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Carlsen, Arjun und Goryachkina gewinnen mit Schwarz
Fotos: Maria Emelianova/Chess.com

Carlsen, Arjun und Goryachkina gewinnen mit Schwarz

VSaravanan
| 0 | Berichterstattung von einem Schach-Event

Magnus Carlsen und Arjun Erigaisi haben in ihren typischen Spielstilen die Auftaktpartien des Viertelfinales des FIDE Weltcups 2023 gewonnen. Während Carlsen seinen jungen Gegner Arjun Erigaisi mit einem typischen Squeeze in einem langen Turmendspiel überspielte, schuf Arjun in gegenseitiger Zeitnot taktische Komplikationen, um Praggnanandhaa mit einfallsreichen Taktiken zu überlisten.

Das rein amerikanische Duell Fabiano Caruana gegen Leinier Dominguez und das "Duell der Freunde" zwischen Nijat Abasov und Vidit Gujrathi endeten Remis.

Im Halbfinale des Damen-Weltcups gewann Aleksandra Goryachkina mit Schwarz gegen Zhongyi Tan und die Partie zwischen Nurgyul Salimova und Anna Muzychuk endete Remis.

Die Rückkämpfe werden am Mittwoch, dem 16. August, um 13:00 Uhr ausgetragen.

So könnt Ihr zusehen:
Wir übertragen alle Runden des restlichen Weltcups auf den englischsprachigen Chess24-Kanälen auf Twitch und Youtube.
Alle Partien des gesamten Turniers findet Ihr auf unseren Eventseiten für das Open und die Damen. Hier seht Ihr die Aufzeichnung der Übertragung vom Dienstag.
Kommentatoren David Howell und Peter Leko.

Open

Am 77. Unabhängigkeitstag des Landes betraten gleich vier Spieler aus Indien die Bühne und der ebenfalls aus Indien stammende ehemalige Weltmeister Viswanathan Anand bezeichnete dies in einer Rede als "historischen Moment für das indische Schach"

Die Duelle dieser Runde hätten nicht interessanter sein können: Der 32-jährige Carlsen spielte gegen den 17-jährigen Gukesh. Die beiden Tiebreak-Spezialisten Vidit und Abasov standen sich im Match mit der höchsten Elo-Differenz gegenüber. Caruana musste gegen seinen ehemaligen Sekundanten Dominguez antreten und schließlich spielten noch die beiden Freunde Arjun und Praggnanandhaa mit- oder gegeneinander.

Aus dieser Konstellation heraus entwickelten sich dann hart umkämpfte Partien, mit einem entzückenden taktischen Gefecht und drei komplizierten Endspielen.

Gukesh-Carlsen:

Als die Partie noch in den ersten Zügen war, wies Großmeister Vallejo Pons auf Twitter darauf hin, dass ein motivierter Carlsen der beste Spieler der Welt sei - und ein demotivierter Carlsen der zweitbeste...

Carlsen sagte nach der Partie, dass er sich vor der Partie wirklich, sehr gut gefühlt habe und auf jeden Fall in Kampfstimmung war. Wir bekamen also den besten Spieler der Welt zu sehen:

Das Spielen unklarer Eröffnungssysteme, das mühelose Treffen schwierig aussehender Mittelspielentscheidungen und das Gewinnen von scheinbar ungewinnbaren Endspielen sind allesamt Markenzeichen von Carlsen, weshalb die Phrase "Carlsen macht Carlsen-Dinge" zu einem fast überholten Klischee geworden ist.

Magnus Carlsen (der Motivierte). Foto: Maria Emelianova/Chess.com.

Es war ein weiterer Tag einer solchen Carlsen-Show, beginnend mit der Eröffnung, bei der bereits im vierten Zug eine seltene Stellung erreicht wurde:

Kommentator Howell verriet, was Carlsen zu ihm in den ersten Runden dieses Weltcups über Gukeshs Spiel gesagt hatte: "Gukesh holt nie viel aus der Eröffnung heraus, aber er spielt immer mit sehr viel Energie."

Howell war der Meinung, dass es Carlsen im frühen Mittelspiel gelungen war, Gukesh etwas Energie zu entziehen:

Obwohl die Stellung von Weiß vielversprechend aussieht, wickelte Carlsen nach 10...Sxd5 11.Dxg7 und Df6 in ein komplexes Endspiel ab und hatte damit sein Territorium erreicht:

"The Big Greek" Georgios Souleidis hat sich diese Partie ganz genau angesehen und für uns analysiert:

Gukesh. Foto: Maria Emelianova/Chess.com.

Vidit-Abasov:

Zu Beginn der Partie wies Howell auf ein wichtiges Detail hin: "Abasov kam nämlich ein paar Minuten zu spät, was eigentlich gegen die Turnierregeln verstößt." Er bezog sich auf die nachstehende konkrete Regelung:

4.4.3. Einem Spieler, der nach der geplanten Startzeit im Turniersaal ankommt, werden $500 (fünfhundert) von seinem Preisgeld abgezogen. Ein Spieler, der mehr als 15 Minuten nach der geplanten Startzeit im Turniersaal ankommt, verliert seine Partie, jedoch ohne finanzielle Strafe.

Vom Oberschiedsrichter wurde auch bestätigt, dass jeder Spieler, der zu spät zur Partie kommt, eine Strafe von 500 US-Dollar erhält. Also auch Abasov. Interessant!

Nijat Abasov. Foto: Maria Emelianova/Chess.com.

Abasov hat beim Weltcup 2023 bereits die höher gesetzten Großmeister Laurent Fressinet, Anish Giri, Peter Svidler und Salem Saleh aus dem Turnier geworfen, aber auch Vidit konnte mit Ian Nepomniachtchi einen der absoluten Favoriten auf den Turniersieg eliminieren. Die Zeichen standen also alle auf einem sehr interessanten Match.

Abasov schien für die Partie sehr gut gerüstet zu sein und spielte bereits im achten Zug eine theoretische Neuerung:

In einer obskuren Variante der Rossolimo-Variante der sizilianischen Verteidigung schien Abasov im Verlauf des Mittelspiels den Ausgleich erzielt zu haben. Howell bemerkte: "Mit einer großartigen Vorbereitung und einer Reihe von Engine-Zügen hat er wohl seinen Weg zu einer vernünftigen Stellung gefunden."

Allerdings kam Kommentator Leko nach dem Zug 21.e4 zu einem profunden Urteil über die Stellung:

Leko bemerkte: "Auf lange Sicht hat Abasov strategische Probleme. Um seine Stellung zu rechtfertigen, muss er energisch spielen."

Im Verlauf der Partie schien Vidit beträchtliche Fortschritte dabei zu machen, die Schwächen in Abasovs Stellung auszunutzen, aber die Aufgabe erwies sich als ein 109 Züge dauernder Kampf gegen die Windmühlen:

Praggnanandhaa-Arjun:

Die inhaltlich interessanteste Partie des Tages war das zwischen zwei Freunden. Nach der Partie erzählte Arjun von einem langen Spaziergang mit seinem Gegner am Vortag:

Die Partie begann mit einer langen Phase des Manövrierens, aber als die Bedenkzeit immer weniger wurde, erwachte sie plötzlich zum Leben:

Arjun witterte seine Chancen und veränderte den Charakter der Partie mit 34...d4 gefolgt von 35.e4 und Sxg3. Und dann brach die Hölle los.

"Wow! Arjun Erigaisi ist ein Superstar! Welch ein Zug!" rief Howell. 

"Eine unglaublich starke Leistung von Arjun", schwärmte Leko.

Wow! Arjun Erigaisi is a superstar! What a move!

—David Howell

Diese faszinierende Partie ist auch unsere Partie des Tages und Großmeister Dejan Bojkov hat sie für uns analysiert:

Arjun Erigaisi. Foto: Maria Emelianova/Chess.com.

Dominguez-Caruana:

Das Duell zwischen diesen beiden Landsleuten wird noch interessanter, wenn man bedenkt, dass Dominguez neben unzähligen Auseinandersetzungen am Brett auch bei der WM 2018 gegen Carlsen Caruanas Sekundant war. Dominguez hatte sich vor der Partie auch dazu geäußert: "Natürlich ist er der Favorit, aber darüber denke ich nicht zu viel nach. Ich habe Chancen und ich werde versuchen, mein Bestes zu geben und meine Chancen zu nutzen."

Dominguez nutzte seine Chancen auf jeden Fall. Insbesondere nachdem er bereits im siebten Zug in einer theoretischen Stellung der Italienischen Eröffnung von einer typischen Caruana-Innovation überrascht wurde:

Schwarz zielt einfach darauf ab, ...c7-c5 zu spielen, um das Zentrum zu kontrollieren und ebnet so den Weg für eine neue Stellung in dieser Partie, in der Caruana als Innovator des neuen Konzepts möglicherweise die Oberhand haben könnte. Dominguez reagierte jedoch energisch und Leko lobte sein Spiel im anschließenden Übergang von Eröffnung zum Mittelspiel:

Leko lobte Dominguez Zug 22.Db2 und sagte voraus, dass der Druck auf e5 Weiß zwangsläufig die Oberhand verschaffen würde. Dominguez spielte weiterhin solides Schach und schien bald erheblichen Druck auf die schwarze Stellung auszuüben:

Leinier Dominguez (links) und Fabiano Caruana. Foto: Maria Emelianova/Chess.com.

Quarterfinals Results: Open

Open - Viertelfinale - Alle Partien

Damen - Halbfinale:

Muzychuk-Salimova:

Salimova schien gegen ihre favorisierte Gegnerin unter Druck zu stehen und die Partie erwies sich von Anfang an als eine Prüfung für ihre Nerven.

Muzychuk schien die sehr zögerlich spielende Salimova bereits in der Eröffnung erwischt zu haben. Besonders für ihre ungewöhnlichen Züge 6...Bg4 und 9...Sb6 verbrauchte die Bulgarin sehr viel Zeit.

Nach 12 Zügen hatte Muzychuk etwa 30 Minuten Vorsprung auf der Uhr und nach nur vier weiteren Zügen hatte die den Vorsprung auf über 40 Minuten ausgebaut. Zu diesem Zeitpunkt waren die Kommentatoren skeptisch bezüglich Salimovas Chancen und Howell erklärte, dass Salimova ums Überleben kämpft.

Allerdings zeigte Salimova im Mittelspiel, wo sie unter gehörigem Druck stand, einen großartigen Kampfgeist:

Mit einem Minusbauern und scheinbar unkoordinierten Figuren blies Salimova mit 21...h5 zum Gegenspiel, was sich für Schwarz als Rettung erweisen sollte. Nach einem harten Kampf endete die Partie Remis:

Letztlich scheint Schwarz den Angriff von Weiß erfolgreich überstanden zu haben und anders als angenommen war Salimova in der Eröffnung keiner nennenswerten Gefahr ausgesetzt. Salimova scheint also in wirklich guter Form zu sein und wir dürfen uns auf eine interessante zweite Partie freuen.

Anna Muzychuk (links) und Nurgyul Salimova. Foto: Maria Emelianova/Chess.com.

Tan-Goryachkina:

In a fashionable variation of the Queen's Gambit Declined with a Carlsbad structure, White played both 9.h3 as well as 12.f3, an unusual way to handle the position. Goryachkina's energetic 18...h5! proved to be the turning point when Black surely captured the initiative:

In einer modernen Variante des Abgelehnten Damengambits mit einer Carlsbader Bauernstruktur spielte Weiß sowohl 9.h3 als auch 12.f3, was eine ungewöhnliche Art ist, mit der Stellung umzugehen. Goryachkinas energisches 18...h5! erwies sich als der Zug, mit dem Schwarz die Initiative erlangte:

Durch diesen Zug drohte Goryachkina den weißen Springer mit 19...g6 zu vertreiben und kontrollierte dann die Stellung. Im Mittelspiel verpasste sie zwar einen scheinbar komfortablen Sieg, aber nachdem Tan in einem ausgeglichenen Endspiel ein Fehler unterlaufen war, konnte die junge Russin trotzdem gewinnen.

Der Turnierbaum der Damen


Damen Halbfinale - Alle Partien

Der FIDE Weltcup 2023 ist ein K.-o.-Turnier im Matchformat. Jedes Match besteht aus zwei klassischen Partien und sollte es danach Unentschieden stehen, entscheidet ein Schnellschach-Tiebreak über das Weiterkommen. Der Damen-Weltcup läuft bis zum 21. August und das Open bis zum 24. August. Insgesamt gibt es in Baku 2.5 Millionen US-Dollar zu gewinnen.


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