Tata Steel Runde 9: Carlsen besiegt Mamedyarov
Magnus Carlsen hat durch seinen Sieg über den bisher punktgleichen Shakhriyar Mamedyarov die alleinige Tabellenführung beim Tata Steel Turnier 2022 zurückerobert. Anish Giri folgt dem Weltmeister nach seinem vierten Sieg in Folge mit einem halben Punkt Rückstand. Im Challenger-Turnier gewann Arjun Erigaisi erneut und führt jetzt mit zwei Punkten Vorsprung. Seine Leistung in diesem Turnier beträgt jetzt über 2900!
Auch nach dem zweiten Ruhetag bekamen wir eine spannende Runde mit vier Siegen zu sehen. Wie schon 2018 und 2019 sind die Hauptkonkurrenten um den Turniersieg jetzt Carlsen und Giri – ein Szenario, über das sich die lokalen Organisatoren ganz sicher nicht beschweren können.
Während Carlsen nur wenige Meter weiter dem norwegischen Fernsehen ein Interview gab, sagte Giri dazu: "Bisher ist es wie in der guten alten Zeit, als ich diese Rennen mit Magnus hatte. Wir haben hier ja schon zweimal um den Turniersieg gekämpft. Mit dem bisher erreichten bin definitiv zufrieden und wenn Magnus so gut spielt - obwohl er mein Interview jetzt unterbricht - motiviert mich das, mein Bestes zu geben und dann spiele ich auch mein bestes Schach. Ich freue mich also auf die nächsten Partien und auf das Ende des Turniers."
Giri erzielte dann auch gegen Sam Shankland den ersten Sieg des Tages. Es war die zweite Partie zwischen den beiden und viele Fans werden sich noch an ihre erste Partie aus dem Jahr 2019 erinnern, als der amerikanische Großmeister in einer ausgeglichenen Stellung aufgegeben hatte.
Der Holländer spielte so etwas wie Pirc mit vertauschten Farben und bekam aus der Eröffnung, als die Damen bereits getauscht waren, einen winzigen Vorteil. "Ich glaube, nach seiner Operation, bei der er seine Läufer aufgegeben hat, ging es mir etwas besser", erklärte Giri. "Ich verstehe aber seine Idee: Ich hatte danach einen schlechten Läufer und hätte ansonsten das Springerpaar auf dem Brett halten können. Ich meine aber trotzdem, dass ich etwas Druck habe und irgendwie ist sein Springer auf c6, genau wie im italienisch, fehl am Platz. Mein Bauer auf c3 dominiert seinen Springer auf c6. Ich denke, das war ein kleines Problem für ihn."
Shankland endete mit einem passiven Springer und einem Turm und sein Bauernopfer im 21. Zug machte laut seinem Gegner Sinn: "Ich denke, es war zu diesem Zeitpunkt ein ziemlich guter Versuch, weil ich mich wirklich gefragt habe, was bisher seine Idee gewesen war. Wenn er nicht mit 21…d5 nachlegt, stehe ich, glaube ich, deutlich besser."
Der entscheidende Fehler von Shankland war dann der Zug 24...b6. Danach hatte er nicht mehr genügend Zeit, um eine gute Verteidigung aufzubauen und Giri konnte einen weiteren tollen Sieg feiern und darf weiterhin von einem Turniersieg auf heimischem Boden träumen.
Nur wenige Minuten später gab auch Mamedyarov seine 28. klassische Partie gegen Carlsen auf. Zum ersten Mal hatten die beiden 2005 in der B-Gruppe in Wijk aan Zee gespielt, als das Turnier noch von Corus gesponsert wurde. Heute erzielte Carlsen seinen siebten Sieg gegen den Armenier (bei 2 Niederlagen und 19 Remis).
Mamedyarov fand gegen Carlsens Katalanisch ein interessantes Qualitätsopfer, für das er das Läuferpaar und eine Bauernmehrheit am Damenflügel erhielt. Das Opfer war zwar spielbar, aber auch sehr riskant.
"Das Qualitätsopfer hatte ich durchaus erwartet. Es ist ja zu 100 Prozent sein Stil. Aber vielleicht gab es da im Nachhinein aber auch andere Optionen", sagte Carlsen. "Es war sehr verständlich, dass er sich entschieden hat, die aktivere Stellung zu bekommen und Material zu opfern. Er hatte mir die Qualität ja schon zuvor einmal angeboten, aber da habe sich sie nicht angenommen. Ich denke, danach hatte er eine angemessene Kompensation aber danach ist es ziemlich schnell schiefgelaufen."
Laut der Engine war der Zug 18...h6 zu langsam. Carlsen: "Ich dachte, als ich es geschafft hatte, meine Türme auf der a-Linie zu etablieren und die Dame zurück nach d1 gebracht hatte, hatte ich eine sehr gute Koordination. 21.b3 war nett und 21...c3 war, glaube ich, Kapitulation."
Lennart Ootes, der auf beeindruckende Weise Fotografie und Interviews kombiniert (da die Organisatoren gezwungen sind, mit einer kleineren Crew als beabsichtigt zu arbeiten), stellte fest, dass Carlsen bisher noch mit keinem seiner typischen Endspiel-Grinds gewonnen hat. Das liegt laut dem Weltmeister wohl daran, dass er von seiner WM-Vorbereitung profitiert:
"Es ist ein bisschen wie eine Rückkehr zu dem, was 2019 für mich wirklich gut funktioniert hat. Seit der WM habe ich aus den Eröffnungen heraus sehr interessante Stellungen bekommen, die ich irgendwie mit einem dynamischen Stil gewinnen konnte. Das ist auch etwas, was ich wirklich vermisst habe und bis jetzt läuft ja alles bestens."
Carlsen wies auch darauf hin, dass Giri wieder sein Hauptkonkurrent sei und spielte darauf an, dass Giri seine Partie gegen Daniil Dubov am Ruhetag nachholen hätte können. (Was aber einfach nicht stimmt. Obwohl es eine elegante Lösung hätte sein können, haben die Organisatoren diese Option nie ernsthaft in Betracht gezogen.)
"In den letzten Tagen hat er wirklich gut gespielt," fing Carlsen nett an, fuhr dann aber lächelnd fort: "Er zeigt auch einen enormen Siegeswillen, indem er zum Beispiel an Ruhetagen Gratispunkte holt, anstatt Partien zu spielen. Das zeigt, dass er das Turnier wirklich, wirklich gewinnen will!"
Nils Grandelius und Fabiano Caruana spielten heute ihre siebte klassische Partie und der Amerikaner konnte seine Bilanz auf 4:0 (bei drei Remis) verbessern. Caruanas Entscheidung, die französische Verteidigung zu spielen, war interessant, aber er sollte sich die Vorstoßvariante wohl besser noch einmal ansehen. Die Engines beurteilten die Stellung nach 16 Zügen für Weiß ziemlich positiv und empfahlen Grandelius, mit Zügen wie g4, h5 und Kh1 (in jeglicher beliebigen Reihenfolge) in den Angriffsmodus überzugehen.
Stattdessen entschied sich der Schwede aber für ein Springermanöver, das man zwar vom Königsindischen Angriff her kennt, welches hier aber zu langsam war. Caruana übernahm langsam aber sicher die Kontrolle und überspielte seinen Gegner im Rest der Partie. Allerdings machte er das nicht fehlerfrei und es gab einen Moment, in dem Grandelius die Partie mit einer Taktik hätte ausgleichen können.
Der vierte Sieger der Runde war Sergey Karjakin. Der Russe gewann seine allererste Partie gegen Praggnanandhaa R. und hat sich nun erstmals in diesem Turnier in das vorderste Tabellendrittel gekämpft. Der junge Inder spielte eine ziemlich interessante Eröffnung und zeigte, dass das London System überhaupt nicht langweilig sein muss.
Pragg opferte schon bald eine Qualität und behielt seine Kompensation bis tief ins Endspiel, das immer komplizierter wurde. Dann musste er aber ausgerechnet im 40. Zug die schwierigste Entscheidung dieser Partie treffen.
"Ich hatte überhaupt keine Ahnung, was da vor sich ging", sagte Karjakin. "Es war eine total verrückte Partie."
Von den drei Remis war die Partie zwischen Richard Rapport und Vidit Gujrathi die interessanteste. Der Inder verteidigte sich, obwohl er die gesamte Partie etwas schlechter stand, beeindruckend und lehrreich:
Tabelle nach der 9. Runde - Masters
# | Land | Name | Elo | Lstg. | 1 | 2 | 3 | 4 | 5 | 6 | 7 | 8 | 9 | 10 | 11 | 12 | 13 | 14 | Punkte | SB |
1 | Carlsen | 2865 | 2884 | 1 | 1 | 1 | ½ | ½ | ½ | ½ | 1 | ½ | 6.5 | |||||||
2 | Giri | 2772 | 2859 | 0 | ½ | ½ | ½ | 1 | 1 | 1 | 1 | ½ | 6.0 | |||||||
3 | Mamedyarov | 2767 | 2809 | 0 | ½ | ½ | ½ | 1 | 1 | ½ | 1 | ½ | 5.5 | 21.5 | ||||||
4 | Vidit | 2727 | 2812 | ½ | ½ | ½ | ½ | 0 | ½ | 1 | 1 | 1 | 5.5 | 21.25 | ||||||
5 | Karjakin | 2743 | 2761 | ½ | ½ | ½ | 0 | 1 | ½ | ½ | 1 | ½ | 5.0 | 19.75 | ||||||
6 | Caruana | 2792 | 2763 | 0 | ½ | ½ | ½ | ½ | 1 | ½ | ½ | 1 | 5.0 | 19.25 | ||||||
7 | Rapport | 2763 | 2767 | 0 | ½ | ½ | ½ | 1 | 0 | ½ | 1 | 1 | 5.0 | 18.75 | ||||||
8 | Esipenko | 2714 | 2761 | ½ | 0 | ½ | ½ | 1 | ½ | ½ | ½ | ½ | 4.5 | 21.75 | ||||||
9 | Van Foreest | 2702 | 2740 | ½ | 0 | 1 | 0 | ½ | 0 | ½ | 1 | 1 | 4.5 | 17.5 | ||||||
10 | Duda | 2760 | 2707 | ½ | 0 | ½ | ½ | 0 | 1 | ½ | ½ | ½ | 4.0 | |||||||
11 | Dubov | 2720 | 2665 | 0 | ½ | 0 | ½ | ½ | ½ | ½ | ½ | ½ | 3.5 | 16 | ||||||
12 | Shankland | 2708 | 2659 | ½ | 0 | 0 | ½ | ½ | ½ | ½ | ½ | ½ | 3.5 | 14.5 | ||||||
13 | Praggnanandhaa | 2612 | 2585 | 0 | ½ | 0 | 0 | 0 | 0 | ½ | ½ | 1 | 2.5 | |||||||
14 | Grandelius | 2672 | 2525 | ½ | ½ | 0 | ½ | 0 | 0 | 0 | ½ | 0 | 2.0 |
Auch wenn wir Gefahr laufen, wie eine Schallplatte mit einem Kratzer zu klingen, können wir berichten, dass Erigaisi ... wieder gewonnen hat. Der indische Großmeister führt nun mit zwei vollen Punkten und der Turniersieg wird ihm wohl kaum noch zu nehmen sein.
Tabelle nach der 9. Runde - Challengers
# | Land | Name | Elo | Lstg. | 1 | 2 | 3 | 4 | 5 | 6 | 7 | 8 | 9 | 10 | 11 | 12 | 13 | 14 | Punkte | SB |
1 | Erigaisi | 2632 | 2913 | ½ | 1 | 1 | 1 | ½ | 1 | 1 | 1 | 1 | 8.0 | |||||||
2 | Jumabayev | 2631 | 2678 | ½ | ½ | ½ | ½ | 1 | 1 | 1 | ½ | ½ | 6.0 | 27 | ||||||
3 | Nguyen | 2613 | 2675 | ½ | 1 | ½ | ½ | ½ | ½ | ½ | 1 | 1 | 6.0 | 24.5 | ||||||
4 | Bjerre | 2586 | 2648 | 0 | 0 | ½ | ½ | 1 | 1 | ½ | 1 | 1 | 5.5 | |||||||
5 | Warmerdam | 2607 | 2611 | 0 | ½ | ½ | ½ | ½ | ½ | 1 | ½ | 1 | 5.0 | 19.75 | ||||||
6 | Murzin | 2519 | 2608 | 0 | ½ | ½ | ½ | ½ | 1 | 1 | ½ | ½ | 5.0 | 19.75 | ||||||
7 | Van Foreest | 2539 | 39 | ½ | 0 | ½ | ½ | 1 | ½ | 1 | 0 | ½ | 4.5 | 20.5 | ||||||
8 | L'Ami | 2622 | 2578 | ½ | 0 | ½ | ½ | 0 | ½ | 1 | ½ | 1 | 4.5 | 16.75 | ||||||
9 | Ganguly | 2627 | 2544 | 0 | 0 | 0 | ½ | ½ | ½ | ½ | 1 | 1 | 4.0 | 14.25 | ||||||
10 | Dardha | 2532 | 2517 | 0 | 0 | ½ | 0 | ½ | ½ | 1 | ½ | 1 | 4.0 | 13.75 | ||||||
11 | Shuvalova | 2516 | 2524 | ½ | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 | 1 | ½ | 1 | 3.0 | |||||||
12 | Maurizzi | 2502 | 2421 | ½ | 0 | 0 | ½ | 1 | ½ | 0 | 0 | 0 | 2.5 | 12.25 | ||||||
13 | Vogel | 2452 | 2404 | 0 | ½ | 0 | ½ | ½ | 0 | ½ | ½ | 0 | 2.5 | 11.5 | ||||||
14 | Zhu | 2478 | 2392 | 0 | 0 | 0 | ½ | 0 | 0 | 0 | 1 | 1 | 2.5 | 7.25 |
Alle Partien der 8. Runde
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