Wesley So besiegt Giri in einem dramatischen Achtelfinale der Speed Chess Meisterschaft.
Die allerletzte Bullet Partie (Schach960!) brachte die Entscheidung. Wesley So besiegte Anish Giri mit 15.5-14.5 im spannendsten Duell, das es im Speed Chess je gegeben hat.
Alle Informationen über die Speed Chess Meisterschaft findet ihr hier
Emanuel Lasker schlug Karl Schlechter 1910 um das Duell auszugleichen und seinen Weltmeister Titel zu behalten. Garry Kasparov tat es ihm gegen Anatoly Karpov in Sevilla nach. Gestern lieferte Wesley So ab.
Dieser Vergleich ist natürlich nicht perfekt, aber immerhin. Der amerikanische Großmeister lag vor der letzten Bullet Partie einen Punkt zurück. Er gewann sie, und glich das Duell damit aus, und die darauf folgende Schach960 Partie fühlte sich bereits wie ein TieBreak an. Wesley So behielt die Nerven, fing die Dame seines Gegners, und gewann die Partie und damit das Achtelfinale.
So muss nun eine Weile warten um zu erfahren gegen wen er im Viertelfinale anzutreten hat, denn er spielt dort gegen den Sieger des letzten Achtelfinales, das erst am 5. Oktober gespielt werden wird: Magnus Carlsen gegen Gadir Guseinov.
Das gestrige Achtelfinale war auch das erste, bei dem zwei aktuelle TOP 10 Spieler der Welt aufeinander trafen, denn So ist die aktuelle Nummer 2 der Welt und Giri die Nummer 9.
Die beiden spielten bis gestern erst 4 Blitz Partien gegeneinander und da So 2 von diesen gewinnen konnte (bei 2 Remis) wurde er als klarer Favorit gehandelt.
Das Duell war aber dann noch spannender als es die meisten Experten erwartet hatten. GM Simon Williams hatte allerdings einen guten "Riecher":
I expect this will be one of the closest matches @chess.com has seen. 🙊 https://t.co/iZUlWnImd0
— Simon Williams (@ginger_gm) May 25, 2017
Vor allem war es aber kein positionelles, strategisches Duell, wie es nach den ersten beiden Partien von einigen befürchtet wurde. "2 extrem solide Spieler- da ist es sehr schwer zu gewinnen" beschrieb der Kommentator, IM Danny Rensch, den Verlauf des Duells bis zu diesem Zeitpunkt. So sagte nach seinem Sieg: "Ich dachte, es würde einen sehr solides Duell werden, aber dann gerieten die Dinge außer Kontrolle und es wurde hochinteressant."
Ganz anders als in Turnierpartien spielten Giri und So superaggressives Schach, das zu einem taktischen Schlachtfest auf höchstem Niveau wurde. Von den 30 gespielten Partien, endeten nur 13 mit einem Remis.
Pizza ✔ So VS Giri ✔ Time to chillax. #SpeedChess #YesThatsPineapple #MyPizzaMyRules 😄🍕😋 pic.twitter.com/gH8qiLSrEz
— L.J. Nielsen (@Nightscape) May 25, 2017
Schon in der dritten Partie sahen wir ein Schachmatt auf dem Brett. So übernahm in einer Partie, bei der beide Könige unsicher standen, die Initiative, und Giri fand nicht das Dauerschach, das möglich gewesen wäre. (Interessanterweise, eröffnete So mit 1.d4 nachdem sich Giri´s Najdorf in der ersten Partie als super-solide erwiesen hatte. So kehrte auch im gesamten Duell nicht mehr zu 1.e4 zurück.)
So gewann dann auch die vierte Partie und baute dadurch seine Führung auf 3:1 aus. Zu diesem Zeitpunkt konnte natürlich noch niemand ahnen, dass diese der größte Vorsprung im gesamten Achtelfinale sein würde, den ein Spieler erzielen konnte. (Nach Partie Nummer 13 führte So nochmals mit 2 Punkten Vorsprung.)
Nach einem Remis in der fünften Partie lief Giri dann zur Höchstform auf, und gewann 3 Partien in Folge! Seine Zugzwang-Kombi in der siebten Partie war einfach nur beeindruckend:
Die nächsten beiden Partie wurden durch lehrbuchmäßige Turmendspiele entschieden. Dank eines kritischen Schachs gewann Giri seine dritte Partie in Folge:
When @anishgiri is in the zone. #speedchess https://t.co/sK5GtxuMxx pic.twitter.com/vIWklpCwvd
— Chess.com (@chesscom) May 25, 2017
In der letzten Partie des ersten Drittels, also einer Schach960 Partie, ging es um die Verteidiung in einem Turmendspiel. Als Giri das Remis eigentlich schon sicher hatte, versuchte So einen letzten Trick, und er funktionierte:
Ergebnis: 5|2 Bedenkzeit
Spieler | Land | Rating | 1 | 2 | 3 | 4 | 5 | 6 | 7 | 8 | 9 | Punkte |
Anish Giri | 2767 | ½ | ½ | 0 | 0 | ½ | 1 | 1 | 1 | 0 | 4.5/9 | |
Wesley So | 2759 | ½ | ½ | 1 | 1 | ½ | 0 | 0 | 0 | 1 | 4.5/9 |
So gewann dann die erste Partie mit 3+2 Bedenkzeit. Nach 2 schwachen Zügen von Giri in Folge gewann So mit einer einfachen Taktik einen Bauern, und der Rest war, wie es Spieler dieser Stärke nennen, nur noch eine Frage der Technik:
Nach 2 Remis gewann So dann Partie Nummer 13 und erzielte damit zum zweiten (und letzten) Mal eine 2-Punkte Führung. Wieder war es ein Turmendspiel und dieses war wohl das lehrreichste von allen. "Giri sieht aus wie ein trauriger Smiley" war IM Aman Hambleton treffender Kommentar.
Durch einen Sieg in der Schach960 Partie des zweiten Drittels, die versehentlich zu früh gestartet wurde, verkürzte Giri seinen Rückstand wieder auf einen Punkt. Schwarz startete schon sehr früh einen verheereden Angriff auf den weißen König.
Vielleicht hat So, durch seine Rochade auf den Königsflügel im zweiten Zug(!), seine Karten etwas zu früh aufgedeckt. So etwas erlebt man eben nur im Schach960...
Da die Schach960 Partie, wie erwähnt, zu früh gestartet wurde, war die letzte Partie des zweiten Drittels dann wieder eine traditionelle. In dieser Stellung dachte So lange über die richtige Abwicklung nach, aber es war um Haaresbreite nicht genug, um die Partie zu gewinnen. Ein faszinierendes Endspiel haben wir trotzdem gesehen.
Ergebnis: 3|2 Bedenkzeit
Spieler | Land | Rating | 1 | 2 | 3 | 4 | 5 | 6 | 7 | 8 | 9 | Punkte |
Wesley So | 2750 | 1 | ½ | ½ | 1 | ½ | 0 | ½ | ½ | ½ | 5.0/9 | |
Anish Giri | 2773 | 0 | ½ | ½ | 0 | ½ | 1 | ½ | ½ | ½ | 4.0/9 |
Mittlerweile hatten sich Hikaru Nakamura und Fabiano Caruana im Chess.com/TV Chat eingefunden und Sergey Karjakin loggte sich in die russisch-sprachige Übertragung von GM Sergey Shipov ein. Sie sahen ein solides Remis zum Auftakt der Bullet-Sektion, aber dann folgten 2 Siege.
Die vierte Partie endete wieder Remis und mit seinem Sieg in der fünften Partie konnte Giri den Gesamtstand zum x-ten Male ausgleichen! Dass So in dieser Partie seine Dame verlor, war gar kein so großes Problem, aber auf seinen König hätte er einfach besser achten müssen:
Giri hatte sich bis dahin schon mehrmals in der Bullet-Sektion für den Königsindischen Angriff entschieden. Besonders im Bullet Schach ist diese Eröffnung ja sehr beliebt, denn Weiß kann eine Menge Züge machen, ohne großartig darüber nachdenken zu müssen, aber Giri hatte einen anderen Grund dafür.
Er stellte fest, dass es keinen Sinn mehr machte, Figuren zu tauschen und auf das Endspiel zu gehen. "Normalerweise sind Endspiele ja meine Stärke, aber So war heute in Endspielen einfach besser. Ich habe festgestellt, dass ich Wesley einfach Matt setzen musste," sagte Giri nach dem Duell.
Diese Strategie hat der Holländer während des Achtelfinals, und nicht etwa zuvor, ausgearbeitet. "Ich habe beobachtet, dass Wesley nervös wurde, wenn ich seinen König angegriffen habe. Vor dem Duell war meine Strategie eingentlich nur, irgendwie ein 20:0 zu vermeiden."
So gab später zu, dass der Plan seines Gegners durchaus aufging. "Ja, die typischen Anish Angriffe waren super effektiv!" Giri: "Das ist das erste Mal, dass ich höre, dass ich die Worte "Typisch", "Angriffe" und "Anish" in einem Satz höre!"
So erzielte dann mit Weiß ein Remis und sah sich darauf gleich dem nächsten Königsindischen Angriff ausgesetzt. Dieses mal konnte der Amerikaner den Angriff jedoch abwehren und gewann, nachdem Giri seinen Läufer auf g7 "begraben" hatte und übersah, dass So seinen Turm mit Schach schlagen würde:
Giri glich aber sofort danach wieder aus, und ging mit seinem zweiten Sieg in Folge dann sogar in Führung. Das Läufer gegen Springer Endspiel in der 28. Partie war eigentlich ein theoretisches Remis (sogar ohne die beiden schwarzen Bauern auf der b- und der g-Linie!) aber So lies den Gewinnzug f6-f7 zu. Da danach nur noch eine traditionelle Partie zu spielen war, schien dieser Sieg die Vorentscheidung zu sein.
So musste diese Partie also gewinnen und er entschied sich für den Torre-Angriff. Die Eröffnung erwies sich allerdings als eine Katastrophe und im 23. Zug stand Schwarz ganz klar auf Gewinn!
Giri setzte alles auf eine Karte namens "Angriff auf den König", nachdem er mit dieser Strategie bis dahin den größten Erfolg hatte. Er opferte zuerst eine Qualität und dann eine Figur, aber die Opfer waren einfach nicht korrekt. "Es hat so oft funktioniert, aber in der letzten Partie leider nicht," sagte Giri.
Es stand also nach 29 gespielten Partien 14.5-14.5. Hätte die Schach960 Partie mit einem Remis geendet, hätte ein 3-Partien Playoff die Entscheidung bringen müssen aber die Partie endete nicht Remis. Giri verlor zuerst seine Dame, dann die Partie und somit auch das Achtelfinale.
Ergebnis: 1|1 Bedenkzeit
Spieler | Land | Rating | 1 | 2 | 3 | 4 | 5 | 6 | 7 | 8 | 9 | 10 | 11 | 12 | Punkte |
Wesley So | 2921 | ½ | 0 | 1 | ½ | 0 | ½ | ½ | 1 | 0 | 0 | 1 | 1 | 6.0/12 | |
Anish Giri | 2746 | ½ | 1 | 0 | ½ | 1 | ½ | ½ | 0 | 1 | 1 | 0 | 0 | 6.0/12 |
Nach dem Achtelfinale sagte Giri, dass er so sehr auf die Partien konzentriert gewesen sei, dass er den Gesamtstand überhaupt nicht wusste. Ein Administrator von Chess.com hält die Spieler zwar ständig über den Gesamtstand auf dem laufenden, aber Giri schenkte diesen Nachrichten überhaupt keine Beachtung.
"Ich dachte, dass ich garnicht in Führung liegen könnte, denn ich war viel öfters im Rückstand als in Führung. Ich habe abe Wesley gezeigt, dass seine Dame auf h1 einfach sehr schlecht steht. Jetzt kann er zeigen, was er daraus gelernt hat!"
"Ich wusste, dass dieses Duell sehr eng werden würde," sagte So. "Im Laufe der Zeit wurden wir beide müde und dann haben wir auch Taktiken übersehen."
Der Sieger maß auch der Zeit einen großen Faktor bei. "Die Zeit war ein wichtiger Faktor in diesem Duell. Anish spielte gut und wahnsinnig schnell. Er hatte fast immer mehr Zeit als ich, und ich hatte keinen blassen Schimmer was ich gegen sein Grünfeld spielen sollte!"
So, der auf einer Art Schaukelstuhl spielte, behielt aber immer die Nerven, und zeigt nie Angst. "Meine Hände fingen zu schwitzen an und die Maus wurde schon feucht. Ich war wirklich nervös."
Giri hatte vor der Bullet-Sektion einen Punkt Rückstand und dieser Abschnitt endete 6:6. Obwohl er gar nicht oft Bullet spielt, war er trotzdem immer besser in der Zeit. "Ich bin ziemlich schnell mit der Maus und Bullet macht wirklich Spass. Wenn ich einmal mit Bullet anfange kann ich kaum damit aufhören, aber eigentlich ist es kein sehr nützliches Talent. Also Hikaro könnte sicher ein Buch über Bullet schreiben, aber mehr kann er damit wohl nicht erreichen!"
It was a fun match until they told me the final score.. #speedchess
— Anish Giri (@anishgiri) May 25, 2017
Die letzte Partie was wohl die teuerste Schach960 Partie, die jemals gespielt wurde. So erhielt für seinen Sieg $1516.67 (zuzüglich dem Preisgeld des Viertelfinals) und Giri $483.33.
Das ganze Duell könnt ihr hier noch einmal ansehen:
Alle Informationen über die Speed Chess Meisterschaft findet Ihr hier