Russland gewinnt die Schnellschach Mannschafts-Weltmeisterschaft der Damen
Russland besiegte Indien mit 2.5-1.5 und 3-1 im Finale der Mannschafts WM der Damen. Dieses Turnier wurde zwar immer mit wechselnden Formaten gespielt, aber man kann diesen Sieg durchaus als zweiten Titel für die russischen Damen bezeichnen. Den ersten hatten sie 2017 gewonnen.
Zum ersten Mal bei dieser Veranstaltung gewinnt Indien eine Medaille: Silber – eine Belohnung für den guten Lauf des Teams im Turnier bis zur Endrunde. Indien hatte während des gesamten Turniers nur ein Spiel verloren, und das war in der Gruppenphase gegen den späteren Finalgegner Russland.
Frühe Schwierigkeiten auf den schwarzen Brettern kamen Indien in beiden Runden teuer zu stehen, da sie die Spielerinnen auf den anderen Brettern unter Druck setzten. GM Kateryna Lagno lieferte eine herausragende Leistung für Russland und gewann beide Partien. Genau das ist die Zuverlässigkeit, die in einem Team-Event so dringend benötigt wird. GM Dronavalli Harika konnte in der ersten Runde Aleksandra Goryachkina mit Schwarz besiegen. Das sollte aber nur ein kleiner Hoffnungsschimmer am Horizont der Inderinnen bleiben.
Alle Partien der Mannschafts-Schnellschach-WM der Damen findet Ihr hier.
Die Aufzeichnung der ersten Runde. Alle anderen Übertragungen könnt Ihr auf youtube.com/chess ansehen.
Russland ging mit drei Großmeisterinnen in seinen Reihen und überlegenen Elo-Zahlen auf allen Brettern als Favorit ins Finale. Wie in den meisten Sportarten ist die Summe der individuellen Stärken der Spieler einer Mannschaft jedoch nicht immer gleich der Summe der Stärke einer Mannschaft und Indien konnte optimistisch sein, da die Spielerinnen bis zum Erreichen der Endrunde Kampfgeist und Einfallsreichtum bewiesen hatten.
Runde 1: Russland - Indien 2.5-1.5
Als die Partien in das frühe Mittelspiel übergingen, sah die erste Runde des Finales noch ausgeglichen aus. Auf dem dritten Brett hatte Russland durch Lagno einen Vorteil, denn sie stand nach einer abenteuerlichen Variante der Caro Kann Verteidigung von IM Bhakti Kulkarni bereits besser. Am vierten Brett hatte aber WGM Mary Ann Gomes gegen Alina Kashlinskaya nach einen langsamen Reti Eröffnung einen kleinen positionellen Vorteil.
Die anderen beiden Partien sahen ausgeglichen aus. Am ersten Brett wurde Goryachkina von GM Dronavalli Harika mit einem Bauernopfer überrascht und die Partie zwischen WGM Vaishali und GM Alexandra Kosteniuk sah sehr ausgeglichen aus. Beide Teams konnten sich also sowohl Hoffnungen, als auch Sorgen machen.
Als es noch keine Computer gab, um die Eröffnungstheorie zu überprüfen, wurden einige Eröffnungen von Schachexperten als "unsolide" gebrandmarkt. Hauptsächlich aufgrund der Bauernstrukturen, die sich daraus in frühen Mittelspielen ergaben. Die von Kulkarni gegen Lagno eingesetzte Variante der Caro-Kann-Verteidigung - 4...Sf6 5.Sxf6 exf6 - wurde noch in den 1980er Jahren als "schlecht" verurteilt. Aber die Variante wurde in den letzten Jahren, nicht zuletzt dank tiefer Vorbereitung mit Schachengines, aufpoliert und als spielbar eingestuft, wenn auch immer noch mit einem Hauch Skepsis. Dass sie Kulkarni in dieser Partie aufs Brett gebracht hat, war aber keine wirkliche Überraschung, denn viele indische Spitzenspieler haben sie in letzter Zeit gespielt.
In Mannschaftskämpfen, wenn stärkere Teams (in Bezug auf Elo oder anders) den Gegner ohne großes Risiko besiegen wollen, besteht die Tendenz, "die Kontrolle behalten zu wollen" und die Sachen einfach zu halten: Spiel solide, einfache Eröffnungen mit beiden Farben und spiele nach dem Prinzip "Gewinne mit Weiß und hol ein Remis mit Schwarz." Wenn man diese Logik umkehrt, neigen Gegner mit einem niedrigeren Rating dazu, schärfere Eröffnungen zu spielen – auch wenn sie nicht ganz solide sind –, um "stärkere" Spieler zu provozieren, und die Partien taktischer und schärfer zu gestalten, um Chancen zu schaffen.
Kulkarni versuchte mit Schwarz so aktiv wie möglich zu spielen, aber ihre Eröffnung erwies sich schnell als Eigentor und je länger die Partie dauerte, desto offensichtlicher wurde der Vorteil, den sich Lagno erspielt hatte: Der schwarze Bauernvorstoß am Königsflügel war einfach übermotiviert gewesen:
Diese Partie erwies sich für Indien schnell als schwierig und Gomes schien die besten Chancen auf den Ausgleich zu haben. Im frühen Mittelspiel drängte sie gegen Kashlinskaya auf einen Sieg:
Zu diesem Zeitpunkt schien Vaishalis Partie mit einem Remis zu enden, da das Endspiel keine besondere Gefahr für Weiß zu beinhalten schien. Dann aber stolperte sie über eine Taktik:
Kurioserweise hatte Vaishali in der Gruppenphase gegen Kosteniuk auch schon in einem Endspiel mit Türmen und einer Leichtfigur einen Fehler gemacht und verloren.
Als Kosteniuks Partie bereits beendet war, hatte Lagno gegen Kulkarni einen enormen Vorteil und der Sieg Russlands schien unvermeidlich zu sein. Aber Harikas Kampfgeist brachte ihr einen Sieg über Goryachkina und die Inderinnen zurück ins Rennen.
Harika ist die einzige Großmeisterin und somit die tragende Säule dieser indischen Damenmannschaft. Nach ihrer hervorragenden Leistung bei der Online-Olympiade vor ein paar Wochen lagen in Abwesenheit von GM Koneru Humpy alle Hoffnungen der Inder auf ihr. In der Partie gegen Goryachkina setzte Harika auf eine scharfe Eröffnungsvariante und konnte schnell ausgleichen:
Man kann nur spekulieren, ob eine Ermüdung der Grund für Goryachkinas Zusammenbruch in dieser Partie war, denn das Format zwingt die Spielerinnen, in nur sechs Tagen mehr als ein Dutzend Partien zu spielen.
Runde 2: Russland - Indien 3-1
Um einen Tiebreak zu erzwingen, musste Indien die zweite Runde unbedingt gewinnen, aber der Start in diese Runde hätte nicht schlechter laufen können. Die schwarzen Eröffnungen schienen ein wiederkehrendes Problem für das Team zu sein und IM Polina Shuvalova zeigte an Brett 4 schnell die Schwächen in Gomes' Kan-Variante der sizilianischen Verteidigung auf. Wie schon bei Kulkarni in der ersten Runde führte die schwierige Stellung, mit der Gomes zu Beginn der Runde zu kämpfen hatte, zu Druck auf ihre Teamkolleginnen:
Noch bevor Shuvalovas ihre Partie gewinnen konnte, hatten sich Kosteniuk und Vaishali bereits auf ein Remis geeinigt. Am ersten Brett musste Harika während der gesamten Partie zittern:
Mit der Goldmedaille für das Team in Sichtweite, spielte Lagno in der langen und letzten Partie der Veranstaltung konstant und bestrafte IM Tania Sachdev sogar dafür, dass sie zu sehr versucht hatte, um des Teams willen zu gewinnen:
Alle Partien - Finale
Bei der FIDE Schnellschach Mannschafts-WM der Damen spielten 12 Mannschaften auf der ganzen Welt um den Titel. Die Veranstaltung lief vom 27. September bis 2. Oktober und wurde auf Chess.com übertragen.
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