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Radjabov gewinnt den FIDE Weltcup 2019
World Cup winner Teimour Radjabov with fans and the Azeri flag. Photo: Kirill Merkuryev/FIDE.

Radjabov gewinnt den FIDE Weltcup 2019

PeterDoggers
| 0 | Berichterstattung von einem Schach-Event

Teimour Radjabov gewann den mit $110,000 dotierten FIDE World Cup 2019. In Tiebreak des Finales besiegte er Ding Liren (der auch noch $80,000 bekam). Maxime Vachier-Lagrave ($60,000) gewann das "Spiel um Platz 3" gegen Yu Yangyi ($50,000) im Schnellschach-Entscheid.

Der FIDE Weltcup wurde bis jetzt von Levon Aronian (2005), Gata Kamsky (2007), Boris Gelfand (2009), Peter Svidler (2011), Vladimir Kramnik (2013), Sergey Karjakin (2015) und nochmals Aronian (2017) gewonnen. Heute wurde dieser illustren Liste ein weiterer Name hinzugefügt: Teimour Radjabov.

Der 32-jährige Aserbaidschaner blieb bemerkenswert cool und zeigte in dem Moment, als es darauf ankam, Kampfgeist. In einem an Spannung nicht zu überbietenden Finale besiegte er den 26-jährigen Ding, den Top-Gesetzten des Turniers, in der 5+3 Sektion des Tiebreaks.

Radjabov Ding 2019 FIDE World Cup final
Ding und Radjabov starten das Finale. Foto: Kirill Merkuryev/FIDE.

Der Name Radjabov tauchte erstmals in den Schlagzeilen auf, als er 2003 mit 15 Jahren Garry Kasparov in Linares besiegte. Neun Jahre später, im November 2012, erreichte der aserbaidschanische Spieler seine Höchstwertung von 2793 und stand auf Platz vier der Weltrangliste.

Mittlerweile schreiben wir aber das Jahr 2019 und Radjabov ist nicht mehr unter den Top 10 zu finden. So war es mehr als eine kleine Überraschung, dass er Vachier-Lagrave im Halbfinale besiegen und sich damit sowohl für das Finale als auch für das Kandidatenturnier 2020 qualifizieren konnte. Für einen Spieler, der nicht sehr aktiv ist und dem es seit einiger Zeit an Motivation mangelt, war dies geradezu eine grandiose Leistung.

Erste letzte Woche enthüllte Radjabov noch in einem Interview, dass er sich schon länger mit seinem Karriereende beschäftigt: "Entweder du bist hier und spielst vernünftiges Schach oder du bleibst einfach zu Hause. Darüber habe ich mir in den letzten 10 Jahren Gedanken gemacht," sagte er.

Vielleicht war es diese Einstellung, die ihn heute davon abgehalten hat, nervös zu werden. Nichts zu erwarten und glücklich die Außenseiterposition anzunehmen, kann tatsächlich helfen.

Radjabov 2019 FIDE World Cup final
Radjabov, blieb heute cool wie ein Eiswürfel. Foto: Kirill Merkuryev/FIDE.

Im Game Viewer weiter unten könnt Ihr Euch die beiden Schnellschachpartien und die 10+10 Partien ansehen. Fairerweise sollte erwähnt werden, dass Ding gleich zweimal auf Gewinn stand, aber die eigentliche Aktion fand in den 5+3-Partien statt.

In der ersten Partie stand Ding in einem Katalanen leicht besser, aber Radjabov konnte die Stellung halten. Je weiter dann das Endspiel fortschritt, desto wohler fühlte sich Schwarz und es war genau hier, als Radjabov beschloss Radjabov, ein bisschen weiterzukämpfen.

"Sicher war seine Niederlage in der ersten Blitzpartie absolut unnötig", sagte Radjabov. "Ich denke, er hat dort viele Male eine Remisstellung gehabt und irgendwann stand er vielleicht sogar ein bisschen besser. Dann hat er mir Remis geboten und irgendwie dachte ich, er könnte vielleicht nervös sein, denn ansonsten würde er doch durch eine Zugwiederholung ein Remis forcieren."

Ding Liren 2019 FIDE World Cup final
Dings Remisgebot machte ihn verwundbar. Foto: Kirill Merkuryev/FIDE.

So richtig unangenehm wurde die Stellung, als Ding eine Springergabel übersah und sich in ein Läufer gegen Springerendspiel mit einem weit Geschehen entfernten König wiederfand. Die Partie hätte aber immer noch mit einem Remis enden können, wenn der Chinese die richtige, aktive Verteidigung gefunden hätte:

Das war für den Mann, der erst vor einem Monat Magnus Carlsen in einem Playoff besiegt hatte, eine harte und unerwartete Niederlage. Müdigkeit kann hier durchaus eine Rolle gespielt haben, obwohl Radjabov natürlich auch nicht mehr ganz frisch war!

"Ich kann im Moment noch nicht einmal etwas fühlen, weil es [...] einfach nur extreme Erschöpfung ist", sagte er, nachdem er, nachdem er auch die zweite Partie gewonnen hatte. "OK, ich bin nur glücklich über die letzten beiden Partien, in denen ich ihn in den Abschnitten, in denen sich nur die Hände bewegen, überspielen konnte."

Ding hätte mit dem, was er im zweiten Spiel bekam, zufrieden sein sollen: ein Rauser Sizilianer, der zu einem spielbaren Mittelspiel führte.

Radjabov: "In der zweiten Partie stand er natürlich vor der kniffligen Aufgabe, als Schwarzer gewinnen zu müssen. Ich war mir nicht sicher, ob ich mit 1.d4 oder 1.e4 beginnen sollte. Wenn man mit Weiß nur Remis spielen muss, weiß man nicht richtig was man machen soll. Besonders in so einem Moment in dem alles auf dem Spiel steht. Es ist ja etwas anderes, als wenn in seinem Wohnzimmer spielt und dort versucht, ein Remis zu erreichen.

Radjabov 2019 FIDE World Cup press conference
Die Finalisten bei der Pressekonferenz. Foto: Kirill Merkuryev/FIDE.

Und dann gab es tatsächlich dem Moment, in dem Ding die Chance hatte, zurückzukommen, aber in der Kürze der Zeit hatte er den Zug 23...Dc7 nicht gefunden. Radjabov spürte, dass er in Schwierigkeiten steckte, kam aber damit davon, weil sein Gegner die entscheidende Idee nicht fand.

"Irgendwann, glaube ich, waren meine Figuren unkoordiniert", sagte Radjabov, "und da hatte ich dann auch weniger Bedenkzeit. Vielleicht zwei Minuten weniger. Aber irgendwie konnte ich die Stellung ausgeglichen halten. Ich schaffte es, meine Figuren auf sicheres Terrain zurückzuziehen und meine Dame auf b6 zu stellen, was ich für eine gute Entscheidung halte. Danach kontrollierte ich das Feld f2 und musste mir keine Sorgen um irgendwelche Opfer wie Turm schlägt f2 oder andere Drohungen machen. "

Von diesem Punkt an ging es für Ding nur noch bergab. Radjabov, dem ja schon ein Remis genügte, konnte die Partie am Ende sogar durch einen tollen Trick gewinnen.


FIDE Interview mit Radjabov.

Radjabovs bodenständige Herangehensweise an dieses Turnier, die ihn dazu brachte, das Ganze zu gewinnen, war in seinem letzten Interview immer noch präsent. Er schien nicht sehr aufgeregt zu sein und man hatte fast das Gefühl, dass sich jeder der 127 anderen Teilnehmer mehr über diesen Sieg gefreut hätte.

"Eigentlich macht es für mich überhaupt keinen Unterschied", sagte Radjabov. "Es ist nicht so, dass ich jetzt feiern würde wie ich es mit 15 oder 16 gemacht habe, als ich Garry [Kasparov] in Linares besiegen konnte. Damals war ich wirklich glücklich, da er der beste Spieler der Welt war und ich mein ganzes Leben lang seine Partien studiert hatte. Aber obwohl das damals ja nur eine gewonnene Partie war und ich heute ein ganzes Turnier gewonnen habe, kann man die Freude über die beiden Siege nicht miteinander vergleichen."

Dings Kommentar zum Finale bei der Pressekonferenz war kurz und schmerzlos: "Ich denke, er hat heute gut gespielt. Besser als ich."

Ding Liren loses 2019 FIDE World Cup final
Ding hat jetzt zwei Weltcupfinals in Folge verloren. Foto: Kirill Merkuryev/FIDE.

Weit weniger spannend verlief das Spiel um Platz drei. Vachier-Lagrave gewann beide Schnellschachpartien überzeugend und das Duell war nach nicht einmal zwei Stunden Spielzeit bereits entschieden.

Obwohl Yu in den beiden klassischen Partien mit der Russischen Verteidigung solide Remis erzielt hatte, entschied er sich in der ersten Schnellschachpartie für die Sizilianische Verteidigung. Es scheint, als wäre er von MVLs ungewöhnlichem System mit einem frühen Fianchetto und De2 überrascht worden, denn der Chinese stand bereits nach der Eröffnung deutlich schlechter. Vachier-Lagrave zeigte darauf seine ganze Klasse und verwertete die vorteilhafte Stellung:

Vachier-Lagrave Yu Yangyi tiebreak 2019 FIDE World Cup press conference
Vachier-Lagrave und Yu Yangyi spielten direkt neben dem Finaltisch um Platz 3. Foto: Kirill Merkuryev/FIDE.

Yus Wahl der Eröffnung in der zweiten Partie machte deutlich mehr Sinn: Das 7.Da4+ System im Gruenfeld. Es war genau dieser Zug, mit dem Shakhriyar Mamedyarov im Juli beim Grand Prix in Riga einen vernichtenden Sieg über Vachier-Lagrave feiern konnte. 

MVL wich aber sofort mit 7...Sd7 von dieser Partie ab und verlies sich auf die Fortsetzung, die schon Wei Yi erfolgreich gegen Yu gespielt hatte. Jetzt war Yu an der Reihe um eine Verbesserung zu finden, aber anstatt die Variante zu verbessern, verschlechterte er sie sogar und schon nach kurzer Zeit hatte MVL abermals die volle Kontrolle über die Partie erlangt:

FIDE Interview mit MVL.

"Das ist natürlich eine riesige Erleichterung", sagte MVL. "Es ist immer noch enttäuschend, dass ich es nicht geschafft habe, mich direkt für das Kandidatenturnier zu qualifizieren, aber ich hoffe natürlich, meine Chance beim FIDE Grand Prix im November nutzen zu können. Das Turnier mit einem Sieg zu beenden ist aber natürlich sehr positiv. Ich habe heute sehr gut gespielt aber ich hatte auch schon nach den Eröffnungen sehr gute Stellungen und das hat mir natürlich sehr geholfen.

Damit geht für Vachier-Lagrave eine sehr lange Turnierserie zu Ende. Diese hatte Mitte Juli in Riga mit dem Grand Prix begonnen und führte ihn dann über Paris (Grand Prix) und St. Louis (Grand Chess Tour und Sinquefield Cup) zum FIDE Weltcup. Und dazwischen hatte MVL sogar noch Zeit für das Chess.com Speed Chess Duell mit Wei Yi gefunden.

Vachier-Lagrave interview 2019 FIDE World Cup press conference
Vachier-Lagrave beim Interview mit Eteri Kublashvili von der FIDE. Foto: Kirill Merkuryev/FIDE.

Da ist es natürlich enttäuschend, aber auch verständlich, dass er die Einladung zum kommenden FIDE Chess.com Turnier auf der Isle of Men ausgeschlagen hat. MVL sagte: "Ich entkomme meinen Pflichten. Ich spiele im Grunde genommen seit Ende Juni ohne Unterbrechung, also nehme ich mir den Oktober frei!"

Als Nächstes steht für den französischen Großmeister das dritte Turnier der FIDE-Grand-Prix-Turnierserie auf dem Programm - seine derzeit beste Chance, sich für das Kandidatenturnier zu qualifizieren - jedoch nicht ohne vorher den dritten Platz beim Weltcup zu feiern.

"Ich werde wahrscheinlich mit meinen Freunden etwas trinken gehen", sagte MVL. "Danach werde in Paris abhängen und sehen, wie es läuft und in etwa einem Monat gehts dann ja eh schon wieder nach Hamburg, zum FIDE Grand Prix."

FIDE Weltcup Finale

Gesetzt Land Titel Spieler - Gesetzt Land Titel Spieler G1 G2 G3 G4 TB1 TB2 TB3 TB4 TB5 TB6 TB7
1 GM Ding Liren - 10 GM Teimour Radjabov ½-½ 1-0 0-1 ½-½ ½-½ ½-½ ½-½ ½-½ 0-1 0-1 .
3 GM Vachier-Lagrave Maxime - 12 GM Yu Yangyi ½-½ ½-½ ½-½ ½-½ 1-0 1-0 . . . . .

Alle heutigen Partien:

Turnierbaum:

2019 FIDE World Cup final bracket(Klickt auf das Bild, um es zu vergrößern.)

Der FIDE Weltcup fand vom 9. September bis zum 4. Oktober in Khanty-Mansiysk, Russland statt. Jede Runde bestand aus 2 Partien mit klassischer Bedenkzeit und - falls nötig - einen Tiebreak am dritten Tag. Im Finale wurden 4 klassische Partien gespielt. Beide Finalisten qualifizierten sich für das Kandidatenturnier 2020. Die 128 Teilnehmer spielten um ein Preisgeld von 1.45 Millionen Euro. Weitere Informationen findet Ihr in unserer Vorschau auf den Weltcup 2019.

Als Nächstes steht das FIDE Chess.com Grand Swiss auf der Isle of Man auf dem Programm. Der Sieger dieses Turniers qualifiziert sich ebenfalls für das Kandidatenturnier 2020. Die Top-Gesetzten Spieler sind Magnus Carlsen, Fabiano Caruana, Wesley So und Viswanathan Anand.

Weitere internationale Top-Turniere findet Ihr in unserem Turnierkalender.


Chess.com hat vom FIDE Weltcup 2019 ausführlich berichtet. Hier findet Ihr alle Artikel:

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Peter Doggers

Peter Doggers joined a chess club a month before turning 15 and still plays for it. He used to be an active tournament player and holds two IM norms. Peter has a Master of Arts degree in Dutch Language & Literature. He briefly worked at New in Chess, then as a Dutch teacher and then in a project for improving safety and security in Amsterdam schools. Between 2007 and 2013 Peter was running ChessVibes, a major source for chess news and videos acquired by Chess.com in October 2013. As our Director News & Events, Peter writes many of our news reports. In the summer of 2022, The Guardian’s Leonard Barden described him as “widely regarded as the world’s best chess journalist.”

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