ ½ 5.0 30.75
13 Vachier-Lagrave 2784 2639 ½ 0 ½ 0 ½ 0 ½ ½ 0 ½ ½ ½ 1 5.0 29.75
14 Donchenko 2668 2556 ½ ½ 0 0 0 ½ 0 ½ 0 ½ ½ ½ 0 3.5

Das Playoff bestand aus zwei Blitzpartien mit einer Bedenkzeit von 5+3. In der ersten verpasste Giri die Chance, in Führung zu gehen:

Giri stand dann auch in der zweiten Partie besser und hatte sogar schon einen Mehrbauern. Es waren aber schon zu viele Figuren getauscht und somit konnte van Foreest mit einer sehr präzisen Verteidigung ein Remis halten.

Dadurch kam es zu einem Armageddon-Showdown. Van Foreest gewann die Auslosung und entschied sich für die schwarzen Figuren.

Wieder gelang es Giri, der jetzt unter Siegzwang stand, die Oberhand zu gewinnen und dann hatte er sogar einen Gewinnzug auf dem Brett, aber nachdem er eine halbe Minute über genau diese Stellung nachgedacht hatte, verpasste er das entscheidende Zwischenschach und warf seine Gewinnchancen mit dem Zug 26.c6 über Bord.

Giri Van Foreest armageddon Tata Steel Chess 2021
Die Armageddon Partie zwischen Giri und Van Foreest. Foto: Jurriaan Hoefsmit/Tata Steel Chess.

Als die Bedenkzeit immer weniger wurde, war van Foreest an der Reihe, um Fehler zu machen. Zuerst stellte er einen Bauern ein - und dann eine ganze Figur! Jetzt stand Giri wieder auf Gewinn.

In der hektischen Schlussphase zogen die Spieler so schnell, dass das digitale Schachbrett die Züge nach dem 58. Zug nicht mehr registrierte. Für die Online-Zuschauer sah es deshalb so aus, als hätte Giri in einer absoluten Gewinnstellung auf Zeit verloren.

In Wahrheit spielten die beiden aber noch 4 weitere Züge und hier war es Giri, der den letzten Fehler machte. In der Schlussstellung konnte er seinen Gegner nicht mehr an der Bauernumwandlung hindern und als er das bemerkte, lehnte er sich ungläubig zurück und ließ seine Zeit ablaufen.

"In diesen Blitzpartien braucht man einfach eine Menge Glück," sagte van Foreest. "Er hat sicher besser gespielt, aber ich dafür etwas schneller. Eigentlich war es wie ein Münzwurf."

Jorden van Foreest Tata Steel Chess 2021
Der überglückliche Turniersieger. Foto: Jurriaan Hoefsmit/Tata Steel Chess.

Vielen Zuschauern, besonders aber den Fans von Giri wird es wohl nicht gefallen haben, dass ein klassisches Turnier nach 13 Runden mit einer Blitzpartie mit einem Zeitnotkampf wie diesem entschieden wird.

Van Foreest meinte dazu: "Für Anish tut es mir sehr leid und ich fühlte mich ein bisschen schlecht. In der letzten Partie waren natürlich viele Fehler. Eigentlich will man ein Turnier nicht auf diese Weise gewinnen, aber jetzt ist es so passiert, und ich bin einfach nur glücklich."

Der jüngere der beiden Holländer, der mit Giri befreundet ist und ihm in der Vergangenheit schon als Sekundant zur Seite gestanden war, fand für seinen Landsmann nur lobende Worte: "Er hat ein wirklich gutes Turnier gespielt und hätte es verdient gehabt, das Turnier zu gewinnen. Ich meine, er hätte die letzten beiden Partien gewinnen können und dann hätte er das Turnier auch gewonnen. Aber manchmal soll es einfach nicht sein."

Giri (second), Van Foreest (first), Esipenko (third). Photo: Jurriaan Hoefsmit/Tata Steel Chess.
Giri (links), van Foreest (mitte), Esipenko (rechts). Foto: Jurriaan Hoefsmit/Tata Steel Chess.

Während des Turniers ließen sowohl Carlsen als auch Giri ihre Twitter-Accounts ruhen, aber noch während der Siegerehrung ließ der Weltmeister den Twitter-Kleinkrieg zwischen den beiden wieder aufleben. Wie allen anderen Zuschauern war ihm das wahre Ende des Armageddons zu diesem Zeitpunkt noch nicht bekannt gewesen und deshalb wies er amüsiert darauf hin, dass Giri im 58. Zug auf Zeit verloren hatte:

Giris Antwort ließ nicht lange auf sich warten und er verwies dabei auf Carlsens Rolle als Zuschauer in diesem Finale:

Alle Partien des letzten Tages (incl. Playoff)

Die Siegerehrung


Weitere Berichte von diesem Turnier: (alle auf Englisch)

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Peter Doggers

Peter Doggers joined a chess club a month before turning 15 and still plays for it. He used to be an active tournament player and holds two IM norms. Peter has a Master of Arts degree in Dutch Language & Literature. He briefly worked at New in Chess, then as a Dutch teacher and then in a project for improving safety and security in Amsterdam schools. Between 2007 and 2013 Peter was running ChessVibes, a major source for chess news and videos acquired by Chess.com in October 2013. As our Director News & Events, Peter writes many of our news reports. In the summer of 2022, The Guardian’s Leonard Barden described him as “widely regarded as the world’s best chess journalist.”

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