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Praggnanandhaa überlebt den Tiebreak - Salimova steht im Finale
Praggnanandhaa R. Foto: Maria Emelianova/Chess.com.

Praggnanandhaa überlebt den Tiebreak - Salimova steht im Finale

VSaravanan
| 0 | Berichterstattung von einem Schach-Event

Praggnanandhaa Rameshbabu und Arjun Erigaisi lieferten sich beim FIDE Weltcup 2023 im Tiebreak einen spannenden Kampf um den Einzug ins Halbfinale. Nach zwei Remis in den Schnellschachpartien mit einer Bedenkzeit von 25+10 übernahm Praggnanandhaa zweimal die Führung, indem er die erste Partie mit einer Bedenkzeit mit 10+10 und die erste mit einer Bedenkzeit von 5+3 jeweils mit Schwarz gewann, aber beide Male gelang es Arjun mit Schwarz zurückzuschlagen. Schließlich gewann Praggnanandhaa die erste Sudden Death Partie mit Weiß und stand damit als Sieger dieses rein indischen Duells fest.

Damit wird er am Samstag im Halbfinale gegen Fabiano Caruana spielen. Das andere Halbfinale bestreiten Magnus Carlsen und Lokalmatador Nijat Abasov.

Bei den Damen setzte die junge Bulgarin Nurgyul Salimova ihren Traumlauf fort und besiegte Anna Muzychuk im 10+10 Schnellschach mit 1.5:0.5 und steht jetzt im Finale gegen Aleksandra Goryachkina.

Das Finale der Damen und die Halbfinale im Open beginnen am Samstag, dem 19. August, um 13:00 Uhr.

   So könnt Ihr zusehen:
Wir übertragen alle Runden des Weltcups auf den englischsprachigen Chess24-Kanälen auf Twitch und Youtube.
Alle Partien des gesamten Turniers findet Ihr auf unseren Eventseiten für das Open und die Damen. Hier seht Ihr die Aufzeichnung der Übertragung vom Donnerstag.
Kommentatoren: David Howell und Peter Leko.

Open: Arjun - Praggnanandhaa

Nach dem Match sprach Praggnanandhaa im Live-Kommentarkanal und lobte Arjuns Eröffnungsvorbereitung. "Arjun ist mit beiden Farben immer sehr gut vorbereitet und besonders mit Schwarz ist er sehr stark. Er verfügt auch über diese Schnell- und Blitzrepertoires! Das zu bekämpfen, ist sehr schwer."

Das Match verlief zunächst genau so, wie Praggnanandhaa es beschrieben hatte. Arjun beeindruckte in den ersten 4 Partien in der Tat mit seiner Eröffnungsvorbereitung und zeigte kreative, manchmal sogar skurrile Konzepte und gewann damit stets wertvolle Zeit auf der Uhr. Man muss ihm zugutehalten, dass Praggnanandhaa in den meisten Situationen die Fassung bewahrte und mit gesundem Menschenverstand reagierte und schließlich das Match gewann, als er sich in der letzten Partie eine zufriedenstellende Ausgangslage verschaffte.

Schchnellschach, 25+10: 1:1

Arjun schien für die erste Partie gut gerüstet gewesen zu sein, da er seine Vorbereitung in der Dc2-Variante der Nimzo-Indischen Verteidigung bis weit ins Endspiel hinein blitzte. Es erwies sich als typisches Gedächtnisspiel zwischen zwei Spitzenspielern mit gründlicher Vorbereitung, da Praggnanandhaa die Stellung ausgeglichen halten konnte, obwohl er dafür etwas mehr Zeit aufwenden musste. In der ansonsten ausgeglichenen Partie gab es im Endspiel einen Moment von merkwürdiger Komplexität:

Arjun zeigte die Tiefe seiner Vorbereitung und erreichte diese Stellung, nachdem er kaum Zeit auf seiner Uhr verbraucht hatte, während Praggnanandhas Uhr nur noch sechs Minuten anzeigte. Zu diesem Zeitpunkt zeigten die Schach-Engines den Zug 28...Df5 als eindeutigen Weg zum Ausgleich, was darauf hinwies, dass das wahrscheinliche Turmendspiel nach 29.Dxf5 exf5 30.Td6 Ta2 31.Txa6 theoretisch ein Remis sein würde. Ein merkwürdiger Fall maschineller Erkenntnis beim Schach.

In der Partie erlaubte Arjun nach Praggnanandhaas 28...Ta2 29.Ta4 und Db2, woraufhin Schwarz genügend Gegenspiel erlangte.

Zu Beginn der zweiten Partie waren die Zuschauer und Kommentatoren zutiefst verblüfft, als Arjun in der Eröffnung ein merkwürdiges Konzept spielte:

In einer scheinbar standardmäßigen Carlsbad-Struktur, die aus dem abgelehnten Damengambit entstanden war, fuhr Arjun mit 4...Se7 5.e3 Sg6 6.Lg3 Sh4 7.Sf3 und Sf5 fort und eroberte mit seinem Springer nach ein paar Zügen den Läufer auf g3. Arjun zog in der Eröffnungsphase dieser Partie insgesamt fünfmal seinen Springer, gewann damit aber auch sieben Minuten auf der Uhr seines Gegners.

Kommentator Leko beschrieb das Vorgehen mit tiefer Verwirrung: "Wow! Schwarz spielt 4...Se7, was ich noch nie in meinem Leben gesehen habe. Das ist der typische Arjun... Er wählt gerne diese sehr interessanten, unbekannten Varianten."

Praggnanandhaa reagierte darauf pragmatisch und erreichte im Endspiel ein Remis.

Der Tiebreak in vollem Gang. Foto: Maria Emelianova/Chess.com.

Schnellschach, 10+10: 1:1

Die erste Partie mit der verkürzten Bedenkzeit von 10+10 begann bereits kreative, nachdem Arjun beschlossen hatte, das Mittelgambit zu spielen und darauf einige unorthodoxe Entscheidungen traf, die von den Engines missbilligt wurden. Damit legte er aber den Grundstein für eine dramatische Partie:

Genau wie in der vorherigen Partie verstieß er erneut gegen etablierte Stellungsprinzipien und antwortete auf 5...Le7 mit 6.c4, was den Weg für eine entzückende kreative Partie bereitete. In dieser Partie kam es zu einem erstaunlichen Aufeinanderprallen von Ideen, was Leko zu der Feststellung brachte: "Schach ist verrückt!" und Howell antwortete: "Das Können dieser Spieler ist verrückt … So hartnäckig, so einfallsreich."

Die Partie erwies sich als brutaler Nahkampf, den man nur im Schnellschach zu sehen bekommt:

Jetzt stand Arjun vor der gewaltigen Aufgabe, mit den schwarzen Figuren gewinnen zu müssen und es gelang ihm mit überraschender Leichtigkeit. Der Grundstein dafür war wieder seine Eröffnungsvorbereitung:

Blitz, 5+3: 1:1

Trotz all seiner bisher gezeigten Vorbereitung verwechselte Arjun in der ersten Blitzpartie die Zugreihenfolge. In der italienischen Eröffnung schien er mit 8.a4 einen Fingerfehler begangen zu haben, woraufhin Praggnanandhaa mit aggressivem Spiel am Königsflügel die Initiative ergriff und eine glatte Partie gewann:

Wieder musste Arjun mit Schwarz gewinnen und wieder ist es ihm gelungen. Wie zuvor zeigte er eine raffinierte Eröffnungsvorbereitung, aber dann wurde die Partie chaotisch:

Sudden Death! Bedenkzeit: 3+2

Ein Sudden Death bedeutet im Schach, dass die beiden Spieler so lange mit einer Bedenkzeit von 3+2 blitzen, bis einer eine Partie gewinnt. Die Farbe für die erste Partie wurde ausgelost und Praggnanandhaa gewann das Recht, mit den weißen Steinen beginnen zu dürfen.

Das erste Drama ereignete sich bereits zu Beginn der Partie, denn als die Uhren gestartet wurden, war Praggnanandhaa noch nicht am Brett und man konnte sehen, dass sich auch Arjun unwohl fühlte.

Nach etwa 30 Sekunden traf Praggnanandhaa dann am Brett ein, übernahm von Anfang an die Kontrolle über die Partie und 72 Züge später stand er im Halbfinale des Weltcups.

The Big Greek hat sich diese Partie ganz genau angesehen und erklärt uns, wie sie Praggnanandhaa gewinnen konnte:

Praggnanandhaas stolze Mutter. Foto: Maria Emelianova/Chess.com.

Der Turnierbaum

Alle Partien des Tiebreaks im Open

Damen: Muzychuk-Salimova

Nachdem diese Spielerinnen den Tiebreak erreicht hatten, wurden einige Verbindungen zwischen den beiden aufgedeckt. Abgesehen davon, dass sie Teamkollegen in der Bundesliga sind, verbindet die Protagonistinnen noch eine andere Sache:

Bisher hat sich Salimova in einer hervorragenden Form präsentiert, aber Musychuk ist immerhin eine Großmeisterin und hat etwa 100 Elo-Punkte mehr aufzuweisen und ging deshalb als Favoritin in diesen Stichkampf.

Schnellschach, 25+10: 1:1

Muzychuk zeigte gleich im ersten Spiel ihre Klasse und eine bewundernswerte Vorbereitung. Obwohl sie über ihren Zug 12.d5 zwei Minuten nachdachte, schien die Idee frisch zu sein und Weiß schien die Partie zu dominieren.

Als Salimova im Gegenzug einen Bauern opferte, sorgte das für große Aufregung, aber die Kommentatoren waren von ihrer Entscheidung nicht sonderlich beeindruckt.

Als Howell sagte: "Es sieht so aus, als wäre Muzychuk sehr gut vorbereitet", antwortete Leko: "Das sieht nach einem Verzweiflungsopfer aus. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Schwarz eine ernsthafte Kompensation hat. Es scheint, als ob Muzychuk ihre Gegnerin mit der Vorbereitung erwischt hat." Die Partie war aber noch nicht vorbei.

Anna Muzychuk. Foto: Maria Emelianova/Chess.com.

Wie die Partie dann weiter- und ausgegangen ist, zeigt uns Großmeister Rafael Leitao:



Diese Partie erhielt viel Aufmerksamkeit, vor allem wegen der energischen Art, wie Salimova spielte:

Jetzt befand sich Muzychuk in der wenig beneidenswerten Situation, mit den schwarzen Figuren gewinnen zu müssen und wählte dafür die Holländische Verteidigung.

Leko fasste die sich entwickelnde Partie kurz und bündig zusammen: "Das ist es, was Muzychuk tun muss. Sie muss den Moment spüren. Sie kann nicht einfach normales Schach spielen. Sie muss ihr Bestes geben und ein Risiko eingeben, auch wenn es nicht gesund ist. Für eine Spielerin mit solch einer Klasse wie Anna ist es psychologisch nicht einfach, so etwas zu tun, aber sie versteht die Bedeutung der Situation. Kritische Situationen erfordern drastische Maßnahmen."

Critical situations call for drastic measures.

— Peter Leko

Salimova versuchte verständlicherweise, die Stellung sicher und einfach zu halten, doch Muzychuk steigerte den Druck langsam und stetig und zeigte an einem wichtigen Punkt ihre ganze Klasse:

Es erforderte ein gutes Urteilsvermögen, um über einen möglichen Damentausch zu entscheiden. Eine Vereinfachung hätte möglicherweise zum Ausgleich geführt, was bedeutet hätte, dass Muzychuk mit der Aussicht konfrontiert war, aus dem Weltcup auszuscheiden. Allerdings endete die Partie dann mit einem völlig überraschenden Sieg für Muzychuk:

Nach der Partie wurde Muzychuk von Leko gelobt: "Man muss die unglaublichen Qualitäten von Anna bewundern: Kampfgeist, Gelassenheit, ihre Nerven im Zaum halten … im Grunde eine perfekte Partie – all ihre Entscheidungen waren ausgezeichnet!"

Schnellschach 10+10

Die erste Partie mit der verkürzten Bedenkzeit von 10+10 erwies sich als die entscheidende. Salimova spielte von Anfang an energisch und fand eine hervorragende Möglichkeit, zum schwarzen König vorzudringen:

Dies war wahrscheinlich der Moment, der bewies, dass Salimova den Sieg und einen Platz im Kandidatenturnier der Damen 2024 verdient hat. Sie zeigte während der gesamten Partie puren Tatendrang und beendete sie mit einer sehenswerten Kombination:

In der letzten Partie gelang Muzychuk kein erfolgreicher Angriff auf den schwarzen König und in einer komplizierten Stellung unterlief ihr dann auch noch ein Fehler:

Nurgyul Salimova. Foto: Maria Emelianova/Chess.com.

Mach dem Match gab die glückliche Salimova noch bekannt, dass ihr Nijat Abasov und GM Cem Kaan Gokerkan bei diesem Turnier zur Seite stehen:

Salimova mit Abasov (links) und Gokerkan. Foto: Maria Emelianova/Chess.com.

Der Turnierbaum des Damenturniers


Alle Partien des Tiebreaks der Damen

Nach dem Ruhetag am Freitag geht es am Samstag im Open mit den Halbfinals Carlsen-Abasov und Caruana-Praggnanandhaa weiter und bei den Damen steht bereits das Finale Goryachkina-Salimova auf dem Programm. Muzychuk und Tan spielen zeitgleich das Spiel um den dritten Platz.

Der FIDE Weltcup 2023 ist ein K.-o.-Turnier im Matchformat. Jedes Match besteht aus zwei klassischen Partien und sollte es danach Unentschieden stehen, entscheidet ein Schnellschach-Tiebreak über das Weiterkommen. Der Damen-Weltcup läuft bis zum 21. August und das Open bis zum 24. August. Insgesamt gibt es in Baku 2.5 Millionen US-Dollar zu gewinnen.


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