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Maxime Vachier-Lagrave gewinnt den Sinquefield Cup 2017

Maxime Vachier-Lagrave gewinnt den Sinquefield Cup 2017

PeterDoggers
| 0 | Berichterstattung von einem Schach-Event

Maxime Vachier-Lagrave gewinnt die fünfte Ausgabe des Sinquefield Cup in St. Louis, und damit den größten Titel seiner Karriere. Der Franzose besiegte in der letzten Runde Ian Nepomniachtchi während seine Rivalen Vishy Anand und Levon Aronian nicht über ein Remis hinauskamen.

Und der Sieger ist... Maxime Vachier-Lagrave. | Foto: Maria Emelianova.

"Ich freue mich für ihn," sagte Magnus Carlsen. Der Weltmeister zeigte sich damit in seinem Interview mit Maurice Ashley als sportlicher Verlierer, was den Tag abrundete. Carlsens Aussage entsprach aber auch der allgemeinen Stimmung von St. Louis: Jeder gönnte MVL den größten Titelgewinn seiner Karriere.

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MVL hat die 2800 wieder überschritten und ist die neue Nummer 2 der Welt.

Der "Franzose mit den 2 Namen" ist nun seit 3 Jahren durchgehend in den Top10 der Welt, oder zumindest nahe daran. Seine größten Erfolge waren die mehrmaligen Siege in Biel und 2016 in Dortmund, aber ein so starkes Turnier hatte er noch nie gewonnen.

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MVL zog sich um, ging zurück zum Club und wurde von Aronian am Eingang abgeklatscht.. | Foto: Maria Emelianova.

"Ich hatte einen Job zu erledigen und ich hab es gemacht," sagte Vachier-Lagrave. Er gewann seine Partie gegen Nepomniachtchi nachdem der bis dahin punktgleiche Anand nur remisierte und sah dann zu wie der ebenfalls punktgleiche Aronian seine Partie verlor. Ein weiterer Sieg des heutigen Tages ging dabei fast unter: Der von Svidler gegen Caruana.

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Gleich 5 Spieler hatten noch die Chance das Turnier zu gewinnen und der erste, der diese Chance nicht wahrnahm, war Viswanathan Anand. Er hatte gegen Wesley So die schwarzen Figuren und schien nie wirklich an seinen Turniersieg zu glauben: "Er wollte solide spielen, keine Fehler machen und sehen was dabei herauskommt," sagte Anand über die Strategie seines Gegners in der letzten Runde. "Ich dachte, ich hätte von allen die geringste Chance auf den Gesamtsieg."

Trotzdem war der fünfmalige Weltmeister aber mit seinem Ergebnis zufrieden. "Plus 2 ist mein bestes Ergebnis in St. Louis."

So: "Nach der gestrigen Partie hatte ich wirklich genug von diesem Turnier und eingesehen, dass ich in diesem Jahr hier leider einfach kein gutes Schach spielen kann. Trotzdem möchte ich aber Gott für die Erfahrungen ,die ich machen durfte, und für meine gesamte Karriere danken."

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Anand hatte keine Lust auf einen großen Kampf. | Foto: Maria Emelianova.

Als nächster verspielte Sergey Karjakin seine Chance auf den Gesamtsieg. Ebenfalls mit den schwarzen Figuren einigte sich der Russe schnell mit Hikaru Nakamura auf ein Remis. Beide Spieler hatten in dieser Partie stark begonnen aber plötzlich waren keine Figuren mehr auf dem Brett.

"Ich konnte in dieser Partie wahrscheinlich nichts bessere machen, als das, was ich gemacht habe," sagte Karjakin.

Nakamura sprach von einem "schwierigen Turnier". Gegen Nepomniachtchi war es einfach nicht sein Tag "und danach war es einfach nicht mein Turnier, obwohl ich eigentlich ziemlich gut gespielt habe."

nullNakamura-Karjakin endete mit einem Remis. | Foto: Maria Emelianova.

Jetzt liefen noch 3 Partien und in allen dreien stand der anziehende besser. Wie es sich zeigte, sollten auch alle 3 Partien von Weiß gewonnen werden.

Maxime Vachier-Lagrave schlug als erster zu. Er erreichte gegen Ian Nepomniachtchi eine vielversprechende Stellung mit einem starken Springer gegen einen schwachen Läufer, also eigentlich genau die Stellung auf die man hofft, wenn man die 7.Sf3 Variante gegen Najdorf spielt.

Mit seinem Mittelspiel war er nicht einmal besonders zufrieden, aber nach dem 40. Zug hatte er alles unter Kontrolle.

Der Franzose begann dann nach jedem Zug im Turniersaal umherzuwandern und zögerte vor jedem Zug den er ausführte, da er wusste was mittlerweile auf dem Spiel stand. Er beendete die Partie aber wie ein echter Champion.

"Ab einem gewissen Punkt konzentrierte ich mich nur noch darauf, meinen Vorteil bestmöglich zu nutzen. Ich hatte keine Zweifel daran, dass ich die Partie irgendwie gewinnen würde."
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Im Schachclub von St. Louis war heute einiges los. | Foto: Maria Emelianova.

MVL's Sieg bedeutete gleichzeitig den Turniersieg... aber nicht sofort, denn die Partie zwischen Magnus Carlsen und Levon Aronian war noch nicht beendet, und theoritisch konnte letzterer mit einem Sieg noch mit Vachier-Lagrave gleichziehen. Praktisch hatte Carlsen zu diesem Zeitpunkt aber 2 Mehrbauern und so gut wie gewonnen.

Trotzdem antwortete Vachier-Lagrave, als ihm Maurice Ashley bereits zum Turniersieg gratulierte mit den Worten: "Verschrei es nicht!"

Die Partie der Nummer 1 gegen die Nummer 2 der Welt wurde spanisch Eröffnet und ging in die Anti-Marshall Variante mit 8.a4 über. "Er hat seine Stellung etwas überschätzt," sagte Carlsen über die Züge seines Gegners nach der Eröffnung.

Der Weltmeister fand 19.Lxc5! und 21.Tf1!, mit denen er die schwarze aktivität neutralisierte. Als seine Bedenkzeit immer weniger wurde entschied er sich für Züge, die "nicht verlieren", aber "vielleicht auch nicht gewinnen."

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Carlsen gewann, obwohl er in großer Zeitnot war. | Foto: Maria Emelianova.

Aronian war dann wieder in der Partie, aber im 31. Zug machte er einen großen Fehler. "Ich hatte diesen Zug überhaupt nicht gesehen, aber glücklicherweise war er nicht besonders gut," sagte Carlsen.

Danach hätte Carlsen eigentlich schneller gewinnen sollen und um ein Haar hätte er auf Zeit verloren, denn einen Zug spielte er mit nur noch 2 Sekunden auf seiner Uhr. Auf diese Weise zu verlieren wäre nicht nur für Carlsen, sondern auch für MVL ärgerlich gewesen, denn der Franzose hat schon die Playoffs in London 2016 und Paris 2017 verloren.

Carlsen: "Es ist für mich ein riesen Unterschied, ob ich geteilter Zweiter, oder Vierter, Fünfter oder sonstwas werde."

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Carlsen and Aronian talking variations afterward. | Photo: Maria Emelianova.

Peter Svidler startete mit einer Niederlage gegen Karjakin in das Turnier und spielten dann sieben Partien in Serie Remis. In der letzten Runde konnte er aber, nachdem er Fabiano Caruana mit einer interessanten Nebenvariante der englischen Eröffnung besiegen konnte, seine 50% wiederherstellen. Caruana hatte diese Variante schon gegen Veselin Topalov in Paris gespielt.

Nach einigen stillen Zügen fand Svidler dann einen überraschenden und brillianten 14. Zug. Er zog seinen Bauern auf b4, wo er gleich von 4 Figuren geschlagen werden konnte! Das war ein großartiges Konzept um seine eigene Entwicklung zu beschleunigen. Svidler gewann dann einen Bauern und war der Herausforderung, die Partie daraufhin zu gewinnen, gewachsen. 

"Ich glaube meine Stellung war gut, aber im frühen Mittelspiel wurde ich überspielt," sagte Caruana, der damit das Turnier mit einem enttäuschenden Resultat von Minus 1 beendete.

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Caruana gibt seine Partie gegen Svidler auf. | Foto: Maria Emelianova.

Und so wurde die fünfte Ausgabe des Sinquefield Cups ohne Playoff entschieden. Das war für alle eine Erleichterung, denn die Playoff Regeln sind, gelinde gesagt, umstritten. Der Turniersieger Vachier-Lagrave nannte diese Regeln in seinem Interview mit Chess.com sogar "sinnlos".

Aber jetzt spricht niemand mehr darüber, denn alle wollen dem Sieger gratulieren!

"Maxime spielte stark," sagte Carlsen. "Er war nur in einer Partie in Schwierigkeiten und das war in der Partie gegen mich. Das macht den Unterschied."

Auch wenn er das Turnier nicht gewonnen hat, verlässt Carlsen St. Louis mit einem Lächeln. "Ich habe in letzter Zeit so schlecht gespielt, dass dieses Turnier ein richtiger Befreiungsschlag war. Also, ich war immer noch weit von jeglicher Perfektion entfernt aber ich habe mir in fast jeder Partie Chancen herausgespielt anstatt nur Holzfiguren herumzuschieben, wie ich es letztlich getan habe. Jetzt freue ich mich richtig auf den Welt Cup und ein bisschen auch auf die kleine Turnierpause."

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Sinquefield Cup 2017 | Abschlußtabelle

# Land Name ELO Lstg. 1 2 3 4 5 6 7 8 9 0 Punkte SB
1 Vachier-Lagrave,M 2791 2907 1 ½ ½ ½ ½ ½ ½ 1 1 6.0/9
2 Carlsen,M 2822 2862 0 ½ 1 1 ½ ½ ½ ½ 1 5.5/9 23.25
3 Anand,V 2783 2866 ½ ½ ½ ½ ½ 1 ½ 1 ½ 5.5/9 23.25
4 Karjakin,S 2773 2828 ½ 0 ½ ½ 1 ½ ½ ½ 1 5.0/9 21.00
5 Aronian,L 2799 2825 ½ 0 ½ ½ ½ 0 1 1 1 5.0/9 20.00
6 Svidler,P 2749 2792 ½ ½ ½ 0 ½ 1 ½ ½ ½ 4.5/9
7 Caruana,F 2807 2747 ½ ½ 0 ½ 1 0 ½ ½ ½ 4.0/9
8 Nakamura,H 2792 2709 ½ ½ ½ ½ 0 ½ ½ 0 ½ 3.5/9
9 Nepomniachtchi,I 2751 2672 0 ½ 0 ½ 0 ½ ½ 1 0 3.0/9 13.00
10 So,W 2810 2665 0 0 ½ 0 0 ½ ½ ½ 1 3.0/9 11.75

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Wer will noch ein Autogramm vom Turniersieger? | Foto: Maria Emelianova.

Bereits am Dienstag beginnt das Schnellschach- und Blitzturnier in Saint Louis. Dank der Teilnahme von Garry Kasparov ist dies wohl eines der interessantesten Turniere des Jahres.

Karjakin sagte über sein Duell mit dem Boss: "Ehrlich gesagt bin ich total aufgeregt, denn ich habe noch nie gegen ihn gespielt. (...) Ich hoffe, dass ich es aunutzen kann, dass er seit 12 Jahren nicht gespielt hat!"

Leider werden wir aber nicht das Duell Carlsen gegen Kasparov zu sehen bekommen. Der Norweger hätte zwar nur zu gerne bei diesem Turnier mitgespielt aber so, wird er wie jeder andere Schachfan auch, das Turnier gespannt am Bildschirm verfolgen.


Zum Weitersurfen:

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Peter Doggers

Peter Doggers joined a chess club a month before turning 15 and still plays for it. He used to be an active tournament player and holds two IM norms. Peter has a Master of Arts degree in Dutch Language & Literature. He briefly worked at New in Chess, then as a Dutch teacher and then in a project for improving safety and security in Amsterdam schools. Between 2007 and 2013 Peter was running ChessVibes, a major source for chess news and videos acquired by Chess.com in October 2013. As our Director News & Events, Peter writes many of our news reports. In the summer of 2022, The Guardian’s Leonard Barden described him as “widely regarded as the world’s best chess journalist.”

Peter's first book The Chess Revolution is out now!

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