Vachier-Lagrave besiegt Carlsen im Halbfinale der Speed Chess Championship
Maxime Vachier-Lagrave hat alle Prognosen widerlegt und Magnus Carlsen mit 13:11 besiegt und steht im Finale der von Onjuno gesponserten Speed Chess Championship2020. Dort trifft er heute, am Samstag dem 12. Dezember, auf Hikaru Nakamura.
So könnt Ihr zusehen!
Das Finale der von Onjuno gesponserten Speed Chess Championship wird auf dem Chess.com Live Server gespielt. Die Partien könnt Ihr aber auch auf Chess.com/de/events und auf unseren Apps unter "Zusehen" verfolgen. IM Steve Berger kommentiert alle Partien live auf Twitch.
Die Übertragung des zweiten Halbfinales.
Nur die wenigsten hatten mit der Möglichkeit gerechnet, dass die diesjährige Speed Chess Championship nicht mit einem weiteren Showdown zwischen Carlsen und Nakamura enden würde. Die beiden Giganten trafen bereits 2016 und 2017 im Finale der Speed Chess Championships an denen Carlsen teilgenommen hatte, aufeinander. Und auch bei den vielen Online-Events in diesem Jahr der Pandemie waren die beiden das erfolgreichste Duo.
Am Freitag klopfte jedoch David an die Tür von Goliath und sagte: Ich bin auch noch da! Und obwohl der Franzose mit zwei Niederlagen startete, stellte sich heraus, dass dies "nur eine Fleischwunde" war. Wie schon im letzten Jahr bei den London Chess Classics konnte Vachier-Lagrave am Ende gegen Carlsen gewinnen.
Aber wie hat er das geschafft? Abgesehen davon, dass Carlsen, wie er selbst sagte, in einer "schrecklichen Verfassung" war, setzte MVL auf eine Art Kaffeehausstrategie. "Ich wusste, dass ich Magnus in keinem Aspekt überlegen bin, also war es mein Plan, die ganze Zeit auf Tricks zu spielen. Und es hat funktioniert."
Das moderne virtuelle Café de la Régence verzeichnete ein französisches Rekordpublikum und auch MVL war dies während dem Match aufgefallen: "Ich weiß, dass heute etwa 15.000 Zuschauer aus Frankreich zugeschaut haben. Das war wirklich erstaunlich und ich möchte mich dafür bei allen bedanken."
Aber auch in der englischen Übertragung waren die Stadien gut gefüllt: 28.000 Zuschauer verfolgten das Halbfinale auf Twitch und weitere 20.000 Zuschauer auf YouTube.
Wie bereits erwähnt startete Carlsen absolut ordentlich in das Halbfinale und fast niemand hegte mehr Zweifel, dass er ohne allzu große Probleme gewinnen würde. Wer hätte zu diesem Zeitpunkt auch vorhersagen können, dass sein furioser Sieg in der ersten Partie seine wohl beste Partie am ganzen Abend bleiben würde?
Als MVL dann in der zweiten Partie mit der 6.d3 Variante in einer Spanischen Partie überspielt wurde, gab es kaum noch Fans, die es wagten, Geld auf ihn zu setzen. Wenn sie nur getan hätten...
In der dritten Partie half Carlsen sein Gegner, in er in einer schwierigen, aber nicht eindeutig verlorenen Stellung auf Zeit verlor. Und dann zeigte der Weltmeister, warum er nicht an Festungen glaubt: Er opferte seine Dame für Turm und Läufer und konnte die Stellung nicht halten:
Nach einem Remis in der fünften Partie konnte Vachier-Lagrave die sechste gewinnen und erstmals in Führung gehen. Im Nachhinein ist es immer noch schwer zu glauben, dass Carlsen von diesem Punkt an niemals mehr den Ausgleich schaffen sollte. Er stand oft besser und manchmal sogar klar auf Gewinn, aber die Partien endeten trotzdem Remis. So wie diese hier:
Vachier-Lagrave konnte das erste Drittel mit 4.5 : 3.5 gewinnen. Die erste Partie des zweiten Drittels endete mit einem Remis und dann gewannen beide Spieler abwechselnd ihre Weiß-Partien. Somit ging MVL mit einer 9:7 Führung in die Bullet-Sektion.
Partien wie diese zeigten aber, dass Carlsen weit von seiner Bestform entfernt war:
Oder habt Ihr von Carlsen schon einmal so etwas gesehen?
Carlsen hat aber auch einige exzellente Partien gespielt. Zum Beispiel diesen Vintage-Endspielsieg, bei dem er MVL in einem Endspiel, das eigentlich Remis war, ausmanövrierte:
Manche von Carlsens Fehlern waren aber auch MVLs Strategie, "auf Tricks zu spielen" geschuldet. Zum Beispiel im einzigen Berliner Endspiel in diesem Halbfinale:
Da wir gerade von Tricks sprechen: In der 19. Partie fand MVL einen wirklich tollen Trick. Und das, nachdem er sich nach der Eröffnung bereits aus einer Verluststellung gerettet hatte:
Nach seinen ersten beiden Siegen im letzten Drittel führte MVL dann mit 12:8 und es waren nur noch etwas über 14 Minuten zu spielen. Wenn Carlsen jetzt noch ein Comeback starten wollte, hatte er keine Zeit zu verlieren. Und das tat er auch nicht!
Nach dem Match sprach Carlsen über den Moment, als er den Spielstand auf 12:9 verkürzen konnte: "Ich sah auf die Uhr und wusste, dass noch etwa 10 Minuten zu spielen sind. Ich dachte mir, wenn ich die nächsten beiden Partien gewinne, haben wir eine Entscheidungspartie. Es war natürlich keine Selbstverständlichkeit, dass ich die Partie gewinnen würde, aber zumindest hatte ich noch eine kleine Chance."
Dann gewann der Norweger aber die beiden nächsten Partien und plötzlich war der Rückstand auf 12:11 geschrumpft. Die Uhr zeigte noch eine Minute und 17 Sekunden an. Wenn Carlsen jetzt noch eine Partie gewinnen würde, hätte er eine Verlängerung erzwungen.
MVL fand aber gerade noch rechtzeitig in seine Spur zurück. In einer Modernen Verteidigung erspielte er sich eine glänzende Stellung. Dann kam er aber etwas ins Straucheln aber am Ende, als Carlsen die Zeit überschritt, stand er wieder klar besser.
Somit war das Ende des Halbfinals war etwas unwürdig, aber der an diesem Tag bessere Spieler hat gewonnen.
Carlsen: "Ich hatte von Anfang an das Gefühl, dass ich heute in einer wirklich, wirklich schrecklichen Verfassung war. Aber dann habe ich es geschafft, etwas Energie für die ersten beiden Partien zu kanalisieren und sie gewonnen. Spätestens nach den ersten beiden Niederlagen war mir aber klar, dass es ein harter Kampf werden würde."
Vachier-Lagrave hätte es sich vielleicht etwas leichter machen können, wenn er einige Momente am Anfang der Bullet-Phase genutzt hätte, um Zeit von der zu nehmen. Er hat das zwar nicht getan, schloss aber auch nicht aus, dass er es im Finale tun wird.
"Wenn ich gegen Hikaru die Gelegenheit bekomme, die Uhr gegen ihn einzusetzen, werde ich es definitiv tun. Er hat das ja wiederholt selbst getan. Heute wollte ich das Format nicht zu meinem Vorteil nutzen."
Carlsen würde für seine 11 erspielten Punkte mit $2.750 belohnt. Vachier-Lagrave bekam $6,000 für seinen Sieg und $3.250 für die erspielten Punkte. Insgesamt also $9.250.
Der Franzose wird heute um 18.00 im Finale gegen Hikaru Nakamura spielen.
Alle Partien
Die Speed Chess Championship ist ein mit $100.000 dotiertes KO-Turnier für 16 Spieler. Alle Informationen über die Speed Chess Championship findet Ihr hier.