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Die erste Parie beim Weltcup-Finale endet Remis
Magnus Carlsen (links) und Praggnanandhaa. Foto: Maria Emelianova/Chess.com.

Die erste Parie beim Weltcup-Finale endet Remis

beccrajoy
| 0 | Berichterstattung von einem Schach-Event

Die erste Partie zwischen Magnus Carlsen und Praggnanandhaa Rameshbabu im Finale des FIDE World Cup 2023 endete Remis. Ein gut vorbereiteter Praggnanandhaa stellte den Weltranglistenersten vor einige Probleme, aber Carlsen schaffte es meisterhaft, die Stellung mit den schwarzen Figuren auszugleichen und nach 35 Zügen unterschrieben die Spieler einen Friedensvertrag.

Viel aufregender war das Spiel um Platz 3, in dem Fabiano Caruana gegen Nijat Abasov seine erste Niederlage im klassischen Schach bei diesem Turnier einstecken musste. Ein innovatives Eröffnungsspiel führte zu einer angenehmen Stellung für Lokalmatador Abasov und gerade als Caruana zurück in die Partie gefunden zu haben schien, unterlief dem an Nummer drei gesetzten Amerikaner ein fataler Fehler. Nach diesem Sieg benötigt Abasov in der zweiten Partie nur ein Remis, um sich den dritten Platz und damit einen garantierten Platz beim FIDE Kandidatenturnier 2024 zu sichern.

Die zweiten Partien des Finales beginnen am Mittwoch, dem 23. August, um 13:00 Uhr.

So könnt Ihr zusehen:
Wir übertragen das komplette Finale auf den deutschsprachigen Chess24-Kanälen auf Twitch und Youtube, mit fachmännischen Kommentaren von Großmeister Ilja Zaragatski und IM Georgios Souleidis, alias "The Big Greek".
Alle Partien des gesamten Turniers findet Ihr auf unseren Eventseiten für das Open und die Damen. Hier seht Ihr die Aufzeichnung der Übertragung vom Dienstag.
Kommentator: GM Ilja Zaragatski

Nach dem Abschluss des Damenwettbewerbs, der mit dem Sieg von Aleksandra Goryachkina über die aufstrebenden IM Nurgyul Salimova endete, traten nur vier Spieler an, um den Sieger im offenen Turnier zu ermitteln.

Das sind zum einen Carlsen und Praggnanandhaa, die beide zum ersten Mal in ihrer Karriere den Weltcup gewinnen wollen und zum anderen Caruana und Abasov, die im "Spiel um Platz 3" um Preisgeld und um einen sicheren Startplatz beim Kandidatenturnier 2024 kämpfen.

Carlsen sitting at the board
Magnus Carlsen. Foto: Maria Emelianova/Chess.com.

Abasov-Caruana:

Da er an Nummer 69 gesetzt war, ist Abasov der einzige verbliebene Spieler, der in Runde eins kein Freilos hatte und er gab zu, dass es ein anstrengendes Turnier war. Allerdings spekulierte er, dass Caruana der müdere von beiden sein könnte und ging sogar so weit zu sagen, dass er der Meinung sei, dass die Nummer drei der Welt nach seinem harten Tiebreak-Match über sechs Partien gegen Praggnanandhaa körperlich für den Kampf um Platz 3 noch nicht bereit sei.

Da der Lokalmatador keinen Tiebreaks bestreiten musste, konnte er einen Ruhetag genießen und sich auf das letzte Duell des "Turniers seines Lebens" vorbereiten. Er schien diesen Tag auch perfekt genutzt zu haben, denn nach 18 Zügen war klar, dass er Caruana in der Katalanischen Eröffnung überrascht hatte: Mehr als die g-Linie, das Zentrum und einen Vorsprung auf der Uhr kann man gegen einen der besten Spieler der Welt kaum verlangen.


Als Weiß die Türme auf der g-Linie verdoppelte blieb Caruana ganz ruhig und als Abasov nach 24-minütigem Nachdenken 22.De3 spielte, sah es so aus, als würde der Aserbaidschaner den Faden verlieren. Möglicherweise wollte er mit diesem Zug seinen d-Bauern entfesseln. Diese Fesselung wäre aber nur dann ein Problem gewesen, wenn er seinen f-Bauern gezogen hätte.

Gerade als Stockfish begann, Caruanas Stellung wieder gutzuheißen und obwohl der Super-GM genau zu diesem Zeitpunkt lange nachdachte, kam es zu einer Katastrophe:

Als er auf den Zug 23...Db4 angesprochen wurde, konnte der aserbaidschanische Meister von 2017 auch nicht erklären, was sein Gegner übersehen hatte. Er bezeichnete seine eigenen Ideen als ziemlich einfach und sagte, dass er alle Züge außer 23...f5 oder 23...g6 "verdächtig" gefunden hätte. Tatsächlich gab es nach Caruanas Zug keine Möglichkeit, Abasovs Mattangriff abzuwehren und die Partie dauerte nur noch drei Züge.

Caruana and Abasov sitting at the board between two flags
Nijat Abasov (links) und Fabiano Caruana. Foto: Stev Bonhage/FIDE.

Kommentator Leko dachte, dass Caruana wohl gedacht hatte, dass Weiß auf der b1-h7 Diagonale eine Batterie aufstellten wollte und niemals damit gerechnet hatte, dass Weiß seinen starken Läufer gegen den passiven schwarzen Springer abtauschen würde. In Wirklichkeit hielt Abasov den h7-Springer zu Recht für einen wichtigen Verteidiger und meinte, dass ...g7-g6 nötig gewesen wäre, um den Abtausch zu verhindern.

Großmeister Rafael Leitao zeigt uns die Partie:

The Big Greek hat sich diese Partie ebenfalls ganz genau angesehen und erklärt sie uns:

Natürlich möchte niemand am Ende eines langen Turniers in einer Situation sein, in der man unbedingt gewinnen muss, aber ein kleiner Trost für Caruana ist, dass er in der zweiten Partie die weißen Figuren hat. Darüber hinaus bedeutet diese relativ schnelle Niederlage, dass er etwas mehr Zeit hat, sich auszuruhen, sich vorzubereiten und zu versuchen, die Niederlage zu vergessen. Wir können also davon ausgehen, dass er nicht kampflos untergehen wird.

Caruana with his face in his hands
Fabiano Caruana. Foto: Stev Bonhage/FIDE.

Praggnanandhaa-Carlsen

Es ist zwar etwas seltsam, dass in einem "Kampf der Generationen" ein 32-Jähriger die ältere Seite vertritt, aber genau das ist bei diesem Finale der Fall. Carlsen erlangte seinen Großmeistertitel im Jahr 2004 und gab sein Weltcup-Debüt im Jahr 2005 – im selben Jahr, in dem Praggnanandhaa geboren wurde!

Der indische Star, der während dieses Turnier 18 Jahre alt wurde, hat Rekorde gebrochen und auf dem Weg zum Finale viele neue Fans gewonnen. Er ist nicht nur der jüngste und am niedrigsten gesetzte Weltcup-Finalist der Geschichte, er hat auch den schwierigsten Weg zum Finale hinter sich, da er sowohl den an Nummer 2 gesetzten Hikaru Nakamura als auch den an drei gesetzten Caruana besiegen musste, um in das Finale gegen den topgesetzten Spieler einzuziehen.

Praggnanandhaa in the post-game interview
Praggnanandhaa. Foto: Maria Emelianova/Chess.com.

Nachdem sein junger Gegner den zeremoniellen Zug 1.c4 nicht zurückgenommen hatte, benötigte der fünffache Weltmeister ganze zwei Minuten, um zu antworten. In dieser Zeit füllte er sein Notationsformular aus, rückte seine Figuren zurecht und stützte seinen Kopf mit seinen Händen, während sich über 60.000 Zuschauer auf der ganzen Welt fragten, ob er überrascht wurde oder einfach nur psychologische Spielchen spielte.

Einen Zug später verschwand er für weitere Minuten vom Brett, bevor er zurückkehrte, um seinen dritten Zug auszuführen. Seine Körpersprache war schwer zu deuten, aber es wurde schnell klar, dass er nicht der besser vorbereitete Spieler war. In seinem Interview nach der Partie teilte er verhalten mit, dass er aufgrund einer Lebensmittelvergiftung in den letzten Tagen nicht in der Lage gewesen sei, sich ausreichend auszuruhen oder zu essen und dass er sich nicht auf 1.c4 vorbereitet hatte. Der einzige Vorteil, den er hatte, war, dass er sich am Brett wirklich ruhig fühlte, weil er keine Energie hatte, nervös zu sein.

Sechs der ersten neun Züge des Norwegers waren Springerzüge, was er als "Spielen von Zügen mit gesundem Menschenverstand" bezeichnete. Sie mögen (für Großmeister) gesunder Menschenverstand gewesen sein, aber sie ließen Schwarz dennoch mit einigen unangenehmen Problemen zurück, die er lösen musste. Das auffälligste dieser Probleme war die Frage, wie er angesichts des b5-Bauern und des weißfeldrigen Läufers von Weiß seine Figuren am Damenflügel entwickeln sollte.

Leko prognostizierte, dass Carlsen eine sichere Stellung hätte, wenn er den b5-Bauern sicher eliminieren könnte, aber es war keine leichte Aufgabe, dies in einer strategischen Stellung mit vielen drohenden Taktiken zu bewältigen – ein Beweis für die beeindruckende Vorbereitung von Praggnanandhaa, denn den Weltranglistenersten in einer klassischen Partie unter solchen Druck zu setzen, ist keine leichte Aufgabe.

Im 13. Zug musste Carlsen eine wichtige Entscheidung treffen, für die er auch 27 Minuten seiner Bedenkzeit investierte. Dann entschied er sich für 13...Tb8 und vermied damit das Durcheinander an Komplikationen vermied, die durch die von der Engine bevorzugten Läuferzüge entstanden wären. Dies erwies sich als kluge Investition der Bedenkzeit, da Praggnanandhaa in seinem Interview nach dem Spiel sagte, dass er sich vage an die Variante mit 13...Lh3 erinnert hatte.

Obwohl der an Nummer 31 gesetzte Spieler der Meinung war, dass er nach 13...Tb8 etwas hätte haben sollen, gelang es ihm nicht, seinen leichten Vorteil zu wahren und Carlsen konnte ein paar Züge den b5-Bauern eliminieren und hatte die sichere Stellung erreicht, von der Leko einige Züge vorher gesprochen hatte. Endspiel-Genie Carlsen war der Meinung, dass er im Endspiel vielleicht "ganz leicht besser" gestanden war, war aber mit dem Remis zufrieden, während Praggnanandhaa das Gefühl hatte, nie in Schwierigkeiten zu sein, da er seine Zeit ruhig nutzte, um nicht auf mögliche Endspieltricks seines erfahreneren Gegners hineinzufallen.

Praggnanandhaa and Carlsen discuss moves after their game
Praggnanandhaa (links) und Magnus Carlsen. Foto: Maria Emelianova/Chess.com.

Rafael Leitao hat auch diese Partie analysiert:

Es ist klar, dass Carlsen trotz des großen Erfahrungsunterschieds großen Respekt vor seinem Gegner hat – vor etwas mehr als einer Woche stand während seines eigenen Stichkampfes auf, um Praggnanandhaa zu seinem großen Sieg über Nakamura zu gratulieren. Die Spieler gehören beide dem Offerspill Chess Club an und waren auch Teamkollegen im Alpine Warriors-Team bei der Tech Mahindra Global Chess League 2023, aber sie haben gezeigt, dass sie sich auch im Kampf gegeneinander mehr als wohlfühlen.

In der Geschichte hat es noch niemand geschafft, alle drei Topgesetzten des Weltcups zu schlagen, aber Praggnanandhaa lässt offenbar nicht zu, dass Gedanken an Rekorde – oder scheinbar unmögliche Leistungen – sein Spiel beeinflussen. Auf die Frage nach der zweiten Partie antwortete er, dass er einen Kampf erwarte, aber dass er versuchen werde, sich auszuruhen und frisch ans Brett zu kommen, und das sei das Beste, was er tun könne.

Carlsen and Pragg at the board with Carlsen looking up at the ceiling
Magnus Carlsen (links) und Praggnanandhaa. Foto: Maria Emelianova/Chess.com.

Caruana hat sich schon zuvor von schwierigen Niederlagen erholt und wird versuchen, in der zweiten Partie dasselbe zu tun. Aber gegen einen Gegner, der derzeit von der Energie und Motivation profitiert, die er daraus schöpft, dass er tausende Zuschauer anlockt, die den Lokalmatador unterstützen, ist das keine leichte Aufgabe.

Für uns Fans bedeutet das, dass wir uns auf einen weiteren Tag, der uns in Atem halten wird, freuen dürfen. Und vielleicht stehen uns ja sogar am Freitag nochmal Stichkämpfe bevor. Ob es dazu kommt, wird heute, am Donnerstag, um 13:00 Uhr entschieden.

Der FIDE Weltcup 2023 ist ein K.-o.-Turnier im Matchformat. Jedes Match besteht aus zwei klassischen Partien und sollte es danach Unentschieden stehen, entscheidet ein Schnellschach-Tiebreak über das Weiterkommen. Der Damen-Weltcup lief bis zum 21. August und das Open läuft bis zum 24. August. Insgesamt gibt es in Baku 2.5 Millionen US-Dollar zu gewinnen.


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