Magnus Carlsen gewinnt das Norway Chess 2021
Weltmeister Magnus Carlsen hat zum dritten Mal in Folge und zum vierten Mal insgesamt das Norway Chess gewonnen. Wie schon in der ersten Turnierhälfte gewann der Norweger das Armageddon gegen seinen Herausforderer um den WM-Titel, Ian Nepomniachtchi, der Vierter wurde.
Alireza Firouzja konnte in der letzten Runde noch Richard Rapport vom zweiten Platz verdrängen und damit sein Ergebnis vom Vorjahr egalisieren. Sergey Karjakin, der die ersten beiden Ausgaben des Norway Chess gewinnen konnte, wurde nach seinem Sieg im Armageddon über Aryan Tari Fünfter.
Alle Partien des Norway Chess Turniers findet Ihr hier auf unserer Live Events Plattform.
Abschlusstabelle
# | Land | Name | Elo | Klassisch | Armageddon | Gesamt |
1 | Magnus Carlsen | 2855 | 12 | 7.5 | 19.5 | |
2 | Alireza Firouzja | 2754 | 15 | 3 | 18 | |
3 | Richard Rapport | 2760 | 12 | 4.5 | 16.5 | |
4 | Ian Nepomniachtchi | 2792 | 3 | 9 | 12 | |
5 | Sergey Karjakin | 2758 | 3 | 7 | 10 | |
6 | Aryan Tari | 2642 | 3 | 4 | 7 |
"Dieses Mal fühlt es sich noch besser an", sagte Carlsen nach seinem vierten Sieg in Stavanger. "Es war wirklich hart in diesem Jahr und ehrlich gesagt schien es mir zur Halbzeit überhaupt nicht realistisch. Es ist ein wirklich befriedigender Sieg."
It's a really satisfying victory.
—Magnus Carlsen
Der Weltmeister ist in seiner Karriere schon in viele Turniere langsam gestartet und dies war ein weiteres davon. "Ich war nicht wirklich eingerostet, ich kam nur einfach nicht in die Gänge", sagte er über die enttäuschende erste Hälfte, in der er in den klassischen Partien vier Remis und eine Niederlage erzielte. Die vier Armageddons, die er spielte, hat er jedoch alle gewonnen.
Aber wie hat er das Blatt gewendet?
Carlsen: "Zuallererst habe ich das Gefühl, dass ich während der Partien wirklich hart gearbeitet habe. Ich hatte nicht so viel zu tun, es schien, dass jede Partie hart war und ich mir jeden Sieg hart erarbeiten musste. Das macht den Erfolg aber natürlich noch wertvoller. Es war zwar nicht glänzend, aber ich denke, unter den gegebenen Umständen habe ich absolut alles erreicht, was ich mir erhoffen konnte."
Im letzten direkten Aufeinandertreffen vor der Weltmeisterschaft entschied sich Nepomniachtchi in der Italienischen Eröffnung für eine Variante, die in letzten Zeit bei vielen Blitz-Events ziemlich beliebt war. Carlsen kannte diese Variante natürlich und folgte einer Blitzpartie, die er erst kürzlich gegen Wesley So gespielt hatte. Das bedeutete, dass er sich auf ein etwas nachteilhaftes, aber ziemlich solides Mittelspiel einließ.
"Ich habe mich für eine Variante, die für Schwarz etwas schlechter, aber spielbar ist", sagte er und fügte hinzu: "Ich glaube, ich habe die Stellung ganz gut gehalten." Damit meinte er seine Züge 28...Kh7, 29...Df5 und 30...Td5.
Nepomniachtchi: "Ich dachte, nachdem ich die e-Linie hatte, würde ich einen guten Vorteil haben, aber irgendwie war das gar nicht so leicht auszunutzen. Er hat auch einfach gut gespielt. Einmal fand er diese Idee 30...Td5 und manchmal geht auch ...Tb5. Es war nie das Spiel auf ein Tor das ich haben wollte und deshalb ist das Remis ein mehr oder weniger objektives Ergebnis."
In der anschließenden Armageddon-Partien spielte Nepomniachtchi eine Wiener Partie und gewann in der Eröffnung einen Bauern, aber Carlsen vertraute seinem Läuferpaar. Wie müde die Spieler nach 10 Runden wirklich waren, wurde deutlich, als beide den einfachen Qualitätsgewinn nach 16...La6 komplett übersahen. Danach konnte Nepomniachtchi keinen spürbaren Vorteil erringen und verlor die Partie, nachdem er mit der Brechstange einen Sieg erzwingen wollte (musste).
Auf diese Weise endeten beide Aufeinandertreffen der beiden Kontrahenten um die Weltmeisterschaft 2021 mit einem Armageddon-Sieg für Carlsen. Der Weltmeister kommentierte: "Es ist schön, aber ich war im Armageddon sehr müde. Ich hatte in den letzten paar Tagen so viel Energie aufgewendet, dass ich für die Armageddon Partie nicht mehr viel übrig hatte. Ich war taktisch total blind, aber… Läufer sind sehr stark und das hat mich am Ende gerettet!"
"Ich denke, diese Partie hatte nur eine symbolische Bedeutung, weil ich sah, dass Richard mit Schwarz nicht allzu gut stand. Da ich wusste, dass er seine Partie nicht gewinnen wird, war diese Partie nicht so wichtig", sagte Nepomniachtchi. "Ich denke, irgendwann hatte Weiß einen guten Vorteil, aber wie auch immer, mit diesen beiden Läufer hat Schwarz immer eine Chance auf ein Remis."
Sein Landsmann Tari zeigte sich beeindruckt von Carlsens Turniersieg und den vier gewonnen Partien in Serie: "Das in einem solchen Feld zu schaffen ist einfach nur unglaublich."
Verständlicherweise war Nepomniachtchi von seinem Turnier nicht allzu begeistert: "Das Ergebnis ist ekelhaft, absolut ekelhaft. Angesichts all der Chancen, die ich verspielt habe, besonders in diesen beiden Partien gegen Firouzja und Aryan. Gleichzeitig war aber vielleicht auch ziemlich nützlich."
Für Rapport dauerte das Turnier einige Runden zu lang und in der letzten Runde verlor er noch seinen zweiten Platz an Firouzja. Sein Kommentar: "Endlich ist es vorbei. Das ist immer mein Lieblingsteil bei jedem Schachturnier, wenn das Elend vorbei ist!"
This is always my favorite part of every chess tournament, when the misery ends!
—Richard Rapport
Damit hatte auch Firouzja vier Duelle in Folge gewonnen. "Zwei Serien mit vier Siegen in der zweiten Hälfte sind ziemlich krank", sagte Carlsen, der vom Zweitplatzierten beeindruckt war: "Das habe ich ehrlich gesagt nicht kommen sehen. Das war eine erstaunliche Wende."
"Es fühlt sich großartig an", sagte Firouzja. "Nach einer sehr schwierigen ersten Hälfte bin ich glücklich, wieder ins Turnier gefunden zu haben. Und nach der Niederlage gegen Magnus ist der zweite Platz schon in Ordnung. Als ich noch sechs oder sieben Punkte Rückstand hatte, konnte ich mir das gar nicht mehr vorstellen."
Sein Sieg gegen Rapport war eine wilde Angelegenheit, die eines Aufeinandertreffens zwischen zwei sehr interessanten Spielern, die dank dieses Turniers beide in die Top 10 der Welt kamen, würdig war.
Die Partie begann mit einer interessanten Variante im Rossolimo und wurde messerscharf, als Firouzja beschloss, seinen Turm auf a1 aufzugeben – eine Idee, die er nicht vorbereitet hatte. "Wenn er diese Variante spielt, hätte er sich darauf vorbereiten sollen, denn ich denke, dieses Turmopfer ist sehr interessant", sagte Firouzja. "Ich hatte es aber nicht vorbereitet und erst während der Partie gesehen, dass ich nach dem Turmopfer einfach nicht schlechter stehen konnte."
Es war ein Michail Tal-ähnlicher Optimismus, denn die Engines bevorzugen ganz klar Schwarz. Der Verteidiger fand sich jedoch (wie so oft in Tals Partien auch) in den Komplikationen nicht zurecht und schon bald geriet Rapport in ernsthafte Schwierigkeiten. Auch, weil Firouzjas Spielzüge ein starkes taktisches Fundament hatten:
Der zweimalige Sieger Karjakin belegte diesmal nur den fünften Platz – wie sein Landsmann war er mit dieser Platzierung natürlich nicht zufrieden. Vielleicht lag es aber auch daran, dass die beiden Russen keinen Ruhetag hatten. Karjakin selbst erwähnte auch, dass er sich vom Weltcup noch nicht vollständig erholt fühlte.
Über seine Partie gegen Tari sagte er: "Ich wollte einfach nur spielen und Spaß am Spielen haben. Ich weiß ja nicht, wann ich das nächste Mal eine Turnierpartie spielen werde, also habe ich versucht, kreativ zu spielen."
Tari: "Ich glaube, ich habe gut gespielt. Es war eine sehr komplizierte Partie und vielleicht hätte ich irgendwann mehr Druck ausüben können."
Im Armageddon wechselte Karjakin zu 1.b3 und sah sich irgendwann einem interessanten und ziemlich guten Bauernopfer von Tari ausgesetzt. Am Ende setzte sich jedoch die Erfahrung durch.
"Im Blitz muss man präzise spielen und er hat ein paar ungenaue Züge gespielt und dann habe ich einen gesunden Mehrbauern bekommen und ich glaube, danach stand ich schon deutlich besser", sagte Karjakin.
Tari über sein Turnier: "Es ist zumindest viel besser gelaufen als im letzten Jahr. Ich bin sehr glücklich, dass ich ein Duell gewinnen konnte. Es ist sehr schwer, diese Jungs zu schlagen und dass ich mit Schwarz gegen Ian gewonnen habe, war eine große Leistung. Ich muss noch eine Menge Dinge lernen und ich freue mich über die Erfahrung."
Firouzjas nächstes Turnier wird das FIDE Chess.com Grand Swiss sein, das Ende Oktober beginnt. Carlsen und Tari reisen bereits am kommenden Sonntag zum European Club Cup nach Nordmazedonien.
Und dann steht natürlich Ende November die Weltmeisterschaft auf dem Programm. Ein ehemaliger Teilnehmer wurde natürlich um eine Prognose gebeten – Karjakin: „Ich denke, es wird ein sehr interessantes Duell. Es wird sehr wichtig sein, wer in besserer Form antritt. Ich denke, Ian sollte sich bis dahin ausruhen.
"Bei Magnus weiß ich nicht, ob er sich ausruhen oder ein anderes Turnier spielen wird. Ich persönlich würde mich definitiv ausruhen und mich vorbereiten. Aber im Grunde hat er in diesem Turnier gezeigt, dass er sehr stark ist. Aber er hat auch Fehler gemacht. Wenn er bei der WM die gleichen Fehler machen wird, glaube ich, dass Ian seine Chancen nutzen wird."
He is strong, but he made mistakes. If he will make the same mistakes in the match, I think that Ian would be ready for this and to use his chances.
—Sergey Karjakin
Das Norway Chess war ein Vollrundenturnier für sechs Spieler und fand vom 7. bis zum 18. September 2021 in Stavanger, Norwegen statt. Die Bedenkzeit betrug 120 Minuten für die gesamte Partie mit einem 10-Sekunden-Inkrement ab dem 41. Zug. Im Falle eines Remis spielten die Spieler eine Armageddon-Partie mit den gleichen Farben wie in der Partie. Ein Sieg in der klassischen Partie brachte drei Punkte; eine Niederlage null Punkte; ein Remis in der klassischen Partie brachte beiden Spielern einen Punkt und der Sieger des Armageddons bekam einen zusätzlichen halben Punkt.
Weitere Berichte vom Norway Chess (alle auf Englisch):
- Norway Chess R9: Carlsen Leads After 4th Straight Win; Firouzja Enters World's Top 10
- Norway Chess R8: Carlsen Beats Rapport In Top Clash
- Norway Chess R7: Rapport Moves To World Number 6
- Norway Chess R6: Rapport Extends Lead; Carlsen Wins 1st Classical Game
- Norway Chess R5: Karjakin Beats Carlsen With Exchange Sac
- Norway Chess R4: Rapport Increases Lead, Carlsen "Tortures" Nepomniachtchi
- Norway Chess R3: Rapport Still Leads After 3 More Armageddons
- Norway Chess R2: Nepomniachtchi Wins With The King's Gambit
- Norway Chess R1: Rapport Early Leader As Firouzja-Carlsen Goes To Armageddon